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Verlust einer Dimension – die Zentralperspektive

Unterrichtseinheit

Das Computeralgebrasystem MuPAD dient im Rahmen einer fächerübergreifenden Projektarbeit als Werkzeug zur Gewinnung von Einsichten in die mathematischen Grundlagen der Zentralperspektive. Zudem stehen auch ideengeschichtliche Aspekte im Vordergrund.Querverbindungen zwischen Wissenschaft und Kunst aufzuzeigen, ist in Lehrplänen ein oft genanntes Bildungsziel, das jedoch selten konkretisiert wird. Doch so befruchtend in der Geschichte der Disziplinen Kunst und Mathematik Berührungen und Begegnungen waren, so anregend können sie für den Unterricht sein. Sagt man von der Philosophie, sie sei "ihre Zeit in Gedanken gefasst" (Georg Wilhelm Friedrich Hegel), so kann man von der Kunst sagen, sie sei ihre Zeit in Bildern ausgedrückt. Die Beschäftigung mit der Zentralperspektive, insbesondere mit einer Betrachtung im kunsthistorischen Längsschnitt, gibt Zugriff auf Querverbindungen zwischen Mathematik, Kunst und Philosophie und legt offen, dass epochale Veränderungen nie Sache einer Wissenschaft oder der Gesellschaft allein waren, sondern als Strömung stattfanden, die alle Bereiche von Kultur und Zivilisation umfasste.Von Leonardo da Vincis Äußerung "Die erste Absicht des Malers ist, zu machen, dass eine ebene Fläche sich als ein erhabener [ ... ] Körper darstelle" bis zu Magrittes "Ich benutze die Malerei um das Denken sichtbar zu machen" erfolgt ein Paradigmenwechsel von der Nutzung der Möglichkeiten der Zentralperspektive zum Aufbau einer Illusion der Realität bis zur Nutzung ihrer Defizite zur Zerstörung dieser Illusion und des Aufbaus eines anderen Verständnisses von Realität. Der Unterricht sollte beim Thema Zentralperspektive die Gelegenheit nutzen, ideengeschichtliche Querverbindungen aufzuzeigen. Dieses Anliegen steht in den Materialien dieser Unterrichtseinheit im Vordergrund. Die Unterrichtseinheit ist zwar für den Einsatz in der Jahrgangstufe 11 konzipiert, die MuPAD-Animationen können jedoch durchaus schon unterstützend in den Klassen 7 oder 8 verwendet werden (Beamerpräsentation), in denen ein erster Zugang zum zentralperspektivischen Zeichnen vermittelt wird. Historische Entwicklung und Wandlung Von der Definition der handwerklichen Grundlagen in der Renaissance bis zur Benutzung der Zentralperspektive zur Offenlegung des Illusionären im 20. Jahrhundert Hinweise zum unterrichtlichen Einsatz Welche Einsichten können mithilfe des Computeralgebrasystems bei der experimentellen Annäherung an die Zentralperspektive gewonnen werden? Arbeitsmaterialien Alle Materialien der Unterrichtseinheit im Überblick Die Schülerinnen und Schüler sollen Abbildungseigenschaften der Zentralprojektion als Regeln der zentralperspektivischen Darstellung erkennen (Mathematik). Einblick in die Entwicklung der zentralperspektivischen Darstellung bei Künstlern von der Renaissance bis zur Moderne gewinnen (Bildende Kunst). Thema Nutzung von Eigenschaften der Zentralprojektion als Zeichenregeln zur Darstellung des Raumes in der Ebene Autor Rolf Monnerjahn Fächer Mathematik, Bildende Kunst Zielgruppe Jahrgangsstufe 11 Zeitraum etwa 8-11 Stunden Technische Voraussetzungen Verfügbarkeit von MuPAD/MathWorks Renaissance - Definition handwerklicher Grundlagen Die Anfänge der zentralperspektivischen Darstellung liegen in der Renaissance. Sie sind verbunden mit einer Hinwendung zum Diesseits nach der Jenseitsorientierung des Mittelalters. Anfänglich werden zentralperspektivische Elemente naiv und unkritisch verwendet: Kanten von Gebäuden, Fugen von Kacheln und ähnliches laufen in die angenommene Tiefe hinein schräg aufeinander zu, ohne sich an einem definierten Fluchtpunkt zu orientieren. In Italien stellen Künstler wie Leon Battista Alberti (1404-1472) und Filippo Brunelleschi (1377-1446), in Deutschland Albrecht Dürer (1471-1528), die zentralperspektivische Darstellung teilweise mithilfe der Mathematik auf eine gesicherte, aber eher noch als handwerklich zu bezeichnende Grundlage. Das Hilfsliniengerüst aus Fluchtlinien und Parallelen zum Bildrahmen genügt aus heutiger Sicht nur einfachen Objektanordnungen. 17. Jahrhundert - das solide mathematische Fundament Im 17. Jahrhundert gibt der französische Architekt und Mathematiker Gérard Desargues (1591-1661) der Zentralperspektive ein ausgereiftes mathematisches Fundament (in dem er übrigens die Euklidische Geometrie überschreitet). Künstler wagen sich jetzt auch an Darstellungen heran, die zwei Fluchtpunkte enthalten. 19. und 20. Jahrhundert - Technik, Offenlegung des Illusionären Ab dem 19. Jahrhundert wird die zentralperspektivische Darstellung eher für die technische Zeichnung bedeutsam als für die Kunst. Gleichwohl erlebt die Zentralperspektive eine Wiedererweckung im Surrealismus des 20. Jahrhunderts. Mit der Perfektion der künstlerischen zentralperspektivischen Darstellung ist aber ihre Überwindung hinsichtlich ihrer ideellen Ursprünge verbunden - sie wird nicht mehr zum Aufbau der Illusion von Wirklichkeit genutzt, sondern geradezu zur Offenlegung des Illusionären, beziehungsweise einer Realität hinter dem Augenscheinlichen. Etliche Künstler machen dabei vor allem Gebrauch von Effekten, die auf dem Verlust der Tiefeninformation bei der Zentralprojektion beruhen. Bruno Ernst, "Der Zauberspiegel des M.C. Escher", Köln 1994 Keine MuPAD-Grundkenntnisse erforderlich Für den Umgang mit dem in der Unterrichtseinheit MuPAD-Notebook (zentralperspektive.mn) müssen keine Grundkenntnisse im Umgang mit MuPAD vorhanden sein, da nur fertige MuPAD-Prozeduren genutzt werden. Eine elementare Einführung in die Handhabung des Computeralgebrasystems MuPAD bietet das vom Autor dieser Unterrichtseinheit verfasste Buch "MuPAD im Mathematikunterricht" (Cornelsen, ISBN: 978-3-06-000089-0). Fächerverbindend - Bildende Kunst und Mathematik Die hier vorgestellte Unterrichtseinheit ist eine von zweien zu dieser Thematik. Sie widmet sich dem Thema eher aus der Sicht der Bildenden Kunst, während die andere mehr auf der Seite des Fachs Mathematik steht (siehe Unterrichtseinheit Abbildung des Raums in die Ebene - Zentralprojektion im Fachportal Mathematik). Die Fähigkeiten zur Interpretation einer zentralperspektivischen Darstellung fallen individuell gleichermaßen unterschiedlich aus wie die Fähigkeiten zur Herstellung einer zentralperspektivischen Zeichnung. Darauf muss der Unterricht sich einrichten. Es sollten einige Grundbegriffe vermittelt werden, damit sprachliche Äußerungen über zentralperspektivische Darstellungen eine Grundlage haben. Darüber hinaus sind aber vor allem die MuPAD-Darstellungen mit ihren manipulativen Möglichkeiten (MuPAD-Notebook "zentralperspektive.mn") dazu gedacht, sich dem Thema eher experimentell zu nähern. Wie weit dann Einsichten gewonnen werden - wie sie im folgenden Text zusammenfassend aufgezählt werden - ist dann Sache der einzelnen Schülerinnen und Schüler. Die Normale zur Projektionsebene durch den Augpunkt heißt Hauptsehstrahl. Der Schnittpunkt des Hauptsehstrahls mit der Projektionsebene heißt Hauptpunkt. Parallelenscharen von Geraden, die parallel zur Projektionsebene verlaufen, werden als Parallelenscharen abgebildet (die Parallelität bleibt erhalten; nicht erhalten bleibt allerdings der Abstand der Parallelen). Alle zur Projektionsebene nicht parallelen Parallelenscharen werden als Geradenbüschel abgebildet. Alle Schnittpunkte solcher Geradenbüschel heißen Fluchtpunkte. Der Schnittpunkt eines Geradenbüschels, das Bild einer zur Projektionsebene normalen Parallelenschar ist, ist der Hauptpunkt. Ist der Hauptpunkt Ursprung eines orthogonalen, dreiachsigen Koordinatensystems und ist die Projektionsebene die xz-Ebene, so heißt die xy-Ebene Horizontalebene. Alle Fluchtpunkte der Bilder von Parallelenscharen, die in zur Horizontalebene parallelen oder orthogonalen Ebenen liegen, liegen auf der Schnittgeraden von Horizontalebene und Projektionsebene (der x-Achse). Diese heißt Horizont. Je kleiner der Betrag des Winkels einer Geraden aus einer solchen Parallelenschar gegen die Projektionsebene ist, um so größer ist der Abstand des zugehörigen Fluchtpunkts vom Hauptpunkt (Grenzfall Parallelität zur Projektionsebene: der Abstand ist unendlich). Bei der Zentralprojektion bleibt die Größe einer Strecke nicht erhalten (es sei denn, sie liegt in der Projektionsebene selbst). Je größer der Abstand einer Strecke zur Projektionsebene (und zum Augpunkt) ist, desto kleiner wird ihre Bildstrecke. Bei Strecken, die parallel zur Projektionsebene liegen, bleiben Teilstreckenverhältnisse erhalten (in Abb. 1 durch die Farbgebung gelb-violett angedeutet). Die MuPAD-Prozedur "ZPszene(Augpunkt,Winkel)" erlaubt uns noch einen Schritt weiter zu gehen: Unter "Winkel" können (durch Komma getrennt) bis zu drei Winkel in Grad angegeben werden. Der zweite aufgezählte Winkel lässt die Szene um die x-Achse rotieren, so dass beobachtet werden kann, was geschieht, wenn man eine Fotokamera schräg nach oben auf Gebäude richtet: Vertikale, in der Wirklichkeit parallele Linien, laufen im Bild nach oben zusammen - die Parallelen im Gegenstandsbereich entfernen sich nach oben von der Projektionsebene, der wiedergegebene Abstand muss also immer kleiner werden. Es entstehen Fluchtpunkte außerhalb der Horizontgerade. Es gibt Ebenen, deren zentralperspektivisches Bild eine Gerade ist (alle Ebenen durch den Augpunkt; das Bild der Horizontalebene ist der Horizont). Es gibt Geraden, deren zentralperspektivisches Bild ein Punkt ist (alle Geraden durch den Augpunkt; das Bild des Sehstrahls ist der Hauptpunkt). Diese Feststellungen sind die Voraussetzung für die Darstellung so genannter "unmöglicher" Objekte (Abb. 2), aber auch für ungewollte Fehler in perspektivischen Darstellungen.

  • Kunst / Kultur / Mathematik / Rechnen & Logik
  • Sekundarstufe I

Abbildung des Raums in die Ebene - Zentralprojektion

Unterrichtseinheit

In dieser Unterrichtseinheit zum Thema "Abbildung" lernen die Schülerinnen und Schüler, wie durch eine Zentralprojektion ein dreidimensionaler Raum in eine zweidimensionale Ebene abgebildet wird.Wie stellt man die sich in drei Hauptrichtungen erstreckende Alltagswelt korrekt auf der nur zweidimensionalen Fläche eines Bildes dar? Dieses Problem beschäftigte die Maler der Renaissance, und sie lösten es mithilfe der Mathematik. Das Thema Abbildung betrifft in den Mathematiklehrplänen meist nur Abbildungen der Ebene in sich selbst. Kulturhistorisch interessant und faszinierende Querverbindungen in die Bildende Kunst eröffnend ist dagegen die Zentralprojektion als Abbildung des Raums in die Ebene. Im Mathematikcurriculum lässt sich die Zentralprojektion in dem Lernzielkomplex "Geraden und Ebenen im Raum" unterbringen. Hier kann das Thema dazu beitragen eine erhebliche Praxisrelevanz der Analytischen Geometrie aufzuzeigen - man denke nur an die Bedeutung bildgebender Verfahren für die moderne medizinische Diagnostik und die Planung komplizierter operativer Eingriffe. Voraussetzungen Für den Umgang mit den im MuPAD-Notebook "zentralprojektion.mn" dargestellten Befehlssätzen müssen Grundkenntnisse im Umgang mit dem Computeralgebrasystem MuPAD vorhanden sein (Wertzuweisung, Prozeduraufruf, Graphikkommandos). Eine elementare Einführung in die Handhabung des CAS bietet das vom Autor dieser Unterrichtseinheit verfasste Buch "MuPAD im Mathematikunterricht" (Cornelsen, ISBN: 978-3-06-000089-0). Mathematik und Bildende Kunst Die hier vorgestellte Unterrichtseinheit ist eine von zweien zu dieser Thematik. Sie widmet sich dem Thema eher aus der Sicht der Mathematik, während die andere mehr auf der Seite des Fachs Bildende Kunst steht (siehe Unterrichtseinheit Verlust einer Dimension - die Zentralperspektive im Fachportal Kunst). Im Idealfall wird diese Unterrichtseinheit in einem fächerübergreifenden Projekt zwischen Mathematik und Bildender Kunst realisiert. Hinweise zum unterrichtlichen Einsatz Herstellung einer Zentralprojektion mit dem CAS und Erweiterung des Modells Die Schülerinnen und Schüler begreifen die mathematische Beschreibung der Zentralprojektion als Schnitt eines Geradenbüschels mit einer Ebene im Raum (Mathematik). lernen Abbildungseigenschaften der Zentralprojektion im Vollzug von Computerexperimenten kennen (Mathematik). gewinnen Einblick in die Bemühungen um Exaktheit der räumlichen Darstellung bei Künstlern der Renaissance (Bildende Kunst). Ausgehend von einer in Bild und Text vorliegenden Darstellung Albrecht Dürers wird die dort enthaltene Handlungsanweisung zur Herstellung einer Zentralprojektion in eine Auflistung von MuPAD-Kommandos umgesetzt. Sie läuft darauf hinaus, ein vom Augpunkt ausgehendes Geradenbüschel - die Geraden verlaufen durch die Eckpunkte des darzustellenden Körpers - mit einer zwischen Körper/Gegenstand und Augpunkt befindlichen Projektionsebene zum Schnitt zu bringen. Mit dem so erstellten mathematischen Modell kann nunmehr experimentiert werden: Die Lage des Augpunkts relativ zur Projektionsebene kann verändert werden, ebenso die Entfernung und relative Orientierung des Gegenstands zur Projektionsebene (durch seine Translation und Rotation). So werden Abbildungseigenschaften der Zentralprojektion erfahrbar: Parallelenscharen parallel zur Projektionsebene bleiben im Bild parallel. Schräg zur Projektionsebene verlaufende Parallelenscharen gehen in Geradenbüschel über. Die Länge von Strecken verkleinert sich im Bild, je größer der Abstand dieser Strecken von der Projektionsebene ist. Anaglyphe Darstellungen Die Erweiterung des mathematischen Modells der Zentralprojektion zum Modell des dreidimensionalen Sehens bietet sich an: Durch die Definition eines zweiten Augpunkts können leicht anaglyphe Darstellungen von Körpern erzeugt werden. Parallelprojektionen Durch Vergrößerung des Abstands des Augpunkts von der Projektionsebene kann die Parallelprojektion als Sonderfall der Zentralprojektion dargestellt werden (der Augpunkt liegt im Unendlichen, das Geradenbüschel durch den Augpunkt geht in eine Parallelenschar über). Auch kann der Schattenwurf auf eine ebene Fläche als Zentralprojektion identifiziert werden. Nicht nur in der Bildenden Kunst, in der Architektur und in den Ingenieurswissenschaften spielen perspektivische, quasi-räumliche Darstellungen eine bedeutsame Rolle. Inzwischen haben auch in der Medizin bildgebende Verfahren, die - wie in der MuPAD-Darstellung räumlicher Szenen - manipulierbare 3D-Darstellungen erzeugen, eine große Bedeutung erlangt. Hierauf zu verweisen, kann den für die Motivation der Schülerinnen und Schüler so wichtigen Anwendungsbezug verdeutlichen.

  • Mathematik / Rechnen & Logik
  • Sekundarstufe II
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