Das Anwerbe-Abkommen zwischen der Türkei und der Bundesrepublik im Herbst 1961 bildete die Grundlage für eine organisierte "beschäftigungsgebundene" Auswanderungspolitik auf Zeit, für die der Auswanderungswillige gewissermaßen in die "nationale Pflicht" genommen wurde. Mit dem Abkommen sollte erreicht werden, dass die Arbeitsplätze in der expandierenden Wirtschaft besetzt würden und zwar durch Arbeiter, die möglichst wenig Ansprüche stellten. Längst nicht alle Bewerber litten in der Türkei unter Armut. Vielmehr wollten viele von ihnen sich finanziell verbessern; bei vielen Frauen spielte auch der Wunsch sich zu emanzipieren eine Rolle.
Dass ihre Erwartungen oft enttäuscht wurden, ist darauf zurückzuführen, dass die offiziellen Informationen über die Arbeitssituation in Deutschland ungenügend waren. Aber auch die auf Besuch weilenden "Gastarbeiter" beschönigten die Arbeits- und Lebensbedingungen, um ihr Weggehen zu rechtfertigen. Dies weckte bei vielen in der Türkei Verbliebenen das Verlangen, ebenfalls zu emigrieren. Die Illusionen über berufliche und materielle Chancen in der Bundesrepublik erhöhten den Druck auf diejenigen, die bereits dort arbeiteten.