Mit Kindern und Jugendlichen übers Impfen sprechen
In diesem Fachartikel präsentieren wir Ihnen umfangreiche Informationen zum Thema "Impfen und Gesundheit", die die Lernenden unvoreingenommen und sachlich über den Nutzen und die Risiken von Impfungen – auch jenseits der COVID-19-Impfung – aufklären sollen. Der Beitrag ist in Zusammenarbeit mit dem Fonds der Chemischen Industrie (dem Förderwerk des Verbandes der Chemischen Industrie e. V.) entstanden.
Die Killer von einst
Bis in das 19. Jahrhundert waren Ärztinnen und Ärzte in der Regel machtlos gegen die weitverbreiteten und immer wiederkehrenden großen Epidemien und Seuchen. Eine dieser weitverbreiteten Infektionskrankheiten waren die Pocken. Etwa 30 Prozent der Erkrankten starben, viele Überlebende waren durch Narben entstellt. Früh erkannte man jedoch, dass das einmalige Durchstehen der Pockenkrankheit gegen weitere Ansteckungen durch die Pocken immun machte. Daher waren die Pocken die erste Krankheit, bei der versucht wurde, Individuen durch absichtliche Infektion zu immunisieren. Im Jahr 1796 infizierte der englische Arzt Edward Jenner (1749–1823) einen Jungen mit den Kuhpocken und stellte fest, dass der Junge anschließend immun gegen gewöhnliche Pocken war. Seinen Impfstoff nannte Jenner Vaccine (von lat. vacca "Kuh"). Diese erste moderne Art der Impfung gegen die Menschenpocken setzte sich rasch durch. Die Ursache der Infektionskrankheiten war jedoch nach wie vor unbekannt. Das änderte sich erst im 19. Jahrhundert, als zahlreiche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler begannen, sich mit den Krankheitsursachen zu befassen – allen voran der französische Chemiker und Mikrobiologe Louis Pasteur (1822–1895) und der deutsche Mikrobiologe und spätere Medizin-Nobelpreisträger Robert Koch (1843–1910), die Bakterien als Erreger von Tuberkulose und Geflügelcholera identifizierten. Mit einem von Pasteur entwickelten Serum gegen den gefürchteten Milzbrand gelang 1881 ein epochaler Durchbruch in der Bekämpfung von Infektionskrankheiten.
Impfungen gehören heute zu den wichtigsten und wirksamsten präventiven Maßnahmen, die in der Medizin zur Verfügung stehen, um sich und andere vor einer ansteckenden Krankheit zu schützen. Beispiele sind die in Rekordtempo während der Corona-Pandemie entwickelten Vakzine gegen COVID-19. Einen 100-prozentigen Schutz bietet die Schutzimpfung nicht, kann aber schwere Krankheitsverläufe verhindern und die Viren-Übertragung vermindern.
Fake News versus Fakten
Spätestens seitdem die Ständige Impfkommission (STIKO) am 9. November 2021 eine allgemeine Empfehlung für eine COVID-19-Impfung für Kinder und Jugendliche ab 12 Jahren ausgesprochen hat, muss sich diese Altersgruppe aktiv mit dem Thema "Impfen" auseinandersetzen. Sie müssen eine persönliche Entscheidung für oder gegen das Impfen treffen. Neben dem Elternhaus kommt der Schule hier eine entscheidende Rolle in der Aufklärung zu: Sie ist der Ort, in dem die Schülerinnen und Schüler faktenbasiert über mögliche Vorteile und Risiken aufgeklärt werden müssen. Im Sinne des Indoktrinationsverbots ist es jedoch nicht immer einfach, die Grenze zwischen Beeinflussung und faktenbasierter Aufklärung zu ziehen.
Was kann die Lehrkraft beispielsweise tun, wenn eine Schülerin oder ein Schüler – sei es aus eigener Überzeugung oderdurch die Eltern – Vorbehalte gegenüber Impfstoffen hat? Prinzipiell müssen die Lernenden zu einer eigenen Meinungsfindung angeregt werden und andere Meinungen – wie beispielsweise die Meinung der Lehrkraft – dürfen niemals als allgemeingültige Meinung präsentiert werden. Dazu gehört auch, dass das breite Spektrum aller Meinungen und Haltungen zum Thema unvoreingenommen präsentiert und diskutiert wird. Hierbei wird das Gebot zur Kontroversität deutlich. Alles, was in Wissenschaft und Politik kontrovers erscheint, muss auch in der Schule kontrovers diskutiert werden. Verschwörungstheorien zum Thema Impfen gehören jedoch nicht dazu. Da sich diese Theorien jeder politischen und wissenschaftlichen Grundlageentziehen, müssen diese auch nicht diskutiert werden, wenngleich eine Beschäftigung mit verschiedenen Verschwörungstheorien (vor allem im gesellschaftswissenschaftlichen Unterricht) durchaus als sinnvoll erachtet werden kann.
Zwar ist eine möglichst flächendeckende Impfung bei Schülerinnen und Schülern wünschenswert, um eine Herdenimmunität zu erreichen, Impfskepsis darf jedoch nicht mit Verschwörungstheorien gleichgesetzt werden und Lernende müssen daher faktenbasiert durch umfassende und wissenschaftlich gesicherte Unterrichtsinhalte aufgeklärt werden, um ihnen eine eigene Meinungsbildung zu ermöglichen.
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Unterrichtsmaterialien "Impfen und Gesundheit"
Das Materialangebot zum Thema "Impfen und Gesundheit" umfasst fünf Unterrichtseinheiten, die Schülerinnen und Schülern vor allem die naturwissenschaftlichen Hintergründe und die Wirkungsweise von Impfungen erfahren lassen. Da das Thema jedoch auch von hoher gesellschaftlicher Relevanz ist, ist eine der fünf Unterrichtseinheiten für den fächerübergreifenden und gesellschaftswissenschaftlichen Unterricht gedacht. Alle Unterrichtseinheiten bieten verschiedene Materialien, Arbeitsblätter und Umsetzungshinweise, die direkt und ohne große Vorbereitung im Unterricht durchgeführt werden können. Darin enthalten sind auch fachliche Einführungstexte für die Lehrkraft sowie ein didaktisch-methodischer Kommentar, ein beispielhafter Unterrichtsablauf und die vermittelten Kompetenzen. Die Unterrichtseinheiten können chronologisch bearbeitet werden, sind jedoch auch so konzipiert, dass sie unabhängig voneinander im Unterricht durchgeführt werden können. Ziel aller Unterrichtseinheiten ist es, dass Vorurteile gegenüber Impfungen im Allgemeinen, aber im Besonderen gegen COVID-19, abgebaut werden und wissenschaftlich korrekt darüber aufgeklärt wird, sodass sich die Lernenden faktenbasiert eine eigene Meinung bilden können. Inhaltlich ist das Materialangebot folgendermaßen gegliedert:
Das Immunsystem
Zur Einführung in die Thematik erarbeiten sich die Lernenden die grundlegende Funktionsweise des Immunsystems. Dabei unterscheiden sie zwischen spezifischer und unspezifischer Immunabwehr, und sie lernen die daran beteiligten Zellen des menschlichen Körpers kennen.
Schutz- und Heilimpfungen
In dieser Unterrichtseinheit vergleichen die Schülerinnen und Schüler die Schutz- und die sogenannte Heilimpfung. Sie lernen die Grundprinzipien der beiden Impfungen kennen und erfahren, wann sie eingesetzt werden. Außerdem erarbeiten sie sich anhand eines Impfkalenders, zu welchem Zeitpunkt eine Impfung gegen eine bestimmte Krankheit empfohlen wird.
Impfstofftypen
Im Zuge der COVID-19-Pandemie sind neben den Totimpfstoffen und Lebendimpfstoffen zwei weitere Impfstofftypen zum Einsatz gekommen: Vektor-Impfstoffe und mRNA-Impfstoffe. Die Lernenden vergleichen die vier Impfstofftypen hinsichtlich ihrer Wirkmechanismen und erfahren, wie die neuartigen Impfstoffe für einen Impfschutz sorgen.
Biotechnologische Verfahren: PCR und Antigen-Schnelltests
Mit dem Beginn der COVID-19-Pandemie war der Begriff "PCR" plötzlich überall zu hören. Es ist bis heute das Verfahren, das eine Infektion mit dem SARS-CoV-2-Erreger am zuverlässigsten nachweisen kann. Im Laufe der Zeit wurden sogenannte Antigen-Schnelltests entwickelt, mit denen in kurzer Zeit festgestellt werden kann, ob eine Person mit dem Erreger infiziert ist. Die Schülerinnen und Schüler lernen in dieser Unterrichtseinheit beide Verfahren sowie Vor- und Nachteile der Methodenkennen.
Globalisierung als Treiber von Pandemien?
In dieser fächerübergreifenden Unterrichtseinheit widmen sich die Lernenden der Frage, ob die fortschreitende Globalisierung die Ausbreitung von Pandemien begünstigt. Dabei lernen sie auch zwischen Epidemie und Pandemie zu unterscheiden. Außerdem erfahren die Schülerinnen und Schüler den Nutzen der Herdenimmunität.
Einführende Aktivität
Auch gut zwei Jahre nach Beginn der COVID-19-Pandemie fällt es nicht schwer, Anknüpfungspunkte für die Thematik im Unterricht zu finden. Dennoch bietet es sich an, durch eine aktive Phase in das Thema zu starten, um die Neugier der Lernenden durch einen "Aha-Effekt" zu wecken. Dies kann mit folgender Aktivität gelingen. Es stellt in Kürze die Ausbreitungsgeschwindigkeit einer ansteckenden Krankheit dar. Im zweiten Schritt erfahren die Lernenden, wie eine Impfung diese Ausbreitung verhindern kann.
Material
- rotes, grünes und gelbes Papier in kleinen Kügelchen oder Schnipseln
Phase 1
In der ersten Phase erhalten zwei bis drei Schülerinnen und Schüler jeweils acht kleine Kügelchen oder Schnipsel mit rotem Papier. Das rote Papier symbolisiert die Infektion mit einer ansteckenden Krankheit. Alle anderen Schülerinnen und Schülerin der Klasse erhalten einen Schnipsel beziehungsweise eine Kugel mit gelbem Papier. Diese Lernenden sind in dem Experiment die gesunde / nicht infizierte Gruppe. Wichtig ist, dass die "Identität" der einzelnen Schülerinnen und Schüler unbekannt ist.
Alle Lernenden halten ihre Kügelchen in der Hand und laufen im Raum herum. Auf das Kommando der Lehrkraft treffen sich jeweils zwei Schülerinnen und Schüler und öffnen ihre Hände. Sollte eine Person rote Kügelchen in der Hand haben, gibt sie der anderen Person die Hälfte davon und "infiziert" sie somit. Je nach Ausgangslage sind nach einer Runde nun vier bis sechs Personen in der Klasse infiziert. Dieses Verfahren wird noch zwei weitere Male durchgeführt, wobei darauf geachtet werden sollte, dass sich nicht zweimal die gleichen Personen gegenüberstehen. Nach der dritten Runde wird ermittelt, wie viele Schülerinnen und Schüler mindestens eine rote Kugel in der Hand halten.
Das Experiment zeigt, wie schnell sich eine Krankheit ausbreiten kann. Der Begriff "exponentielles Wachstum" ist den Lernenden zu diesem Zeitpunkt vielleicht schon begegnet, sollte ansonsten an dieser Stelle eingeführt werden.
Phase 2
Wieder erhalten zwei bis drei Schülerinnen und Schüler jeweils acht rote Kügelchen. Nun erhalten jedoch circa drei Viertel der Klasse eine grüne Kugel. In diesem Experiment gelten sie als geimpft beziehungsweise immun gegen die ansteckende Krankheit. Es werden wieder drei Runden gespielt. Sollte nun eine infizierte Person auf eine geimpfte/immunisierte Person treffen, gibt die infizierte Person keine roten Kugeln ab. Anschließend wird wieder ermittelt, wie viele Schülerinnen und Schüler nun mindestens eine rote Kugel in der Hand halten. In der Theorie sollten sich nun deutlich weniger Personen in den drei Runden mit der Krankheit infiziert haben.
Weiterführende Aufgaben und Modellkritik
An das Experiment können sich weiterführende Aufgaben anschließen. Es ist wahrscheinlich, dass sich in einer der drei Runden in Phase 1 auch zwei infizierte Personen begegnen. Daher kann beispielsweise ermittelt werden, wie viele Lernende sich nach drei Runden maximal und minimal hätten infizieren können. Außerdem kann ermittelt werden, wie lange es brauchen würde, bis sich die gesamte Klasse mit der Krankheit angesteckt hat oder wie viele Runden maximal notwendig wären, bis beispielsweise die gesamte Schule angesteckt wurde. Dabei wird den Lernenden schnell bewusst, dass nur wenige Kontakte notwendig sind, bis sich eine Krankheit durch exponentielles Wachstum ausbreiten kann. Dennoch ist festzuhalten, dass es sich bei diesem Experiment um ein Modell handelt, das nicht eins zu eins auf die Realität angewendet werden kann. Daher muss im Sinne des Kompetenzerwerbs im Biologie-Unterricht auch Modellkritik geübt werden. Beispielweise ist zu klären, warum nicht jeder Kontakt mit einer infizierten Person direkt zu einer Ansteckung führt.
Fazit
Die Lernenden erfahren durch das Experiment eindrucksvoll, wie schnell sich eine Krankheit ausbreiten kann. Im zweiten Schritt erkennen sie zudem den Nutzen von Impfungen und wie diese die Infektionsdynamik direkt beeinflussen können. Damit ist der Grundstein für die Bearbeitung weiterer Unterrichtsinhalte zum Thema gelegt.