Harpastum est globosum – Fußball-Latein international

Unterrichtseinheit

"König Fußball regiert die Welt" – so heißt es in einem Lied, das die deutsche Fußball-Nationalmannschaft einst in den Siebzigern sang. Nach wie vor hat diese Sportart nichts von ihrer Attraktivität eingebüßt und erfreut sich weltweit – als football, soccer, fout etc. – großen Zuspruchs. In dieser Unterrichtseinheit gehen die Schülerinnen und Schüler auf Spurensuche zum Thema Fußball und erkunden, woher die Idee zur beliebten Ballsportart stammt und ob es bereits einen Vorläufer in der Antike gab. Didaktische Alternativen öffnen das Thema für fächerübergreifendes Arbeiten.

  • Latein
  • Sekundarstufe I, Sekundarstufe II
  • je nach Schwerpunkt mindestens 6 Unterrichtsstunden bis zum mehrwöchigen Projekt
  • Ablaufplan, Arbeitsblatt
  • 10 Arbeitsmaterialien

Beschreibung der Unterrichtseinheit

Internationale Großereignisse wie WM, EM oder Olympische Spiele sind ideale Gelegenheiten, die spannende Spurensuche nach den antiken Ursprüngen des Fußballs auch im Latein-Unterricht zu thematisieren. Zudem bieten sportlich orientierte Lektionstexte (zum Beispiel Gladiatorenkämpfe, Circusspiele) interessante Anknüpfungspunkte für fächerübergreifende multilinguale Unterrichtssequenzen und Projekte.

Bereits in der Antike waren Ballspiele bekannt. Sie erfreuten sich nach dem Zeugnis literarischer Quellen großer Beliebtheit. Den Archäologen ist es jedoch aufgrund der minimalen antiken Regelangaben nur in einigen Fällen möglich, diese Spiele zu benennen und zu rekonstruieren.

Die ältesten Überlieferungen  von Formen fußballartiger Spiele, die eher Geschicklichkeitswettbewerben oder Kampfspielen beziehungsweise Ringkämpfen mit dem Ball ähnelten, stammen aus China, den Hochkulturen Mittelamerikas (Olmeken und Azteken) und aus Japan.

Auf europäischen Fußballspuren

Wie die außereuropäischen Ballspiele, so zeigen auch die griechisch-römischen Fußballvarianten nur geringe Ähnlichkeit mit dem modernen Fußballspiel. Die Griechen kannten antiken Quellen zufolge vor allem folgende Mannschafts- und Ballspiele:

  • Sphairomachia

Platon umschreibt diese Ballsportart, die vor allem in Sparta sehr populär war, als vormilitärische Übung. Spielfeld war die Rennbahn, auf der die Akteure zur Begeisterung des Publikums um den Ballbesitz kämpften und sich auch prügelten. Der Sieger wurde mit dem Ehrentitel "sphaireis" ausgezeichnet.

  • Episkyros (Phaininda)

Etwa 2000 v. Chr. entwickelten die Griechen ein weiteres Ballspiel, das Episkyros oder Phaininda genannt wurde. Es wurde hauptsächlich von Männern gespielt. Das Spielfeld, auf dem mit Gips ("skyros") eine Mittellinie gezogen wurde, weist bereits Übereinstimmungen mit dem heutigen Fußballfeld auf.

Römischer Fußball?

Wahrscheinlich ausgehend vom griechischen Phaininda entwickelten und betrieben die Römer etwa 200 v. Chr. ein als "Harpastum" ("Raffballspiel", "Spiel mit dem kleinen Ball") bekanntes Ballspiel, das 700 bis 800 Jahre lang populär war. Es war ein rohes, aber durchaus anspruchsvolles Spiel, bei dem Schnelligkeit, Technik und Intelligenz von Bedeutung waren.

  • Die Römer benutzten ein rechteckiges Spielfeld,  das durch Grundlinien begrenzt und eine Mittellinie halbiert war. Es war etwas kleiner als ein heutiges Fußballfeld. Unterlage waren Gras oder Sand/Asche.
  • Gespielt wurde mit einem kleinen, harten Ball von etwa 8 Inch Durchmesser, der aus Leder beziehungsweise Tierfell hergestellt und mit Schwämmen ausgestopft war.
  • Beim Harpastum kämpften zwei Mannschaften mit jeweils fünf bis zwölf Spielern um den Sieg. Einige antike Berichte deuten gar Hunderte von Spielern auf beiden Seiten an.

Das römische Harpastum wurde von Julius Caesar und seinen Generälen als eine Art Militärtraining zur Verbesserung der körperlichen Fitness und Kampfbereitschaft der römischen Armee genutzt. Im Zuge der römischen Expansion verbreitete sich die Sportart mit den römischen Legionären in Europa und erreichte auch die Britischen Inseln.  

Nachfolger des Römerspiels

Nach dem Untergang des Römischen Reiches existierte die römische Ballsportart in einigen Gegenden weiter beziehungsweise wurde durch Einfluss neuer Spielideen weiterentwickelt. Die Ballspiele, die sich in England (folk football), Italien  ("Calcio" – "Fußtritt"), Frankreich ("Soule"/"Choule") und Deutschland herausbildeten, gehen möglicherweise auf das Harpastum der Römer zurück.

Fußball in der Neuzeit

Im 19. Jahrhundert entwickelten sich aus den Vorläufern der Antike und des Mittelalters allmählich zwei verschiedene Sportarten heraus: Fußball und Rugby. 1883 kam es zu der uns als WM-System geläufigen Fußball-Aufstellung: ein Torwart, zwei Verteidiger, drei Läufer und fünf Stürmer. 1904  wurde der internationale Fußballverband, die FIFA, bereits vier Jahre zuvor der Deutsche Fußballband (DFB) gegründet. Seit 1908 sind Fußballturniere Bestandteil der Olympischen Sommerspiele. Die erste Fußball-Weltmeisterschaft wurde im Jahr 1930 ausgetragen.

Unterrichtsablauf

Inhalt
Sozial- / Aktionsform

Didaktisch-methodischer Kommentar

Mag auch auf den ersten Blick das Thema Fußball nicht so recht zu den traditionell mit dem Fach Latein verbundenen Lerninhalten passen, so bietet gerade die scheinbare Diskrepanz einen reizvollen Ansatzpunkt für eine zeitgemäße motivierende Unterrichtseinheit im Kontext der Lehrbucharbeit der Spracherlernungsphase oder während der Lektüre. Die neueren Lateinlehrwerke eröffnen hierzu vielfältige Anknüpfungsmöglichkeiten. Ausgehend von sportlich orientierten Lesestücken (zum Beispiel zu den Thermen, Gladiatorenkämpfen, Circusspielen), dazu passenden Abbildungen und Informationstexten tragen einzelne, variabel einsetz- und  an die jeweilige Lerngruppe adaptierbare Unterrichtsbausteine zu einer bei Schülerinnen und Schülern aller Altersstufen sehr beliebten Aktualisierung der Sportthematik bei.

Didaktische Alternativen

Dem Einsatz diverser Medien, Übungs- und Sozialformen stehen bei der praktischen Umsetzung einer Unterrichtseinheit oder eines Projekts mit sportlicher Schwerpunktsetzung im Latein-Unterricht alle Variationen offen. Überaus empfehlenswert ist zudem mit Blick auf den internationalen, völkerverbinden Charakter des Sports die Integration multilingualer Elemente.

  • Fußball-Glossar in lateinischem Gewand

Ein sehr motivierender Einstieg in eine lateinische "Fußball-Stunde" kann das Sammeln von deutschen Fachbegriffen aus der Fußballwelt sein, die es in die lateinische Sprache zu übertragen gilt. Wörter wie "Verteidiger" (defensor) oder "Tor" (porta) stellen dabei zum Beispiel keinerlei Schwierigkeit dar, da sie von den Lernenden aufgrund des klassischen Lehrbuchvokabulars abgeleitet werden können. Schwierigere Fachausdrücke wie "Abseits" bieten Raum für kreative Wortschöpfungen seitens der Lernenden.

  • Multilingulaes Fußball-Latein

Ausgehend von einem multilingualen Glossar wichtiger Fußball-Fachbegriffe kann die sprachverbindende Rolle der "Mutter Latein" eindrucksvoll unter Beweis gestellt werden.   

  •  "Römer-Fußball" in historischen Quellen

Das römische Harpastum-Spiel beziehungsweise dessen griechischen Vorbilder sind bei antiken Autoren mehrfach bezeugt. Martial-Epigramme bieten sich zum Beispiel als Original-Lektüre, die längere Abhandlung des Gladiatoren-Arztes Galenus über "Die Übung mit dem kleinen Ball" und ein Athenaios-Text hingegen auch für Übersetzungslektüre an. Die Lernenden gewinnen hierbei wertvolle Informationen zum historischen Kontext des Fußballspiels und rekonstruieren im Sinne experimenteller Archäologie aus Puzzlestückchen antike Ballspielregeln.

  • Internet-Fußball-Rallye

Ein tabellarischer Vergleich des römischen Harpastum, des modernen Fußballs und des Rugbys  unter Internet-Einsatz ist zur Vertiefung und Aktualisierung der Thematik sehr empfehlenswert.

  • Fußball und Musik

Musik als völkerverbindendes Element zeigt sich im sportlichen Bereich vor allem in den Nationalhymnen der gegnerischen Mannschaften. Ein reizvoller multilingualer Textvergleich der Hymnen ausgewählter Fußballnationen hält idealerweise in Kooperation mit dem Musik-Unterricht auch die Integration textpragmatischer und metaphorischer Interpretationsschwerpunkte bereit.

  • Fußballquiz

Eine deutsches oder alternativ für Fortgeschrittene ein lateinisches  Quiz ist als Appetithäppchen zum Stundeneinstieg oder als zusammenfassende Lernkontrolle am Ende der Fußball-Einheit denkbar.

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Vermittelte Kompetenzen

Fachkompetenz

Die Schülerinnen und Schüler

  • erweitern ihren Wortschatz durch eigene lateinische und multilinguale Wortschöpfungen zu Fußball-Begriffen beziehungsweise durch Einsatz von Online-Wörterbüchern.
  • lernen die Vorgeschichte und die antiken Vorläufer des modernen Fußballs kennen, insbesondere das Harpastum-Spiel.

Medienkompetenz

Die Schülerinnen und Schüler

  • führen eine Internet-Rallye beim Vergleich des römischen Harpastum, des modernen Fußballs und des Rugbys durch.
  • lernen durch Internet-Recherche Nationalhymnen in romanischen Sprachen kennen und entdecken die Verwandtschaft zur "Mutter Latein".

Sozialkompetenz

Die Schülerinnen und Schüler

  • erleben den völkerverbindenden Charakter des Sports in der Geschichte beziehungsweise in der Moderne am Beispiel des Fußballs oder fußballähnlicher Spiele.
  • entdecken den sozialen Charakter des Harpastum und ähnlicher Spiele in einem multilingualen Sportprojekt.
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Autorin

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Christine Groß

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