Neulich am zentralen Busbahnhof einer mittelgroßen deutschen Stadt: Ein junger Mann spricht eine Gruppe ebenfalls junger Leute an und fragt nach dem Bus Nr. 312. Antwort: "Bist wohl blöd, Mann, da steht er doch." Blöd nicht, nur blind.
Oder: Ein freundlicher Zivi liest einer allein stehenden blinden Frau geduldig die Zeitung vor. Nach jedem Abschnitt oder Artikel fasst er den Inhalt des Gelesenen kurz zusammen. Dies wiederholt sich einige Male, bis die Frau sagt: "Junger Mann, ich bin doch nicht blöd." Im Gegenteil, es gehört längst zum Allgemeinwissen, dass Blinde oft mit höchster Intelligenz das fehlende Sehvermögen kompensieren, das Gehirn entwickelt erstaunliche Fähigkeiten bei der Verarbeitung anderer als optischer Sinnesreize, und die Beispiele berühmter blinder Persönlichkeiten mit herausragenden geistigen Leistungen in Geschichte und Gegenwart sind zahlreich.