Plötzlich schwerelos - was ist Mikrogravitation?

Schwerelosigkeit beim freien Fall ist nicht vollkommen, da zum Beispiel der Luftwiderstand die Fallbewegung beeinflusst. Die verbleibende Restschwere nennt man Mikrogravitation.

Im All, im Traum, im Schwimmbad

Als ein sehr beeindruckendes Erlebnis von Raumfahrtmissionen beschreiben Astronauten das Gefühl der Schwerelosigkeit. Schülerinnen und Schüler, die im Fernsehen sehen können, wie Wissenschaftler durch die Station schweben, können sich eine Welt ohne Schwere kaum vorstellen. Dennoch erscheint manchem dieser Zustand seltsam vertraut. Er erinnert an Träume, in denen man läuft, abhebt und schließlich schwebt oder in denen man in einem grenzenlosen Raum endlos fällt. Aber auch in der Realität können wir auf der Erde den Zustand der Schwerelosigkeit erfahren, zum Beispiel wenn wir im Schwimmbad mit einem Ball auf der offenen Handfläche vom 3-Meter-Turm springen. Für die kurze Zeit des Fluges übt der Ball - oder auch ein Stein - keinen Druck auf unsere Handfläche aus. Das Objekt ist in dieser Zeit, wie wir selbst, schwerelos. Leider können wir diesen kurzen Zustand kaum bewusst erleben, weil wir in Gedanken mit Auftreffen auf die Wasseroberfläche beschäftigt sind.

Schwerelosigkeit und Mikrogravitation

Nach den Gesetzen der Physik ist jedes Objekt schwerelos, das sich im freien Fall befindet, sei es ein Schwimmer beim Sprung vom Turm in das Wasser, oder der Passagier eines Flugzeugs zur Erforschung der Schwerelosigkeit. Im sogenannten Parabelflug wird hier für etwa 20 Sekunden die Schubkraft der Triebwerke so weit gedrosselt, dass das Flugzeug der Erde entgegenfällt und die Passagiere in der Kabine schwerelos schweben. Die Bewohner einer Raumstation umkreisen in einem fortlaufenden "Sturz" die Erde. Die Schwerelosigkeit beim freien Fall ist in der Regel nicht vollkommen, da störende Effekte, wie zum Beispiel der Luftwiderstand, die Fallbewegung beeinflussen. Es stellt sich eine geringe Restschwere ein, die man Mikrogravitation nennt. Auf den Forschungsgebieten Materialwissenschaft, Verfahrenstechnik, Fluidmechanik, aber auch Biologie und Biotechnologie, werden aktuell aufschlussreiche Experimente unter Mikrogravitations-Bedingungen durchgeführt.

Experimente im Klassenzimmer

Mikrogravitationsexperimente sind auch im Klassenzimmer möglich. Wir stellen in diesem Beitrag eine einfache Apparatur vor, mit der Experimente im freien Fall aus der geringen Höhe von 1,4 Metern und einer kurzen Dauer von 0,5 Sekunden durchgeführt und ausgewertet werden. Wesentliche Phänomene der Mikrogravitation lassen sich dabei untersuchen. Die Ausblendung störender Effekte und die Qualität der dokumentierenden Videoaufnahmen konnten gegenüber früheren Experimenten deutlich gesteigert werden (Martini, Volker, Schwerelos im freien Fall, Praxis der Naturwissenschaften/Physik in der Schule, Heft 3/53 [2004], Seite 2-7).

Verblüffende Effekte ohne Gravitation

Charakteristisch für die hier vorgestellten Experimente ist, dass mit ihnen der Übergang von alltäglicher Gravitation zur Mikrogravitation erforscht wird. Mit dem Loslassen der Fallkapsel findet dieser Übergang schlagartig statt, die Gravitation wird gewissermaßen ausgeschaltet. Flüssigkeiten und Gase reagieren auf diese plötzliche Veränderung. Das Gleichgewicht zwischen der Gravitationskraft und Kräften, die der elastischen Verformung, der Adhäsion und der Kohäsion zugrunde liegen, wird aufgehoben. Die betrachteten Objekte streben einen neuen Gleichgewichtszustand an, der uns wegen der fehlenden Gravitation verblüffende Effekte vor Augen führt.

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Volker Martini

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