Maria Montessori und ihre "Pädagogik vom Kinde aus"
Der Fachartikel gibt anlässlich des 150. Geburtstags von Maria Montessori einen Überblick über die Grundgedanken der Montessori-Pädagogik, die sowohl für reformpädagogische als auch für Regelschulen wertvolle Anregungen zur Gestaltung des Bildungs- und Unterrichtsalltags bereithält.
Maria Montessori wurde 1870 in Italien geboren und wirkte dort als Ärztin, Pädagogin und Philosophin. Ihre Pädagogik vom Kinde aus ist ein weltweit verbreitetes und international anerkanntes Bildungskonzept, das die Zeitspanne vom Kleinkind bis hin zum jungen Erwachsenenalter umfasst und bis heute nicht an Aktualität verloren hat. Neben anthropologischen und erziehungstheoretischen Überlegungen umfassen Montessoris Schriften ein breites Spektrum an didaktischen Methoden und fachspezifischen Materialien, die handlungsorientierte, schüleraktive und eigenverantwortliche Lernformen ermöglichen.
Montessorische Grundgedanken
Erziehungs- und bildungsgeschichtlich ist die Montessori-Pädagogik in die reformpädagogische Bewegung des frühen 20. Jahrhunderts einzuordnen, deren Erziehungsansätze sich allesamt durch ihre Kritik an der direktiven Erziehungs- und Schulpraxis der damaligen Zeit und ihre entschiedene Parteinahme für die Bedürfnisse des jungen Menschen auszeichnen.
Maria Montessori beobachtete der gängigen Unterrichtspraxis zum Trotz, dass Kinder zu intensiver Konzentration imstande sind, wenn sie sich mit phasengemäßen Gegenständen ihrer Wahl beliebig lange beschäftigen dürfen; sie bezeichnete dieses Phänomen als Polarisation der Aufmerksamkeit und stellte vielseitige positive Auswirkungen auf das Lern- und Sozialverhalten des Kindes heraus. Auf der Grundlage ihrer Beobachtungen erarbeitete sie sodann pädagogisch-didaktische Strukturen, die die Polarisation der Aufmerksamkeit gezielt fördern und dem Heranwachsenden Raum zur freien Entfaltung seiner Persönlichkeit eröffnen sollten. Das Prinzip der freien Wahl stellte für Montessori dabei eine besonders wesentliche Voraussetzung dar. Sie schrieb: "Die freie Wahl war das erste der Vorrechte in meinem Erziehungskonzept. (...) Wenn man sie [die Kinder] von Interventionen und Beschränkungen befreit, die ihnen von Älteren voll guter Absicht auferlegt werden, so zeigen sie statt der Anarchie, die man erwarten würde, ein Benehmen, das dem zu entsprechen erscheint, was man wirklich als ein göttliches Gesetz bezeichnen könnte" (Montessori 1985a: 35).
Montessorische Bildungspraxis
Als pädagogisch-didaktische Antwort auf ihre anthropologischen Überlegungen entwickelte Maria Montessori das Konzept der Vorbereiteten Umgebung, denn "für eine Pädagogik, in deren Mittelpunkt das selbstbestimmte Lernen (...) steht, ist eine strukturierte und mit entsprechendem Material ausgestattete Umgebung unverzichtbar" (Grindel 2007: 15). Das Ziel der Vorbereiteten Umgebung besteht darin, den Lernenden optimale Bedingungen für die Befriedigung ihrer Entwicklungsbedürfnisse zu schaffen. Montessori schrieb: "Wenn wir von Umgebung sprechen, so verstehen wir darunter die Gesamtheit all der Dinge, die das Kind frei in ihr auswählen und so lange benutzen kann, wie es will" (Montessori 2001: 79). Um die eigenaktive Entfaltung der Persönlichkeit zu ermöglichen, erfahren die Lernenden innerhalb der Vorbereiteten Umgebung also...