Beschreibung der Unterrichtseinheit
Kriege mit ihrem unendlichen Leid in einen gedanklichen Bezug zu Spielen zu setzen, erscheint auf den ersten Blick frivol und unangemessen. Bei genauerem Hinsehen ermöglicht aber gerade die Spieltheorie eine strukturelle Entschlüsselung von Konflikten, geht es doch um das Abwägen, Optimieren und Treffen menschlicher Entscheidungen unter höchster Unsicherheit und mit immensen, vermutlich schrecklichen Folgen.
Die Spieltheorie reflektiert menschliche Entscheidungen in komplexen Problemsituationen zwischen Menschen, Unternehmen oder Regierungen und sie wägt dabei die Vor- und Nachteile dieser Entscheidungen unter Einbeziehung aller verfügbaren Informationen hinsichtlich Rahmenbedingungen und wahrscheinlicher Reaktionen der beteiligten Menschen oder Institutionen ab. Sie bietet damit ein Verfahren, um Entscheidungen in komplexen Systemen unter Zugrundelegung menschlichen Rationalverhaltens transparent zu machen und zu optimieren.
Die Schülerinnen und Schüler erarbeiten sich ein Grundverständnis der wissenschaftlichen Spieltheorie und wenden dieses dann sowohl auf theoretische wie auch auf reale politische Konfliktsituationen an.
Das Lernkonzept ist hybrid angelegt, kann also wahlweise im Präsenz- oder Fernunterricht verwendet werden. Die Schülerinnen und Schüler arbeiten eigenverantwortlich, kollaborativ und digital, sei es auf digitalen Pinnwänden, in gemeinsamen Netz-Verzeichnissen oder in Videokonferenzen.
Didaktisch-methodischer Kommentar
Das Thema "Spieltheorie" im Unterricht
Für spieltheoretische Arbeiten wurde bisher acht Mal der Wirtschaftsnobelpreis vergeben. Das wesentliche Ziel der mathematischen beziehungsweise wissenschaftlichen Spieltheorie ist es, für Konflikt-, aber auch für Kooperationssituationen rationale Entscheidungen zu bestimmen und zu optimieren.
Die Schwierigkeit dabei ist, dass keiner der Handelnden weiß, welche Pläne die anderen 'Spieler' verfolgen und wie sie sich dementsprechend entscheiden werden. Dadurch ist es für einen einzelnen Spieler ungewiss, wie sich seine konkrete Entscheidung für einen bestimmten Handlungsplan ('Strategie') auswirken wird. Er kann aber die Situation aus der Sicht der anderen Spieler durchdenken, um eine Erwartung zu bilden, was diese tun werden.
Die Spieltheorie erlaubt es somit, soziale Konfliktsituationen abzubilden und unter der Annahme von Wahrscheinlichkeiten mathematisch zu lösen.
Die Spieltheorie wird damit zu einer universellen menschlichen Entscheidungstheorie, die aus der Welt der Wirtschaft und Politik nicht mehr wegzudenken ist und natürlich auch auf militärische Konflikte übertragbar ist.
Die Spieltheorie ist kein Allheilmittel. Ihre Entscheidungen und Prognosen können logischerweise nur so gut sein wie die zugrundeliegenden Informationen. Aber sie kann den Schülerinnen und Schülern in allen möglichen Lebenslagen als Analyse- und Strukturierungshilfe für komplexe menschliche Entscheidungssituationen dienen.
Zielsetzung der Unterrichtseinheit ist damit, die Lernenden zu solchen spieltheoretischen Analysen und Schlussfolgerungen zu befähigen. Nebeneffekt kann eine Meinungsbildung der Schülerinnen und Schüler zu aktuellen militärischen Konflikten sein.
Vorkenntnisse
Digitale Grundkenntnisse von Lernenden und Lehrkräften sind hilfreich, aber nicht unbedingt erforderlich, da das Posten auf einem Padlet oder die Teilnahme an einer Videokonferenz keine besonderen EDV-Kenntnisse erfordern.
Didaktische Analyse
Der russische Angriff auf die Ukraine hat uns Ängste und Überlegungen zurückgebracht, die wir in Deutschland seit Jahrzehnten nicht mehr gekannt haben. Unser Glaube an die 'Friedensinsel Europa' und die rationale Beilegung aller Konflikte durch Verhandlungen zerschellte an der Realität. Gleichzeitig werden wir mit einer Unmenge widersprüchlicher Nachrichten vom Kriegsgeschehen überflutet. Informationen aus Kriegsgebieten sind zwangsläufig lückenhaft und auf die Schnelle nicht überprüfbar. Zudem ringen alle Kriegsparteien stets um die Deutungshoheit über die Geschehnisse. Informationen sind vielfach bewusst propagandistisch verzerrt oder verfälscht.
In solchen Situationen ist es immer hilfreich, sich auf die Grundstrukturen der Auseinandersetzung, auf die Interessenslagen der Beteiligten und deren Rahmenbedingungen zu besinnen. Die wissenschaftliche Spieltheorie hilft dabei, diese Basics und Strukturen sowie die Motive und Ziele der Beteiligten herauszuarbeiten. Sie bietet den Schülerinnen und Schülern einen Leitfaden, um komplexe menschliche Entscheidungssituationen zu entschlüsseln und zu entscheiden.
Erst durch die Entschlüsselung von Wirkungszusammenhängen und Interessenslagen kann man dann auch zu begründeten Werthaltungen und Meinungen kommen.
Sinnvollerweise sollte die spieltheoretische Konfliktanalyse noch durch die Glaubwürdigkeitsanalyse der vorfindbaren Informationen und Netzinhalte ergänzt werden.
Methodische Analyse
Schwer überschaubare und höchst komplexe Konfliktsituationen wie kriegerische Auseinandersetzungen können nur rational bewertet werden, wenn sie auf ihre Grundstrukturen und Interessenslagen komprimiert werden. Die wissenschaftliche Spieltheorie gibt den Schülerinnen und Schülern hierzu eine bewährte und praktikable Handreichung, die bei Kriegen, im Wirtschaftsleben, in der Tagespolitik, aber auch bei normalen zwischenmenschlichen Konflikten verwendet werden kann.
Spieltheoretisches strategisches Denken kann sich zwar an Merksätzen und historischen Lehren ausrichten, aber nur im realen Handeln, in spielerischen Simulationen oder Fallstudien erlernt werden. Deswegen beinhalten die meisten Lernsequenzen dieser Unterrichtseinheit auch das eigenverantwortliche Analysieren und Beurteilen von wirtschaftlichen oder militärischen Konfliktsituationen in Paar- oder Teamarbeit. In allen Lernrunden müssen die Schülerinnen und Schüler die Lösungen selbst erarbeiten, um sie dann der Klassengemeinschaft zu präsentieren und im Plenum zur Diskussion zu stellen.
Die Unterrichtseinheit kombiniert bereits Online- und Präsenzelemente, bietet aber durch das hybride Lernarrangement jederzeit die Möglichkeit, von Offline- zu Online-Unterricht zu wechseln.