Interview: Technik-Unterricht in Zeiten von Corona: (Wie) geht das?

Fachartikel

Die Corona-Pandemie hat einen großen Einfluss darauf, wie Schule und Unterricht gestaltet werden können. Fächer mit einem hohen Praxisanteil – wie zum Beispiel der Technik-Unterricht – sind hierbei besonders gefordert. In diesem Interview berichten uns vier Lehrkräfte, wie Sie ihren Unterricht im letzten Jahr gestaltet haben, welche Probleme sie dabei hatten und was sie auch für die Zukunft mitnehmen konnten. Es wurde im Kontext des von der Deutsche Telekom Stiftung geförderten Programms "Junior-Ingenieur-Akademie" geführt.

Technik-Unterricht lebt vom Ausprobieren, Experimentieren und handwerklichen Arbeiten: Wie gelingt das in Zeiten von Abstandsregeln und Distanz-Unterricht?

Die Situation an den Schulen ist nicht einfach: Teilweise wurde oder wird mit reduzierter Gruppengröße gearbeitet, teilweise findet der Unterricht überhaupt nicht in der Schule statt und beschränkt sich auf das Homeschooling. An Technik-Unterricht, der nur ansatzweise dem entspricht, was vor der Pandemie stattgefunden hat, ist somit nicht zu denken. Im Mittelpunkt steht oftmals eine theoretische Behandlung von technischen Themen. Findet Unterricht innerhalb der Schule statt, geschieht dies häufig nur in Einzelarbeit, um die Mindestabstände und Hygienemaßnahmen einzuhalten. Ansonsten gibt es auch kleinere technische Projekte, die von den Schülerinnen und Schülern daheim bearbeitet werden können. Dabei muss aktuell jedoch darauf geachtet werden, dass die Projekte nicht zu umfangreich und schwierig sind, damit die Motivation der Lernenden aufrechterhalten werden kann.

Welche ist die größte Herausforderung, vor der Technik-Lehrkräfte in Zeiten der Corona-Pandemie stehen und wie meistern Sie diese?

Der häufige Wechsel zwischen Präsenz-, Distanz- und Wechsel-Unterricht hat sich als großes Problem erwiesen. Das gilt für alle Fächer, ist aber in einem Fach mit hohen praktischen Anteilen – wie der Technik- und Physik-Unterricht – noch einmal problematischer. Beispielsweise können angefangene Projekte nicht vollendet werden. Zudem bestehen die Lerngruppen teilweise aus mehreren Schülerinnen und Schülern verschiedener Klassen, weshalb die Hygienevorschriften zusätzlich Probleme im Präsenz-Unterricht bereiten. Des Weiteren lebt der Technik-Unterricht vom Sammeln von Primärerfahrungen; Aufgaben mit einem direkten Lebensweltbezug der Schülerinnen und Schülern sind häufig motivierend. Da dies aktuell nicht gegeben ist, leidet die Motivation.

Wie gestalten Sie Ihren Technik-Unterricht seit Beginn der Corona-Pandemie? Welches Best-Practice-Beispiel möchten Sie anderen Technik-Lehrkräften ans Herz legen?

Das praktische Arbeiten im Distanz-Unterricht kann durch den Mangel an Equipment nicht so durchgeführt werden, wie im Unterricht in der Schule. Dennoch kann gut mit dem heimischen Computer gearbeitet werden: Simulationen bieten sich hier beispielsweise an. Es gibt viele Coding-Projekte, die auf dem PC der Lernenden funktionieren. Ansonsten kann auch die theoretische Basis für die Zeit nach Corona gelegt werden, sodass unmittelbar mit dem praktischen Arbeiten begonnen werden kann. Projekte aus dem Bereich der Optik können außerdem gut mit Hilfsmitteln aus dem eigenen Haushalt durchgeführt werden.

Wie kommen die Schülerinnen und Schüler mit den veränderten Unterrichtsbedingungen klar? Was melden Sie ihnen zurück?

Die Situation gestaltet sich bei den Lernenden sehr unterschiedlich. Dennoch kann eine Tendenz festgestellt werden, dass es bei lernschwächeren Schülerinnen und Schülern zu mehr Problemen kommt und diese immer weiter abgehängt werden. Das Lernen auf Distanz erfordert ein hohes Maß an Selbstdisziplin, das viele Lernende in den eigenen vier Wänden nicht aufrechterhalten können und somit das Lernen stark beeinträchtigt wird. Das gilt für den Technik-Unterricht wie für alle Fächer. Es zeigt sich, dass die Motivation stark unter den veränderten Unterrichtsbedingungen leidet. Viele äußern den Wunsch nach mehr Praxisanteilen im Unterricht, die jedoch im Distanz-Unterricht schwierig zu realisieren sind.

Projekte und Arbeiten, die auch innerhalb der Schule am PC erledigt werden würden, können trotzdem den Umständen entsprechend gut durchgeführt werden. Beispielsweise die Arbeit mit CAD-Programmen bietet sich an und und interessiert viele Lernende. Doch auch damit können nicht alle Schülerinnen und Schüler erreicht werden.

Wie kann Technik im Alltag der Lernenden erfahrbar gemacht werden? Profitiert der Technik-Unterricht dabei von der Digitalisierung der Schulen?

Der Einsatz des Computers im Technik-Unterricht ist nichts Neues. Seit jeher wird der PC als Werkzeug im Unterricht eingesetzt. Ein großer Vorteil ist nun, dass die meisten Schülerinnen und Schüler selbst ein passendes Endgerät besitzen. Die Einwahl in den "PC-Raum" entfällt somit und dennoch haben alle Lernenden dieselben Möglichkeiten. Zudem sind Ein-Chip-Mikrocomputer mittlerweile kostengünstig erhältlich, sodass schnell und einfach Programme erstellt oder externe Aktoren – wie zum Beispiel LEDs oder Motoren – gesteuert werden können. Auch Smartphones und Tablets können eine Bereicherung darstellen: Es lassen sich Versuche unkompliziert fotografieren und protokollieren und die eigenständige Recherche im Internet kann direkt am und mit dem Objekt erfolgen.

Die Lernenden sind nahezu rund um die Uhr von Technik umgeben und nutzen diese. Und auch in Zeiten des Distanz-Lernens war und ist das eigene Haus ein Ort, an dem überall Technik zu entdecken ist. Das Smartphone, Haushaltsgeräte oder die Stromversorgung liefern viele verschiedene Anreize zur Arbeit im Unterricht.

Welche besonderen Erfahrungen haben Sie im Technik-Unterricht in Zeiten der Pandemie gemacht, mit denen Sie im Vorfeld nicht gerechnet hatten? Welche Learnings nehmen Sie daraus mit?

Es hat sich gezeigt, dass das praktische Arbeiten – nicht nur, aber vor allem – im Fach Technik nicht zu ersetzen ist. Der Unterricht lebt davon und in Zeiten des Distanz-Lernens konnte dieser nicht so gestaltet werden, wie es sich vermutlich die meisten Lehrkräfte im Vorfeld gewünscht hätten. Dennoch hat das Lernen auf Distanz auch viele schöne Dinge offenbart: Viele neue digitale Formate haben Einzug in den Unterricht gehalten und sich als wirklicher Mehrwert erwiesen. Zum einen kann der Einsatz digitaler Tools eine Bereicherung sein und zum anderen haben die Lernenden bewiesen, dass sie kreative und digitale Lernprodukte erstellen können. Das kann trotz allem nicht darüber hinwegtäuschen, dass einige Schülerinnen und Schüler das Lernen verlernt haben und dass der bloße Einsatz digitaler Medien und Technologien nicht automatisch zu besseren Lernergebnissen führt. Insgesamt sind vermutlich alle froh, wenn der Unterricht nun wieder vermehrt in Präsenz stattfinden kann.

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