Gründe für die Stellung des deutschen Bundespräsidenten

Gerade im Vergleich zu den Staatsoberhäuptern anderer Länder fällt auf, dass der deutsche Bundespräsident hauptsächlich repräsentative Funktionen und Kontrollaufgaben hat. Das Profil des Amtes ist historisch begründet.

Die Präsidentschaft im internationalen Vergleich

Der französische Staatspräsident

In Frankreich ist der Staatspräsident der erste und zugleich auch der mächtigste Mann im Staat. Alle fünf Jahre wählen die Franzosen ihn direkt. Er bestimmt die Richtlinien der Politik und repräsentiert den Staat nach innen und außen. Die zweite Geige spielt hier der Premierminister. Der Präsident ernennt ihn, und er muss die Politik seines Chefs umsetzen - natürlich in Abstimmung mit dem Parlament.

Der US-Präsident

In den USA wählen die Bürger den Präsidenten indirekt, indem sie die Vertreter des Wahlmännerkollegiums bestimmen. Der US-Präsident ist gleichzeitig Regierungschef und Staatsoberhaupt, bestimmt also die Politik und repräsentiert sein Land. Er selbst steht dem Kabinett vor. Die zwei Kammern des Parlaments (der Senat und das Abgeordnetenhaus) kontrollieren die Politik des Präsidenten. In den meisten Bereichen der politischen Weichenstellung ist der Präsident aber relativ unabhängig, wenn er eine stabile Mehrheit im Abgeordnetenhaus hinter sich hat.

Historische Gründe

Starke Stellung des Reichspräsidenten in der Weimarer Republik

Die Gründe für die Beschränkung der politischen Macht des Bundespräsidenten liegen in der deutschen Geschichte. In der Weimarer Republik (1918-1933) hatte der Reichspräsident eine sehr starke Position: Das Volk wählte ihn direkt und seine Amtszeit dauerte stolze sieben Jahre. Die Väter der Weimarer Verfassung hatten ihm eine ähnliche Machtfülle gegeben wie sie vorher der Kaiser besaß: Der Reichspräsident setzte den Reichskanzler ein, er konnte das Parlament auflösen, er besaß den Oberbefehl über die Wehrmacht und konnte in Krisensituationen durch so genannte Notverordnungen allein regieren. In der schwierigen politischen Situation der Weimarer Republik - es herrschte eine schwere Wirtschaftskrise, der Reichstag war wegen der Zersplitterung in viele kleine Parteien nicht handlungsfähig - wurde der Reichspräsident Paul Hindenburg schließlich zum Wegbereiter Hitlers.

Gewaltenverschränkung nach 1949

Nach dieser Erfahrung war es 1949 bei der Gründung der Bundesrepublik wichtig, die Staatsmacht auf möglichst viele Schultern zu verteilen und ein System der so genannten Gewaltenverschränkung einzurichten: Die verschiedenen Gewalten im Staat sollten sich gegenseitig kontrollieren, um einen Missbrauch von Macht zu verhindern. In keinem Falle sollte der Bundespräsident wieder eine so starke Rolle spielen können wie der Reichspräsident. Aus diesen Überlegungen entstand auch der Gedanke, das Staatsoberhaupt nicht direkt vom Volk wählen zu lassen, sondern durch ein Gremium, das die verschiedenen Ebenen des Staates repräsentiert: Die Bundesebene und die Länder. Dadurch sollte die überparteiliche Position des Präsidenten betont werden. Zugleich fehlte ihm dadurch der Einfluss, den ein direkt gewählter Volksvertreter hat.

Anregungen für Arbeitsaufträge

Die folgenden Arbeitsaufträge können als Anregungen für die unterrichtliche Weiterarbeit genutzt werden.

  • Recherchiert weitere Informationen über den französischen Staatspräsident und den US-Präsident. Wie unterscheiden sich diese Ämter von unserem Bundespräsidenten?
  • Beschreibt mit eigenen Worten, warum nach dem Zweiten Weltkrieg das System der Gewaltenverschränkung in der Bundesrepublik Deutschland eingeführt wurde.

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Michael Bornkessel

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