Klimawandel: CO2-Ausstoß bei Automobilen
Die verschiedenen Postitionen und Interessen beim Klimaschutz verdeutlicht die Debatte um die Reduzierung der CO2-Emissionen in der Autoindustrie.
Debatte um CO2-Werte bei Neuwagen
Zwar haben die allermeisten Regierungen der Welt bestürzt auf den IPCC-Bericht reagiert und 46 Staaten haben die Bildung einer neuen UNO-Umweltorganisation gefordert. Doch die größten Treibhausgas-Verursacher der Welt, die USA, China, Russland und Indien, wollen dabei nicht mitmachen. Auch die deutsche Bundesregierung, die sich selbst als Vorreiter beim Klimaschutz sieht, geriet kurz nach der Vorstellung des jüngsten Klimaberichts unter Druck: Die EU-Kommission wollte die Automobil-Branche nämlich gesetzlich dazu verpflichten, den CO2-Ausstoß von Neuwagen ab dem Jahr 2012 im Schnitt auf 120 Gramm pro Kilometer zu reduzieren. Damit dürften sie künftig nur noch gut 5 Liter Benzin oder 4,6 Liter Diesel je 100 Kilometer verbrauchen. Bemerkenswert ist dabei, dass die Autoindustrie diesen CO2-Grenzwert selbst in einer freiwilligen Selbstverpflichtung aus dem Jahre 1998 genannt hat, ihn aber bisher nicht annähernd erfüllen kann. Nach Angaben der EU-Kommission liege der CO2-Ausstoß derzeit bei rund 160 Gramm pro Kilometer.
Solidarität mit der Autoindustrie
Doch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die von 1994 bis 1998 Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit war, wehrte sich gegen pauschale Auflagen zur Schadstoffminderung für Autos. Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) warnte vor dem Verlust zehntausender Arbeitsplätze in der Automobilindustrie, sollten die Pläne der EU-Kommission umgesetzt werden. "Die Pläne, die der griechische EU-Kommissar Dimas und Umweltminister Gabriel gegen die deutsche Automobilindustrie verfolgen, müssen dringend gestoppt werden. Es geht um Zehntausende von Arbeitsplätzen", sagte Glos.
Automobilhersteller machen mobil
Auch die Chefs der fünf großen deutschen Autobauer befürchteten einen drastischen Verlust von Arbeitsplätzen. Es drohten angeblich "schwerste Verwerfungen in der Automobil- und Zulieferindustrie", heißt es in einem Brief von Norbert Reithofer (BMW), Bernhard Mattes (Ford), Hans Demant (Opel), Martin Winterkorn (VW) und Dieter Zetsche (DaimlerChrysler) an die EU-Kommission. Der Verband der Automobilindustrie (VDA) unterstrich zwar seine Bereitschaft zu einer europäischen CO2-Regelung für den Klimaschutz, man erwarte allerdings, dass eine europäische Einheitsobergrenze für CO2, die auf unterschiedliche Fahrzeugklassen keine Rücksicht nehme, vermieden werden könne.
Kritiker: Kommission knickt ein
Die EU-Kommission hat ihr Strategiepapier schließlich am 7. Februar 2007 verabschiedet und gab darin, so meinen Kritiker, dem Druck der Automobilkonzerne nach: Nun ist vorgesehen, dass der CO2-Ausstoß von Neuwagen bis zum Jahr 2012 auf durchschnittlich 130 Gramm pro Kilometer sinken soll - auf die gesamte Fahrzeugflotte aller Hersteller gerechnet. Eine Reduzierung um weitere zehn Gramm soll durch die Anrechnung von Biosprit und anderen Faktoren erreicht werden: Vor allem umweltfreundliche Klimaanlagen, Kontrollsysteme für optimierten Reifendruck oder benzinsparendes Schalten. EU-Industriekommissar Günter Verheugen (SPD) stellte ein grenzübergreifendes, gestaffeltes Vorgehen nach den jeweiligen Wagenklassen in Aussicht. In Deutschland habe vor allem der Eindruck für Unruhe gesorgt, es solle einheitliche Reduktionsziele für alle Fahrzeuge geben, aber "diese Absicht hatten wir nie". Es müsse nun ein Weg gefunden werden, "der die Verlagerung von Produktion in andere Regionen der Welt verhindert".
Protest von Umweltschützern
Umweltverbände protestierten ebenfalls gegen die Pläne: "Deutschland und Europa werden bei ihren Klimaschutzbemühungen unglaubwürdig", kritisierte Hermann-Josef Vogt vom Bundesvorstand des Verkehrsclub Deutschland (VCD) den Kompromiss der EU-Kommission zur Reduzierung von Treibhausgasen im Straßenverkehr. Mit ihrer jetzigen Politik werde die Bundesregierung in den Augen der europäischen Partner zunehmend zum "Lakaien" der Autoindustrie. "Wir fordern Frau Merkel auf, endlich klimapolitische Vernunft walten zu lassen und mit strengen Vorgaben die Treibhausgase im Verkehr zu senken", so Vogt in einer Pressemeldung. Der Greenpeace-Verkehrsexperte Wolfgang Lohbeck ist der Meinung, Bundeskanzlerin Merkel, EU-Industriekommissar Verheugen und die deutschen Automobilkonzerne hätten Deutschland schweren Schaden zugefügt: "Deutschland entwickelt sich zum größten Bremsklotz für den Klimaschutz."
Zustimmungen von EU-Regierungen nötig
Die EU-Kommission will ihren Vorschlag bis spätestens zum Jahr 2008 in eine Gesetzesvorlage umarbeiten. Doch bevor dieses Gesetz in Kraft treten kann, müssen ihm auch die EU-Regierungen und vor allem das EU-Parlament zustimmen. Daniel Cohn-Bendit, der Fraktionsvorsitzende der Grünen im Europaparlament, kritisierte den Kompromiss scharf. Die Kommission sei auf Druck der deutschen EU-Ratspräsidentschaft der Autoindustrie entgegen gekommen, sagte er im "Saarländischen Rundfunk". Er kündigte Änderungsanträge aus dem EU-Parlament an. "Ich kann der Autoindustrie nur raten, sich jetzt schon darauf einzustellen, dass eine Mehrheit im Parlament eine schärfere Gesetzgebung beschließen wird, als die Kommission es im Moment will", sagte der Grünen-Politiker. Die Kommission brauche eine Mehrheit im Parlament - und da könne es ganz klare Änderungsanträge geben.
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- Ergebnisse des EU-Gipfels 2007
Im März 2007 fand der EU-Gipfel statt. Unter der deutschen Ratspräsidentschaft wurden einige Ziele zum Klimaschutz vereinbart.