Energiesteuern: Merkel geht auf die Industrie zu
Nach Protesten der energieintensiven Industrien wird die Bundesregierung die Pläne zur Kürzung von Energiesteuerprivilegien überdenken. Ausschlaggebend hierfür ist die Androhung von großen Arbeitsplatzverlusten durch die betroffenen Branchenverbände. Ursprüngliches Ziel der Steuerentlastungen war die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen im internationalen Wettbewerb.
Inhaltliche Einordnung
Ziel
Wie in den vorangegangenen Beiträgen zeigen sich auch hier Konfliktlinien zwischen umwelt-, energie- und wirtschaftspolitischen Zielsetzungen, die die Lernenden erarbeiten.
Unterrichtliche Platzierung
Platz finden kann der Beitrag in den Themenbereichen "Preisbildung" und "Energie und Makroökonomie".
Energiesteuern: Merkel geht auf die Industrie zu. Handelsblatt, 29.09.2010
Die Kanzlerin will Pläne zur Kürzung von Energiesteuerprivilegien überdenken. BDI warnt vor dem Verlust von 870.000 Jobs.
Bundeskanzlerin Angela Merkel beugt sich dem Druck der energieintensiven Unternehmen. Man werde über die geplanten Streichungen von Energiesteuer-Privilegien noch einmal sprechen, sagte die Kanzlerin auf dem vom BDI veranstalteten "Tag der Deutschen Industrie". "Es ist nicht unser Ansinnen, die guten Arbeitsmarktzahlen zu verschlechtern, indem wir an dieser Stelle etwas tun, was Arbeitsplätze kostet", sagte sie. Merkel ließ allerdings noch offen, auf welchem Wege sie der Industrie entgegenkommen will.
Zuvor hatte BDI-Präsident Hans-Peter Keitel gewarnt, die geplanten Streichungen könnten zum Abbau von bis zu 870.000 Jobs führen. Manche Unternehmen müssten mit einer Versiebenfachung ihrer Energiesteuerlast rechnen. Dies könne den kompletten Gewinn eines Unternehmens aufzehren. Die Streichung der Energiesteuervergünstigungen ist Teil des Sparpakets der Bundesregierung. Anfang Juni hatte die Regierung eine Liste mit Sparvorschlägen vorgestellt. Dort steht die "Abschaffung von Mitnahmeeffekten bei Energiesteuervergünstigungen" an erster Stelle. Ab 2011 soll dadurch jährlich eine Milliarden Euro eingespart werden, ab 2012 sollen es dann 1,5 Milliarden Euro sein.
Zwar wird auch von der Industrie nicht bestritten, dass es Mitnahmeeffekte gibt. Sie belaufen sich aber nach Angaben des Bundesrechnungshofs auf höchstens 500 Millionen Euro jährlich. Eine Mrd. Euro muss also zusätzlich eingespart werden. Nach den bisherigen Plänen der Regierung soll der Sockelbetrag, ab dem Energiesteuervergünstigungen greifen, von 512 Euro auf 2.500 Euro erhöht werden. Außerdem soll der Spitzensteuerausgleich für besonders energieintensive Unternehmen stark sinken. Von den Energiesteuerprivilegien profitieren Unternehmen des produzierenden Gewerbes, die mit hohem Energieeinsatz arbeiten, etwa aus den Branchen Aluminium, Zement, Papier und Chemie. Um die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen nicht zu gefährden, hatte die damalige rot-grüne Bundesregierung dem produzierenden Gewerbe 1999 mit der ökologischen Steuerreform Privilegien bei den damals eingeführten Energiesteuern eingeräumt.
Während die Bundesregierung der Wirtschaft bei den Energiesteuerprivilegien entgegenkommt, drohen an anderer Stelle zusätzliche Kosten: Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) sagte bei der Präsentation des Energiekonzepts der Bundesregierung, höhere Netzentgelte für den Stromtransport seien eine "naheliegende Option", um den dringend erforderlichen Netzausbau zu beschleunigen. Die Netzentgelte machen rund 30 Prozent des Endkundenpreises beim Strom aus. Die Industrie zahlt Milliardenbeträge für die Netznutzung. Die Übertragungsnetzbetreiber klagen allerdings seit langem, durch die Regulierung der Netze seien die Renditen auf ein Niveau gesenkt worden, das Investitionen uninteressant mache.
Quelle: Riedel, D./ Stratmann, K., Handelsblatt, Nr. 188, 29.09.2010, 4
Anregungen für Arbeitsaufträge
Die folgenden Arbeitsaufträge können als Anregungen für die unterrichtliche Weiterarbeit genutzt werden.
- Ermitteln Sie den Steueranteil am Strompreis in Deutschland, den viele Unternehmen und die privaten Haushalte zu zahlen haben.
- Fassen Sie die bislang gültigen Regelungen für energieintensive Branchen zusammen. Ermitteln Sie die wesentlichen Ziele, die mit den entsprechenden staatlichen Vergünstigungen verfolgt wurden.
- Legen Sie die jüngsten Pläne der Bundesregierung zur Reduzierung der Steuervergünstigungen dar. Verdeutlichen Sie, inwieweit eine Veränderung der Zielperspektiven erfolgt und beschreiben Sie den aktuellen Status der Diskussion.
- Geben Sie die Position sowie die wesentlichen Argumente der Vertreter der energieintensiven Branchen wieder. Erläutern Sie die aus ihrer Sicht drohenden makroökonomischen Wirkungen einer Kürzung der Steuerentlastungen.
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