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Goethe: Die Leiden des jungen Werther

Unterrichtseinheit

Diese Unterrichtseinheit thematisiert Goethes "Die Leiden des jungen Werther", einem festen Bestandteile des Kanons der Oberstufe. Neben einer interpretatorischen Lektüre des Textes wird eine Internetrecherche zur Texterschließung genutzt.Über eine Internetrecherche werden Informationen über den biografischen Hintergrund über das Internet eigenständig von den Schülerinnen uns Schülern ermittelt. Die Differenz zwischen der realen Person Goethe und der fiktionalen Person Werther kann im Internet anschaulich nachvollzogen werden. Außerdem soll die literarische Epoche des Sturm und Drang differenziert erörtert werden. Neben dem zeitgenössischen historisch-literarischen Kontext wird auch die Rezeptionsgeschichte ansatzweise thematisiert. Der "Lehrplan Deutsch" fordert auch die Auseinandersetzung mit audiovisuellen Medien, im Mittelpunkt steht deshalb die Verfilmung von Ulrich Plenzdorfs (damalige DDR) Roman "Die neuen Leiden des jungen W." (1973). Der DDR-Regisseur Egon Günther verfilmte den Text 1976.Die Analyse von literarischen Texten steht in der Regel im Mittelpunkt des Deutschunterrichts. Gerade Schülerinnen uns Schüler, die mit der analytischen Auseinandersetzung Probleme haben, können, legt man den Schwerpunkt auf die Arbeit mit dem Internet, motiviert werden. Dieser Umgang mit Literatur ist auch konstruktiv für die analytische Textarbeit; über die selbstständige Arbeit mit dem Computer können die Schülerinnen uns Schüler eine Sensibilität gegenüber der Machart eines Textes entwickeln, weil sie erkennen können, dass Texte durchkomponierte Strukturen besitzen. Die Lehrkraft sollte während der Unterrichtseinheit im Hintergrund stehen, tritt lediglich als Beraterin oder Berater in Aktion. Die Schülerinnen und Schüler sollen die Arbeitsaufträge mithilfe des Internets selbstständig bearbeiten. Fachkompetenz Die Schülerinnen uns Schüler verstehen die verschiedenen Bedeutungsebenen des Briefromans "Die Leiden des jungen Werther". erkennen, dass Goethes Roman bis in die Gegenwart hinein immer wieder auf je andere Weise modifiziert wird. erarbeiten Grundlagen der Filmanalyse. verstehen, dass die Verfilmung von Plenzdorfs Roman die DDR-Gesellschaft kritisiert. vergleichen Goethes "Werther" mit der Verfilmung Egon Günthers Medienkompetenz Die Schülerinnen und Schüler erweitern bei der Erstellung ihrer Arbeitsergebnisse ihre Medienkompetenz. entwickeln ein kritisches Bewusstsein bei der Arbeit mit den neuen Medien. informieren sich über Goethe, Ulrich Plenzdorf und Egon Günther im Internet. recherchieren Informationen zur weitreichenden Rezeptionsgeschichte im Internet. Die Aufgaben können unter anderem mit den angeführten Links (s. "Zusatzinformationen": Weiterführende Links zu J.W. Goethe, Ulrich Plenzdorf und Egon Günther) erarbeitet werden. Arbeitsblatt 1 enthält Aufgaben, die sich auf die "Leiden des jungen Werther" konzentrieren. Arbeitsblatt 2 beschäftigt sich mit der Rezeptionsgeschichte des Romans, der Schwerpunkt liegt hier bei der Verfilmung. Arbeitsblatt 3 enthält Aufgaben zur Filmanalyse, Goethes Roman wird in diesen Kontext einbezogen. Analyse des Briefromans "Die Leiden des jungen Werther" Rezeptionsgeschichte zu den "Leiden des jungen Werther" Analyse des Films die "Leiden des jungen Werther" (1976) von Egon Günther

  • Deutsch / Kommunikation / Lesen & Schreiben
  • Sekundarstufe II

Plenzdorf: Die neuen Leiden des jungen W.

Unterrichtseinheit

Diese Unterrichtseinheit zu Plenzdorfs Roman "Die neuen Leiden des jungen W." ermöglicht den Schülerinnen und Schülern ab Klasse 10 inhaltliche, mediale und historische Zugänge zur DDR-Vergangenheit.40 Jahre DDR-Geschichte sind auch 40 Jahre Geschichte Deutschlands und deutscher Kultur und Literatur. Jeder Einblick in die deutsche Nachkriegsliteratur wäre ohne einen Blick auf die DDR-Literatur unvollständig. Der Roman ermöglicht Lernenden ab Klasse 10 inhaltliche, mediale und historische Zugänge zur DDR-Vergangenheit. Am Ende der Suche nach einem geeigneten Text, der die Schülerinnen und Schüler von heute anspricht, ist Ulrich Plenzdorfs "Die neuen Leiden des jungen W." eine gute Wahl. Zum einen lässt sich der Text sehr gut mit der Behandlung von Goethes "Die Leiden des jungen Werthers" verknüpfen, zum anderen spricht die Problematik junge Leute, die in jedem Jahrhundert ihre eigene Sturm und Drang-Zeit erleben, nach wie vor in ihrer existenziellen Situation an.Die Stundenthemen werden mithilfe von Computer und Internet erarbeitet. Arbeitsblätter (zur Arbeit am Computer oder zum Vervielfältigen) und Lösungsvorschläge sind an den entsprechenden Stellen eingefügt. Da der Text der Erzählung nicht im Internet zugänglich ist, nehmen die Seitenzahlen in der Unterrichtseinheit Bezug auf die Taschenbuchausgabe des Suhrkamp-Verlages. Ablauf der Unterrichtseinheit Die Module der Unterrichtseinheit können Sie nacheinander einsetzen oder punktuell in Ihren Unterricht einbauen. Fachkompetenz Die Schülerinnen und Schüler fassen eine Ganzschrift lesen und deren Inhalt kurz zusammen. charakterisieren die literarischen Figuren. analysieren die im Roman verwendete Sprache und ihre Wirkung auf die Lesenden. bearbeiten selbstständig (im Team) ein gewähltes Thema textnah und zugleich kreativ. betrachten Plenzdorfs Werk im Vergleich zu Goethes Werther. verstehen historische Aspekte des Romans und arbeiten sie eventuell in Kooperation mit dem Geschichtsunterricht auf. Medienkompetenz Die Schülerinnen und Schüler erhalten Arbeitsaufträge in einem Textverarbeitungsprogramm und bearbeiten sie. suchen und finden Informationen mithilfe von angegebenen und selbst zu recherchierenden Websites. bearbeiten eventuell in Kooperation mit dem Kunstunterricht digitale Fotos und stellen Schattenschnitte her. Dem Inhalt und dem Aufbau des Romans nähern sich die Schülerinnen und Schüler zum Einstieg in die Unterrichtseinheit anhand von Inhaltsangaben an. Exemplarische Inhaltsangabe "In den "Neuen Leiden" erzählt Plenzdorf die Geschichte vom siebzehnjährigen Edgar Wibeau, der seine Ausbildung abbricht, seine vielbeschäftigte Mutter verlässt und sich in eine Gartenlaube zurückzieht. Er nimmt eine Beziehung zur Verlobten eines strebsamen Zeitgenossen auf, mag sich in kein Arbeitskollektiv fügen und geht schließlich, nach rastlos erfinderischer Tätigkeit, in seiner Laube "über den Jordan"." Quelle: Das Kritische Lexikon zur deutschsprachigen Gegenwartsliteratur (KLG) Zeitbedarf: ca. eine Unterrichtsstunde Alternative Aufgabenstellungen zum Text Inhalt Zu Beginn jeder Lektürebehandlung muss der Inhalt des Textes möglichst genau bekannt sein. Für die inhaltliche Erschließung bieten sich zwei gegenläufige Verfahren an, von denen eines realisiert wird. Inhaltswiedergabe Die eigenen Formulierungsversuche werden vorgelesen, verglichen und schließlich zu der Inhaltsangabe des KLG (siehe oben) in Beziehung gesetzt. Aufgabe: Geben Sie in zwei bis drei Sätzen den Inhalt von Plenzdorfs Werk wieder! Vergleich von Inhaltsangaben Aufgabe mit dem Textblatt nleiden_ab1.rtf oder im Internet: Vergleichen Sie die abgedruckten Inhaltsangaben und geben Sie eine kritische Bewertung darüber ab, welcher Text den Inhalt der Erzählung am besten wiedergibt! Aufbau Nach dieser schülerzentrierten Arbeitsphase wird im gemeinsamen Gespräch der Aufbau der Erzählung skizziert. Der junge W., bei Plenzdorf Edgar Wibeau, weist eine komplizierte Psyche auf. Sowohl seine eigene Persönlichkeit als auch die gesellschaftlichen Umstände, unter denen er aufwächst, prägen ihn und sein Schicksal. In dieser Stunde soll versucht werden, einige Aspekte seiner Persönlichkeit zu beleuchten. Bei Interesse kann hier ein Schülerreferat über die Figur des Holden Caulfield in Salingers "The Catcher in the Rye" eingeschoben werden. Edgar bewundert diese Figur, was gewisse Rückschlüsse auf seine eigenen Ideale zulässt. Zeitbedarf: ca. 45 Minuten Kurzreferate Die Links auf der Startseite dieser Unterrichtseinheit können als Grundlage für ein Kurzreferat dienen. Stundenverlauf Die Schülerinnen und Schüler sammeln stichpunktartig Fakten zu den Lebensumständen Edgars mithilfe des Arbeitsblatts nleiden_ab5. Für einen gewissen Einblick in die gesellschaftliche Realität wird der Text des Gelöbnisses der Jugendweihe zur Verfügung gestellt: Frage: Wie wirkt ein solches Gelöbnis auf junge Menschen, die sich entwickeln wollen?) Für eine Beleuchtung psychischer Faktoren ist ein Auszug aus einem Interview dabei: Frage: Lassen sich Cöllens Aussagen auch auf Edgar Wibeau beziehen? Die Schülerinnen und Schüler charakterisieren die Personen des Romans aus der Sicht des Protagonisten und nutzen dabei einschlägige Websites. Ein Kennzeichen des modernen Romans ist die polyperspektivische Sicht der Dinge. Im Aufbau der neuen Leiden des jungen W. Ist diese Aufsplitterung darin angelegt, dass der Vater auf der Suche nach einem Bild von seinem Sohn (in zweifacher Hinsicht: Persönlichkeit und Gemälde) mit verschiedenen Perspektiven konfrontiert wird, die jeweils nur einen Ausschnitt aus der Wirklichkeit des Menschen Edgar Wibeau zeigen. Zeitbedarf: eine bis zwei Unterrichtsstunden (Schülervorträge!) Unterrichtsverlauf Beispiel: Die Mutter Zunächst wird zusammen mit den Schülerinnen und Schülern eine Charakteristik der Figur der Mutter, Else Wibeau, erarbeitet und an der Tafel skizziert. Gruppenarbeit: Charakterisierungen Im Anschluss daran stellen die Schülerinnen und Schüler in Partner- oder Gruppenarbeit in entsprechender Form Informationen zu weiteren Romanfiguren zusammen. Diese "Dossiers" werden abschließend im Plenum vorgetragen. Diese Charakteristiken können auch mithilfe eines Präsentationsprogramms dargestellt und präsentiert werden. Weitere zu charakterisierende Romanfiguren Der Ausbilder Fleming (S. 11ff.) Addi Zaremba Charlie Dieter Zur Rolle des Vaters Willi Schülerinnen und Schülern in kleinen Gruppen zur Wahl gestellt werden. Nun sollen noch unerledigte Aspekte aufgearbeitet werden, durch Rückblick und Wiederholung werden die bisher gelernten Inhalte vertieft, und einige Schreibanlässe fordern zum kreativen und produktiven Umgang mit dem Text auf. Hier werden einige mögliche Aufgaben skizziert. Zeitbedarf: ca. eine bis zwei Unterrichtsstunden (Schülervorträge!) Themen für die Gruppenarbeit Ihre Schülerinnen und Schüler suchen sich in Kleingruppen eine der Schreibaufgaben und arbeiten mit einem Textverarbeitungsprogramm. A - Merkblatt Erarbeiten Sie ein Merkblatt zum Autor Ulrich Plenzdorf! Darauf sollen neben einem Foto des Autors biografische Angaben zu seinem Leben und eine Liste seiner bedeutendsten Werke enthalten sein. B - (Streit-)Gespräch Goethe versus Plenzdorf Formulieren Sie ein (Streit-)Gespräch zwischen dem jungen Goethe, dem Dichter des "Original-Werther", und dem DDR-Autor Ulrich Plenzdorf. Themen könnten Fragen des Urheberrechts (Stichwort "Ideenklau"), der immer gleichen Probleme Jugendlicher, der veränderten gesellschaftlichen Umstände, der in den Texten verwendeten Sprache, der unterschiedlichen Wirkung beider Texte auf das Publikum sein. C - E-Mail von Willi an Edgar Formulieren Sie einen Brief Willis an Edgar, in dem Willi auf eines der Tonbänder antwortet. Könnte der Freund Edgar zu etwas raten, was könnte er ihm von Zuhause erzählen (von seiner Mutter, von Fleming), was könnte er ihm schicken, was könnte er von Edgars Situation halten? D - Grabrede Formulieren Sie eine Rede an Edgars Grab. Angenommen, alle wichtigen Personen der Erzählung sind zur Beerdigung erschienen, so könnten auch verschiedene Menschen, mit denen Edgar zu tun hatte, das Wort ergreifen. E - Totengespräch Verfassen Sie, ganz im Stil Edgars/Plenzdorfs, einen Kommentar Edgars zu seinem eigenen Begräbnis oder zu einer der Grabreden. Versuchen Sie dabei, die sprachlichen Eigentümlichkeiten Edgars zu imitieren oder in heutige Jugendsprache zu übertragen. F - Buchkritik Schreiben Sie eine Buchkritik für die Schülerzeitung. Beachten Sie, worauf eine solche Kritik eingehen sollte, was sie verraten und was sie verschweigen müsste, und beachten Sie die Zielgruppe der Schülerzeitung. Geben Sie eine begründete Empfehlung darüber ab, ob Plenzdorfs Erzählung als private Lektüre für ihre MitschülerInnen geeignet ist. Die Freunde des Protagonisten, in diesem Fall Ihre Schülerinnen und Schüler, versuchen, ihm per E-Mail zu helfen. Der Generationenkonflikt spielt in vielen literarischen Werken eine große Rolle. Die schwierige Ablösung Heranwachsender vom Elternhaus kann aus der Sicht der älteren und der jüngeren Generation beschrieben werden, interessanter für Schülerinnen und Schüler ist zweifellos die Perspektive des Gleichaltrigen. In diesem Zusammenhang lassen sich auch die Figuren der Erzählung der einen oder anderen Generation zuordnen. Zeitbedarf: ca. eine Unterrichtsstunde Die Weltsicht der Figuren In einer Grafik (an der Tafel oder per Beamer) werden die Figuren der Erzählung entsprechend ihrer Einstellung und ihres (geografischen) Ortes angeordnet. Eine solche Anordnung könnte folgendermaßen aussehen: Eine E-Mail von den Freunden Um eine bessere Identifikation der Lernenden mit der literarischen Figur Edgar Wibeau zu erreichen, erhalten sie die Aufgabe, als fiktive Freunde Edgars diesem einen Brief zu schreiben. Darin müssen ihr Verständnis für seine Probleme zum Ausdruck gebracht und die eingangs gesammelten Erwartungen verwendet werden. Entsprechend der heute gegebenen Kommunikationsmöglichkeiten sollte der Brief als E-Mail am Computer verfasst werden. Die Protagonisten beider Werke haben Gemeinsamkeiten, sie unterscheiden sich aber auch in zentralen Punkten. Die Lernenden erarbeiten dies anhand eines Sekundärtextes und werden beim Erstellen von Schattenrissen kreativ. Bereits im Titel seines Werkes lässt Plenzdorf durch die Abkürzung W. eine Deutung des Namens offen: Ist damit nur Wibeau gemeint oder auch sein alter ego Werther mit der gleichen Initiale? Dass es sich um "neue" Leiden handelt, spricht für Wibeau, aber gerade in diesen Leiden sieht er seinem Vorgänger Werther auf verblüffende Weise ähnlich. Diese Ähnlichkeit soll im Unterricht herausgearbeitet werden. Zeitbedarf: ca. eine Unterrichtsstunde Verbotene Liebe Wann ist Liebe verboten? Direkter Auslöser der Verzweiflungstat Werthers war seine unerfüllbare Liebe zu Charlotte. An diesem Punkt ist zu überlegen, ob eine unglückliche Liebe auch heute zu ähnlichen Reaktionen führen kann. Ist diese Frage im Einzelfall auch durchaus zu bejahen, so zeigt ein Blick in die Medienwelt, dass mit "verbotenen Lieben" - so der Titel einer Daily Soap im Fernsehen - heute doch anders umgegangen wird. Ein Kapitel aus der Diplomarbeit Stefanie Habermüllers (NLeiden_AB4) wird nach modernen Kriterien für das Verbotensein einer Zweierbeziehung durchsucht. Lösung Folgende Kriterien können dabei entdeckt werden: Geschwisterliebe Homosexualität Untreue sozialer Unterschied Abhängigkeit Liebe zu Prostituierten Liebe zu (angehenden) Priestern großer Altersunterschied Liebe zu Strafgefangenen Werther versus W. Parallelen Bei Werther wie bei Edgar Wibeau geht es nicht nur um die aussichtslose Liebe zu einer unerreichbaren Frau. Schattenrisse Eine zweite direkte Verbindung zwischen Goethes und Plenzdorfs Texten neben den Zitaten ist der Schattenriss, den Werther von Charlotte und Edgar von Charlie anfertigen. Wenigstens mit Edgars Methode ist es auch den Schülerinnen und Schülern von heute möglich, von den Mitschülerinnen und Mitschülern Abbildungen anzufertigen. Eine Alternative ist die digitale Fotografie von Halbporträts, die am Computer nachbearbeitet werden, so dass "Schattenrisse" entstehen, die gedruckt und im Klassenzimmer ausgehängt werden können. In einem Arbeitsblatt notieren die Lernenden Textstellen, an denen der Sprechstil Edgars so gar nicht schriftsprachlich klingt. Edgar Wibeaus Sprache entstammt im Kern der Sprache der DDR-Jugend seiner Zeit und stellt einen Gegenentwurf zur Sprache und Welt der Erwachsenen dar. Durch seinen eigenen Sprechstil lehnt er einerseits Normen, Werte und Verhaltensweisen der Erwachsenen ab und kann andererseits seine jugendlichen Gefühle und Gedanken und sein Verhalten am besten artikulieren. In dieser Unterrichtsstunde sollen einige Eigenheiten der Sprache Edgars genauer analysiert werden. Zeitbedarf: ca. eine Unterrichtsstunde Stundenverlauf Kollision der Ausdrucksweisen Als Motivation dient die Kollage eines Schattenrisses aus dem 18. Jahrhundert mit einem Ausspruch Edgars in seiner typisch schnoddrigen Sprache. Die Schülerinnen und Schüler erkennen, dass die "klassische" bildliche Darstellung nicht zur "modernen" Ausdrucksweise passt. Belegstellen sammeln Nach dieser Einstimmung werden Beispiele für Edgars Sprache gesammelt und analysiert (nleiden_ab6). Dadurch werden Merkmale der gesprochenen Sprache deutlich gemacht. Ziel Die Schülerinnen und Schüler erkennen die Wirkung dieser Formulierungen: Als Leser führt man scheinbar ein direktes Gespräch mit Edgar. HILFE Sehr geehrte Damen und Herren Ich habe vor, meinen Schülern eine Arbeit über das Thema Mittenberg und Berlin bezüglich des buches von U. Plenzdorf zu geben. Leider finde ich selber keine Informationen zu Mittenberg. Kann es sein, dass dieser Ort ein erfundener, gar nicht existierender Ort ist? Ich wäre sehr dankbar, wenn Sie mir helfen könnten! Mit freundlichen Grüßen, R. Gloor Plenzdorf - Anfrage R.Gloor ... ja, in der Tat: Mittenberg ist ein fiktiver Ort mit einem sprechenden Namen. J. Krätzer Exemplarische Inhaltsangabe "In den "Neuen Leiden" erzählt Plenzdorf die Geschichte vom siebzehnjährigen Edgar Wibeau, der seine Ausbildung abbricht, seine vielbeschäftigte Mutter verlässt und sich in eine Gartenlaube zurückzieht. Er nimmt eine Beziehung zur Verlobten eines strebsamen Zeitgenossen auf, mag sich in kein Arbeitskollektiv fügen und geht schließlich, nach rastlos erfinderischer Tätigkeit, in seiner Laube "über den Jordan"." Quelle: Das Kritische Lexikon zur deutschsprachigen Gegenwartsliteratur (KLG) Zeitbedarf: ca. eine Unterrichtsstunde Inhalt Zu Beginn jeder Lektürebehandlung muss der Inhalt des Textes möglichst genau bekannt sein. Für die inhaltliche Erschließung bieten sich zwei gegenläufige Verfahren an, von denen eines realisiert wird. Inhaltswiedergabe Die eigenen Formulierungsversuche werden vorgelesen, verglichen und schließlich zu der Inhaltsangabe des KLG (siehe oben) in Beziehung gesetzt. Aufgabe: Geben Sie in zwei bis drei Sätzen den Inhalt von Plenzdorfs Werk wieder! Vergleich von Inhaltsangaben Aufgabe mit dem Textblatt nleiden_ab1.rtf oder im Internet: Vergleichen Sie die abgedruckten Inhaltsangaben und geben Sie eine kritische Bewertung darüber ab, welcher Text den Inhalt der Erzählung am besten wiedergibt! Aufbau Nach dieser schülerzentrierten Arbeitsphase wird im gemeinsamen Gespräch der Aufbau der Erzählung skizziert. Ein Kennzeichen des modernen Romans ist die polyperspektivische Sicht der Dinge. Im Aufbau der neuen Leiden des jungen W. Ist diese Aufsplitterung darin angelegt, dass der Vater auf der Suche nach einem Bild von seinem Sohn (in zweifacher Hinsicht: Persönlichkeit und Gemälde) mit verschiedenen Perspektiven konfrontiert wird, die jeweils nur einen Ausschnitt aus der Wirklichkeit des Menschen Edgar Wibeau zeigen. Zeitbedarf: eine bis zwei Unterrichtsstunden (Schülervorträge!) Beispiel: Die Mutter Zunächst wird zusammen mit den Schülerinnen und Schülern eine Charakteristik der Figur der Mutter, Else Wibeau, erarbeitet und an der Tafel skizziert. Gruppenarbeit: Charakterisierungen Im Anschluss daran stellen die Schülerinnen und Schüler in Partner- oder Gruppenarbeit in entsprechender Form Informationen zu weiteren Romanfiguren zusammen. Diese "Dossiers" werden abschließend im Plenum vorgetragen. Diese Charakteristiken können auch mithilfe eines Präsentationsprogramms dargestellt und präsentiert werden. Weitere zu charakterisierende Romanfiguren Der Ausbilder Fleming (S. 11ff.) Addi Zaremba Charlie Dieter Zur Rolle des Vaters Willi Weitere Informationen zur Personengestaltung können beispielsweise auf folgenden Seiten gefunden werden: Anmerkungen zu: Die neuen Leiden des jungen W. Die Schülerin Claudia S. stellt die Personen rund um Edgar Wibeau vor. Der Generationenkonflikt spielt in vielen literarischen Werken eine große Rolle. Die schwierige Ablösung Heranwachsender vom Elternhaus kann aus der Sicht der älteren und der jüngeren Generation beschrieben werden, interessanter für Schülerinnen und Schüler ist zweifellos die Perspektive des Gleichaltrigen. In diesem Zusammenhang lassen sich auch die Figuren der Erzählung der einen oder anderen Generation zuordnen. Zeitbedarf: ca. eine Unterrichtsstunde In einer Grafik (an der Tafel oder per Beamer) werden die Figuren der Erzählung entsprechend ihrer Einstellung und ihres (geografischen) Ortes angeordnet. Eine solche Anordnung könnte folgendermaßen aussehen: Um eine bessere Identifikation der Lernenden mit der literarischen Figur Edgar Wibeau zu erreichen, erhalten sie die Aufgabe, als fiktive Freunde Edgars diesem einen Brief zu schreiben. Darin müssen ihr Verständnis für seine Probleme zum Ausdruck gebracht und die eingangs gesammelten Erwartungen verwendet werden. Entsprechend der heute gegebenen Kommunikationsmöglichkeiten sollte der Brief als E-Mail am Computer verfasst werden. Bereits im Titel seines Werkes lässt Plenzdorf durch die Abkürzung W. eine Deutung des Namens offen: Ist damit nur Wibeau gemeint oder auch sein alter ego Werther mit der gleichen Initiale? Dass es sich um "neue" Leiden handelt, spricht für Wibeau, aber gerade in diesen Leiden sieht er seinem Vorgänger Werther auf verblüffende Weise ähnlich. Diese Ähnlichkeit soll im Unterricht herausgearbeitet werden. Zeitbedarf: ca. eine Unterrichtsstunde Wann ist Liebe verboten? Direkter Auslöser der Verzweiflungstat Werthers war seine unerfüllbare Liebe zu Charlotte. An diesem Punkt ist zu überlegen, ob eine unglückliche Liebe auch heute zu ähnlichen Reaktionen führen kann. Ist diese Frage im Einzelfall auch durchaus zu bejahen, so zeigt ein Blick in die Medienwelt, dass mit "verbotenen Lieben" - so der Titel einer Daily Soap im Fernsehen - heute doch anders umgegangen wird. Ein Kapitel aus der Diplomarbeit Stefanie Habermüllers (NLeiden_AB4) wird nach modernen Kriterien für das Verbotensein einer Zweierbeziehung durchsucht. Lösung Folgende Kriterien können dabei entdeckt werden: Geschwisterliebe Homosexualität Untreue sozialer Unterschied Abhängigkeit Liebe zu Prostituierten Liebe zu (angehenden) Priestern großer Altersunterschied Liebe zu Strafgefangenen Parallelen Bei Werther wie bei Edgar Wibeau geht es nicht nur um die aussichtslose Liebe zu einer unerreichbaren Frau. Schattenrisse Eine zweite direkte Verbindung zwischen Goethes und Plenzdorfs Texten neben den Zitaten ist der Schattenriss, den Werther von Charlotte und Edgar von Charlie anfertigen. Wenigstens mit Edgars Methode ist es auch den Schülerinnen und Schülern von heute möglich, von den Mitschülerinnen und Mitschülern Abbildungen anzufertigen. Eine Alternative ist die digitale Fotografie von Halbporträts, die am Computer nachbearbeitet werden, so dass "Schattenrisse" entstehen, die gedruckt und im Klassenzimmer ausgehängt werden können. Bei Interesse kann hier ein Schülerreferat über die Figur des Holden Caulfield in Salingers "The Catcher in the Rye" eingeschoben werden. Edgar bewundert diese Figur, was gewisse Rückschlüsse auf seine eigenen Ideale zulässt. Zeitbedarf: ca. 45 Minuten Folgende Links dienen der weiteren Information durch die Lehrkraft oder können als Grundlage zu einem Kurzreferat dienen: lexi-tv: Jugendweihe Einen Einblick in die gesellschaftlichen Bedingungen für Jugendliche in der DDR kann diese Website über die Jugendweihe geben. DDR-Geschichte Auch diese Seite liefert einen Einblick in diverse Themen der DDR-Geschichte, beispielsweise zu Arbeitswelt, Armee oder Kunst. Die Schülerinnen und Schüler sammeln stichpunktartig Fakten zu den Lebensumständen Edgars mithilfe des Arbeitsblatts nleiden_ab5. Für einen gewissen Einblick in die gesellschaftliche Realität wird der Text des Gelöbnisses der Jugendweihe zur Verfügung gestellt: Frage: Wie wirkt ein solches Gelöbnis auf junge Menschen, die sich entwickeln wollen?) Für eine Beleuchtung psychischer Faktoren ist ein Auszug aus einem Interview dabei: Frage: Lassen sich Cöllens Aussagen auch auf Edgar Wibeau beziehen? Edgars individuelle Gedanken und Wünsche können aus Plenzdorfs Text bezogen werden. Edgar Wibeaus Sprache entstammt im Kern der Sprache der DDR-Jugend seiner Zeit und stellt einen Gegenentwurf zur Sprache und Welt der Erwachsenen dar. Durch seinen eigenen Sprechstil lehnt er einerseits Normen, Werte und Verhaltensweisen der Erwachsenen ab und kann andererseits seine jugendlichen Gefühle und Gedanken und sein Verhalten am besten artikulieren. In dieser Unterrichtsstunde sollen einige Eigenheiten der Sprache Edgars genauer analysiert werden. Zeitbedarf: ca. eine Unterrichtsstunde Kollision der Ausdrucksweisen Als Motivation dient die Kollage eines Schattenrisses aus dem 18. Jahrhundert mit einem Ausspruch Edgars in seiner typisch schnoddrigen Sprache. Die Schülerinnen und Schüler erkennen, dass die "klassische" bildliche Darstellung nicht zur "modernen" Ausdrucksweise passt. Belegstellen sammeln Nach dieser Einstimmung werden Beispiele für Edgars Sprache gesammelt und analysiert (nleiden_ab6). Dadurch werden Merkmale der gesprochenen Sprache deutlich gemacht. Ziel Die Schülerinnen und Schüler erkennen die Wirkung dieser Formulierungen: Als Leser führt man scheinbar ein direktes Gespräch mit Edgar. Nun sollen noch unerledigte Aspekte aufgearbeitet werden, durch Rückblick und Wiederholung werden die bisher gelernten Inhalte vertieft, und einige Schreibanlässe fordern zum kreativen und produktiven Umgang mit dem Text auf. Hier werden einige mögliche Aufgaben skizziert. Zeitbedarf: ca. eine bis zwei Unterrichtsstunden (Schülervorträge!) Ihre Schülerinnen und Schüler suchen sich in Kleingruppen eine der Schreibaufgaben und arbeiten mit einem Textverarbeitungsprogramm. A - Merkblatt Erarbeiten Sie ein Merkblatt zum Autor Ulrich Plenzdorf! Darauf sollen neben einem Foto des Autors biografische Angaben zu seinem Leben und eine Liste seiner bedeutendsten Werke enthalten sein. Nutzen Sie die Linktipps: LeMO - Ulrich Plenzdorf Eine Biografie mit einigen Querverweisen Wikipedia Die Wikipedia-Biografie liefert viele Zusatzinformationen. B - (Streit-)Gespräch Goethe versus Plenzdorf Formulieren Sie ein (Streit-)Gespräch zwischen dem jungen Goethe, dem Dichter des "Original-Werther", und dem DDR-Autor Ulrich Plenzdorf. Themen könnten Fragen des Urheberrechts (Stichwort "Ideenklau"), der immer gleichen Probleme Jugendlicher, der veränderten gesellschaftlichen Umstände, der in den Texten verwendeten Sprache, der unterschiedlichen Wirkung beider Texte auf das Publikum sein. C - E-Mail von Willi an Edgar Formulieren Sie einen Brief Willis an Edgar, in dem Willi auf eines der Tonbänder antwortet. Könnte der Freund Edgar zu etwas raten, was könnte er ihm von Zuhause erzählen (von seiner Mutter, von Fleming), was könnte er ihm schicken, was könnte er von Edgars Situation halten? D - Grabrede Formulieren Sie eine Rede an Edgars Grab. Angenommen, alle wichtigen Personen der Erzählung sind zur Beerdigung erschienen, so könnten auch verschiedene Menschen, mit denen Edgar zu tun hatte, das Wort ergreifen. E - Totengespräch Verfassen Sie, ganz im Stil Edgars/Plenzdorfs, einen Kommentar Edgars zu seinem eigenen Begräbnis oder zu einer der Grabreden. Versuchen Sie dabei, die sprachlichen Eigentümlichkeiten Edgars zu imitieren oder in heutige Jugendsprache zu übertragen. F - Buchkritik Schreiben Sie eine Buchkritik für die Schülerzeitung. Beachten Sie, worauf eine solche Kritik eingehen sollte, was sie verraten und was sie verschweigen müsste, und beachten Sie die Zielgruppe der Schülerzeitung. Geben Sie eine begründete Empfehlung darüber ab, ob Plenzdorfs Erzählung als private Lektüre für ihre MitschülerInnen geeignet ist.

  • Deutsch / Kommunikation / Lesen & Schreiben / Kunst / Kultur / Geschichte / Früher & Heute
  • Sekundarstufe I, Sekundarstufe II, Berufliche Bildung, Primarstufe, Spezieller Förderbedarf

Goethes "Ganymed" genau lesen

Unterrichtseinheit

In dieser Unterrichtseinheit zu Goethes "Ganymed" erarbeiten die Lernenden das Gedicht anhand eines literaturdidaktischen Modells, das darauf abzielt, literarische Texte zunächst "genau" und auf die Reaktionen der Leserinnen und Leser hörend zu lesen, um sie im Folgenden in ihrem historischen Kontext sowie im Kontext ihrer Rezeption zu analysieren.Die Materialien zeigen exemplarisch, wie im Unterricht von den Irritationen, Fragen und Hypothesen der Schülerinnen und Schüler ausgegangen werden kann. Im Zentrum der Behandlung des Textes steht die Frage, warum ein Gedicht wohl den Titel "Ganymed" trägt, in dem ein lyrisches Ich seine vom Frühling ausgelösten möglicherweise sexuellen Erregungszustände schildert, die am Ende scheinbar in einer Begegnung mit einer Vaterfigur ihre Erfüllung und Abfuhr finden. Um diese Frage zu klären soll der Gedichttext zunächst textimmanent analysiert, dann im Kontext weiterer Texte und abschließend bezogen auf andere Interpretationen gelesen werden, um die in einer textimmanten "genau lesenden" Analyse erarbeiteten Deutungsergebnisse zu kontrastieren und gegebenenfalls zu erweitern. Lesen Sie hier den Fachartikel "Goethes "Ganymed" genau lesen" . Die Methode des genauen Lesens Lesen Sie hier den Fachartikel über das literaturdidaktische Modell des "genauen Lesens" (Chirollo/Schröder, 2017) Exemplarisches Arbeiten an einer Kernfrage, über die Uneinigkeit herrscht "Warum trägt ein Gedicht wohl den Titel "Ganymed", in dem ein lyrisches Ich seine vom Frühling ausgelösten möglicherweise sexuellen Erregungszustände schildert, die am Ende scheinbar in einer Begegnung mit einer Vaterfigur ihre Erfüllung und Abfuhr finden?" So lautet die auf eine befremdliche Leseerfahrung bezogene zentrale Fragestellung, die von Lesenden häufig so oder ähnlich in einem literarischen Gespräch zum Gedicht gestellt wird und über die auch in der fachwissenschaftlichen Rezeption des Gedichts Uneinigkeit herrscht. 1. Schritt: Literarisches Gespräch und textimmanente Analyse Bei einer auf die oben genannten Frage bezogenen textimmanenten Analyse durch genaues Lesen kann zunächst erarbeitet werden, dass Ganymed durch eine bedeutungsstiftende Kohärenz geprägt ist, die wie folgt beschrieben werden kann: Innere und äußere Natur erweisen sich für das lyrische Ich als sich gegenseitig bedingende Quellen eines als hoch intensiv erlebten Erregungszustandes. Als reale Naturphänomene wirken Frühlingssonne, Blume, Gras, Nachtigall. Die von ihnen im lyrischen Ich erregte Libido findet kein Liebesobjekt, mit dem es in der irdischen Realität eine erfüllende Beziehung eingehen könnte. Am Ende des unerfüllten Erregungszustandes entflieht das lyrische Ich aus diesem Zustand, indem es gen Himmel, also fort aus der irdischen Realität zieht und dort zunächst Wolken, dann einen Vater und gottgleiche Figur findet, die als Ersatz an die Stelle greifbarer realer Objekte tritt und an Stelle dieser erotisiert wird. Das Gedicht endet, indem es das lyrische Ich in einer sich anbahnenden erotischen Vereinigung mit der Vaterfigur zeigt. Es erlebt sich ihm im Schoße (!) der Wolken in einer harmonischen, gegenseitigen Bewegung (aufwärts-abwärts, umfangend-umfangen) anzunähern, denn es heißt "an deinen Busen", nicht "an deinem". Die Annäherung ist noch nicht vollzogen. Diese für uns Leserinnen und Leser irritierende Konstellation empfindet das lyrische Ich als Erfüllung. Eine Bezugnahme zum Mythos erfolgt erkennbar im Titel der Hymne. 2. Schritt: Kontextbezogene Analyse Diese Erkenntnis kann durch eine kontextbezogene Lektüre des Gedichts abgesichert und erweitert werden: Im Kontext des antiken Ganymed-Mythos gelesen ist deutlich zu erkennen und dies zerstreut letzte Zweifel am sexuellen Inhalt der vom lyrischen Ich artikulierten Sehnsüchte, dass es sich beim Sprecher wohl um den Ganymed des Mythos handelt, um einen jungen Mann, der sexuellen Begierden weckte und den ihn begehrenden Göttinnen und Göttern homo- und heterosexuelle Lustbefriedigung bot. Während bei Goethe das lyrische Ich in einer dialogischen Auseinandersetzung mit der Natur sich erotisiert und sich dabei "aus freien Stücken", vom Ruf einer Nachtigall, am ehesten wohl zu verstehen als Projektion seiner Sehnsucht oder seines Begehrens, erregt dem Himmel zuwendet (Drux 1996, 118), wird Ganymed im Mythos von Zeus bzw. Jupiter entdeckt, begehrt, entführt und sexualisiert. Im sozialhistorischen Kontext gelesen erweist sich, dass Goethe in Ganymed den "unlösbaren Widerspruch zwischen Persönlichkeitsentwicklung und bürgerlicher Gesellschaft" (Lukács 1939, 25) artikuliert. Die bürgerliche Aufklärung verlangt den Individuen Verzicht und Triebkontrolle ab, die diese durch die Flucht in die Natur nur unzureichend kompensieren können. In Ganymed zeigt sich so die Grenze der Persönlichkeitsentwicklung in der frühen bürgerlichen Gesellschaft des 18. Jahrhunderts. 3. Schritt: Rezeptionsbezogene Analyse Erstaunlicherweise herrscht in der Fachwissenschaft große Uneinigkeit über das Gedicht. Der Vergleich der im Unterricht durch ein genaues Lesen des Gedichts erarbeiteten Erkenntnisse mit den Deutungen von drei Literaturwissenschaftlern kann aufzeigen, dass die Bedeutungsoffenheit literarischer Texte Grenzen hat. Es gibt (fachwissenschaftliche) Deutungen, die durch das genaue Lesen eines Textes deutlich nachweisbar als falsch und textfern bezeichnet werden können. 4. Schritt: Klärung der Frage, was Literatur leisten kann Die Lernenden versuchen abschließend, Antworten auf die Frage zu formulieren, was Literatur ist und was sie kann. In Fachkompetenz Die Schülerinnen und Schüler nutzen die Einsicht in die Vorläufigkeit ihrer Verstehensentwürfe zur kontinuierlichen Überarbeitung ihrer Hypothesen, indem sie im Einstieg die Uneindeutigkeit oder Fragwürdigkeit ihrer Hypothesen erkennen sowie dabei Verstehensbarrieren identifizieren und sie zum Anlass eines textnahen Lesens nehmen. formulieren eigenständig ein Textverständnis, in das sie persönliche Leseerfahrungen und alternative Lesarten des Textes einbeziehen, und begründen, indem sie Schlussfolgerungen aus der Analyse herleiten, darstellen und begründen. beziehen in ihre Erörterung der in literarischen Werken enthaltenen Herausforderungen und Fremdheitserfahrungen geistes-, kultur- und sozialgeschichtliche Entwicklungen ein. ermitteln Zusammenhänge zwischen literarischen Texten und stellen Bezüge zu weiteren Kontexten her. Medienkompetenz Die Schülerinnen und Schüler beziehen Kenntnisse wissenschaftlicher Sekundärtexte, philosophischer Schriften und historischer Abhandlungen in die Kontextualisierung literarischer Werke ein. Sozialkompetenz Die Schülerinnen und Schüler setzen die in literarischen Werken enthaltenen Herausforderungen und Fremdheitserfahrungen kritisch zu eigenen Wertvorstellungen, Welt- und Selbstkonzepten in Beziehung, indem sie die Diskrepanz zwischen fiktionaler Realität und eigener Erwartung und eigenem moralischen Maßstab als Kluft erkennen, die Aufschluss sowohl über eine fremde als auch die eigene Welt gibt. Chirollo, Natalie / Schröder, Achim (2017): Literarisches Verstehen durch "genaues Lesen": ein Drei-Phasen-Modell zur Planung von Literaturunterricht. Online Drux, Rudolf u.a. (1996): Ganymed, in: Witte, Bernd/ Otto, Regine (Hg.): Goethe Handbuch, Stuttgart, Metzlersche Verlagsbuchhandlung, 115-118. Hessisches Kultusministerium (2016): Kerncurriculum Gymnasiale Oberstufe. Deutsch. Wiesbaden. Lukács, Georg (1939): Die Leiden des jungen Werther. Zuerst erschienen in Geschichte des Realismus, in: ders., Faust und Faustus, Hamburg 1971. Tepe, Peter/ Rauter, Jürgen/ Semlow, Tanja (2017): Regeln und Empfehlungen für die kognitive Textarbeit. Online

  • Deutsch / Kommunikation / Lesen & Schreiben
  • Sekundarstufe II

Eichendorff: Aus dem Leben eines Taugenichts

Unterrichtseinheit

In dieser Unterrichtseinheit zu Joseph von Eichendorffs "Aus dem Leben eines Taugenichts" lernen die Schülerinnen und Schüler all die Facetten der romantischen Erzählung kennen.In der Erzählung "Aus dem Leben eines Taugenichts" wird das romantische Lebens- und Weltgefühl in idealer Weise dargestellt, in ihr finden sich beinahe alle typisch romantischen Motive und Erzählmuster wieder. Darüber hinaus ist der Text inhaltlich für die Bearbeitung in der Schule besonders geeignet und spricht junge Menschen bis heute durch die intensive Betonung des Gefühls an. Nicht zuletzt kann die Gestalt des Taugenichts für viele Menschen bis heute als Identifikationsfigur dienen: Unverstanden von der Welt der Erwachsenen (des Vaters), aber voller Sehnsucht macht er sich auf die Suche nach Glück und Lebenssinn, die nach Rückschlägen schließlich doch zum Erfolg führt. Den Inhalten und den Umsetzungen solcher Gedanken in der Erzählung nähern sich die Lernenden der frühen gymnasialen Oberstufe in dieser Unterrichtseinheit medial gestützt an.Der Text der Novelle kann online oder, besser, offline gelesen werden. Die Lektüre eines Buches oder Heftes ist auf jeden Fall vorzuziehen. Der modulare Aufbau der Unterrichtseinheit ermöglicht es, dass Sie Teile dieser Einheit in Ihren eigenen Unterricht einbetten oder diese Vorschläge als Ganzes umsetzen können.Die Schülerinnen und Schüler verstehen die Novelle kennen lernen und ihre romantische Symbolik. ziehen Parallelen zu anderen literarischen Werken. recherchieren geleitet im Internet und nutzen Rechercheergebnisse sinnvoll. arbeiten mit Online-Arbeitsblättern im Textverarbeitungsprogramm. erstellen eine PowerPoint-Präsentation. Jeder Schüler und jede Schülerin hat eine ungefähre Vorstellung davon, was unter einem Taugenichts zu verstehen ist. Interessant ist jedoch, sich der Bedeutung des Begriffs zu Eichendorffs Lebzeiten anzunähern. Dazu dient idealerweise das Grimmsche Wörterbuch der deutschen Sprache, das selbst als großartiges Werk der Romantiker Jakob und Wilhelm Grimm Gegenstand des Unterrichts sein kann. Arbeitszeit: Ca. 45 Minuten Das Grimmsche Wörterbuch Schulen, die kein Originalexemplar dieses umfangreichen Wörterbuchs besitzen, können auf die Online-Ausgabe, die sich allerdings noch im Aufbau befindet, zugreifen. Das Wörterbuch auf CD-ROM ist mittlerweile fertiggestellt und wird beim 2001-Verlag auf CD-ROM angeboten. Von dem oder der Lehrenden ist zu prüfen, ob das für die Betrachtung der Online-Seiten des Grimmschen Wörterbuchs notwendige Plug-in installiert ist. Wenn das Stichwort "Taugenichts" noch nicht verfügbar ist, kann auf andere Lexika ausgewichen werden, oder die Abbildung des entsprechenden Lexikonartikels wird projiziert oder als Arbeitsblatt verteilt. Bei der Ergänzung der zuvor gesammelten Lebensdaten Eichendorffs wäre zu diskutieren, ob sich der Dichter vielleicht selbst im Bild des Taugenichts gespiegelt hat. Nach der Lektüre der ersten Seiten des Textes werden wesentliche Aspekte des Exposition erarbeitet. Arbeitszeit: Ca. 45 Minuten Die Schülerinnen und Schüler sollen in dieser Stunde bestimmte Fakten frei recherchieren. Das müsste mithilfe einer Suchmaschine leicht möglich sein. Alternativ können die unten angegebenen Adressen vorgegeben werden. Am Schluss der Stunde können die Schülerinnen und Schüler mit der online oder im schulischen Netzwerk abgelegten HTML-Datei eine Zuordnungsübung lösen und dann über das Ergebnis der Aufgaben (b) und (c) diskutieren. Eichendorffs Beschreibung des Schlossgartens folgt der literarischen Tradition des locus amoenus, zu dessen Inventar bestimmte Merkmale gehören. Die Schülerinnen und Schüler vergleichen ähnliche Beschreibungen aus unterschiedlichen Epochen und bildhafte Darstellungen "romantischer" Gärten, um das Typische des Schauplatzes herauszuarbeiten. Schließlich werden in der Diskussion Schlüsse auf den Realitätsgehalt einer solchen Beschreibung gezogen. Zeitbedarf: Ca. 45 Minuten Als Motivation dienen bildhafte Darstellungen "romantischer" Gärten, die dem Typus des locus amoenus entsprechen. Durch eine tabellarische Aufstellung des Inventars solcher Anlagen wird der Blick geschärft für die Untersuchung literarischer Gestaltungen des Topos. Am Schluss der Stunde wird überlegt, welche Bedeutung die Verwendung des Topos für die Interpretation des Schlossgartens bei Eichendorff hat. Die auf dem Arbeitsblatt genutzten Textbeispiele können auch im Internet gelesen werden: Gutenberg.spiegel.de Johann Wolfgang von Goethe: Die Leiden des jungen Werthers ders.: Faust II, 1. Akt: Anmutige Gegend Heinrich von Kleist: Das Erdbeben in Chili Novalis: Heinrich von Ofterdingen, 1. Kapitel Gottfried Keller: Der grüne Heinrich Die Bibel Paradieserzählung: Gen 2.4-15 Bewunderung und Liebe für eine unerreichbare Person kann für Jugendliche der angesprochenen Jahrgangsstufe durchaus zum Erfahrungsbereich gehören. Daher sollte eine Objektivierung dieser Emotionen durch die Beschäftigung mit motivverwandten Gedichten eine lohnenswerte Aufgabe sein. Im Vergleich mit dem Minnelied Walthers von der Vogelweide wird deutlich, dass Eichendorff das Bild der Geliebten zur Minnedame stilisiert. Arbeitszeit: Ca. 45 Minuten Die Schülerinnen und Schüler sollen sich zunächst mithilfe des Arbeitsblattes beziehungsweise der Datei über die mittelalterliche Minne informieren, speziell über Walther von der Vogelweide und die Bedeutung des Kranzes. In diesem Zusammenhang kann die vielschichtige Minneproblematik allerdings nur oberflächlich angedeutet werden. Dann soll der Text von Walthers Lied "Nemt, frouwe, disen kranz" mit "Wohin ich geh und schaue" von Eichendorff verglichen werden. Dabei wird die Wiederaufnahme des mittelalterlichen Minnemotivs in der Romantik deutlich. Wenn das Minnemotiv und mittelalterliche Lyrik überhaupt intensiver behandelt werden soll und eventuell in einen größeren unterrichtlichen Zusammenhang gestellt wird, könnte die Situation, die auf der Abbildung aus der Manessischen Liederhandschrift zu sehen ist, als "lebendes Bild" nachgestellt werden. Dabei werden gesellschaftliche Rangordnung, emotionale Abhängigkeiten und lebenspraktische Aspekte der Situation reflektiert. Verschiedene moderne Interpretationen können im Bild (digitale Fotografie) festgehalten und so dokumentiert werden. Dem romantischen Motiv der Sehnsucht implizit ist die Dialektik von Ferne und Heimat. Ist das Subjekt zu Hause, sehnt es sich nach der Ferne. Ist es in der Fremde, sehnt es sich nach der Heimat. Die differenzierte Darstellung von Ferne und Heimat ermöglicht die Spiegelung des Sehnsuchtsmotivs in vielerlei Gestalt: Arbeit und Alltag einerseits und Geliebte, Glück und Sinn andererseits. Dieses Motiv wird auch in der Stunde "Parallelgeschichten" in dieser Unterrichtsreihe aufgegriffen. Arbeitszeit: Ca. 45 Minuten Zunächst werden in einem Brainstorming Assoziationen zu den Begriffen Ferne und Heimat gesammelt. Dabei soll deutlich werden, dass man mit "Heimat" normalerweise positive Assoziationen verbindet. Im Gegensatz dazu empfindet der Taugenichts zu Anfang der Novelle seine Heimat eher bedrückend. Arbeitsblatt Schließlich wird eine Grafik auf dem Arbeitsblatt beziehungsweise in der Datei beschriftet, die die innere Entwicklung des Taugenichts und seine Sicht der Dinge verdeutlicht. Ein Aspekt der Erzählung ist der Gegensatz in den Lebensentwürfen des Philisters und des Künstlers, als den sich der Taugenichts unausgesprochen begreift. Bereits auf der ersten Textseite wird klar, dass diese beiden Typen nicht zusammen passen, weil die Lebensart des einen für den anderen unverständlich, wenn nicht sogar unerträglich ist. Deshalb verlässt der Taugenichts bereitwillig die ungeliebte Welt der Mühle, in der er nicht mehr geduldet wird. Doch das Motiv des freien, romantischen Lebens setzt sich im weiteren Verlauf der Erzählung fort. Zeitbedarf: Ca. 45 Minuten Die Textarbeit kann auch mit der Online-Version des Textes beim Projekt Gutenberg erfolgen. Da es dort jedoch keine Einteilung nach Seiten und Zeilen gibt, müssen die betreffenden Textpassagen mit der Suchfunktion des Browsers gefunden werden. Auf dem Arbeitsblatt sind sowohl die Internetadresse des Textes mit Stichworten für die Suche als auch Seitenzahlen zur Textausgbe des Hamburger Lesehefte Verlages angegeben. Die Schülerinnen und Schüler erarbeiten in drei Gruppen aus bestimmten Textpassagen die Merkmale des Philisters und des Künstlers. Sie illustrieren ihre Arbeitsergebnisse mit passenden Darstellungen des jeweiligen Lebensentwurfs. Anschließend werden die Ergebnisse im Plenum vorgetragen. Wenn noch Zeit bleibt, werden als Erweiterung weitere Texte mit gegensätzlichen Lebenseinstellungen betrachtet, etwa aus der Bibel. Denn schon bei Kain (Hirte) und Abel (Bauer), und später bei Jakob (Jäger) und Esau (Viehzüchter) findet sich eine ähnliche archetypische Polarisierung. Sensibilisierung Als Motivation wird Heinrich Heines Gedicht Die Philister projiziert, gelesen und besprochen. Heinrich Heine: Die Philister Die Philister, die Beschränkten, Diese geistig Eingeengten Darfst Du nie und nimmer necken. Aber weite, kluge Herzen Wissen stets in unsren Scherzen Lieb und Freundschaft zu entdecken. Unterrichtsgespräch Im gelenkten Unterrichtsgespräch werden die beiden Charaktertypen näher analysiert, die Heine in seinem Gedicht kurz darstellt. Arbeitsblatt Anschließend arbeiten die Schülerinnen und Schüler an den Aufgaben auf dem Arbeitsblatt. Von Homer zu Eichendorff Das Motiv der Heimkehrergeschichten ist uralt. Als großartiges Vorbild solcher Geschichten kann die Odyssee Homers gelten, in der der Titelheld nach langer, gefahrvoller Reise schließlich glücklich heimkehrt. Das Reisemotiv wurde im Laufe der Zeit vielfältig abgewandelt und variiert. Bis in die Gegenwart schöpfen Autoren aus ihm, um moderne und postmoderne Erzählungen zu gestalten. Im Vergleich von Eichendorffs Taugenichts mit einigen dieser Parallelgeschichten wird der Blick für die Eigenart romantischer Erzählkunst geschärft und gleichzeitig auf die ganze Bandbreite epischer Bearbeitungen geweitet. Zeitbedarf: ca. 45 Minuten für die Erarbeitung (die Texte werden in häuslicher Vorbereitung gelesen) und etwa 90 Minuten für die Kurzvorträge mit Besprechung (in Abhängigkeit der Zahl der zur Verfügung gestellten Parallelgeschichten) Lesen der Parallelgeschichte Die Schülerinnen und Schüler erhalten die zur Verfügung stehenden Parallelgeschichten entweder gedruckt auf einem Arbeitsblatt oder die Internetadressen, wo sie nachzulesen sind. Kleingruppenarbeit In Kleingruppen erarbeiten sie eine Präsentation, die folgende Elemente enthalten soll: Hinweise auf den Autor/die Autorin, Inhaltsüberblick, Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen der jeweiligen Parallelgeschichte und Eichendorffs Taugenichts und abschließende Bewertung. Besprechung in Plenum Diese Präsentationen werden anschließend im Plenum vorgeführt. Dabei werden sowohl die Inhalte aus der Erarbeitungsphase abgefragt und zugänglich gemacht als auch der Umgang mit moderner Präsentations- und Referattechnik geübt. Als Parallelgeschichten eignen sich: Homer: Odyssee Inhaltsangabe Lukas 15,11-24: Gleichnis vom verlorenen Sohn Franz Kafka: Heimkehr Max Frisch: Die Isidorgeschichte in: Stiller, Suhrkamp Taschenbuch, S. 41-45 Ingeborg Bachmann: Auch ich habe in Arkadien gelebt

  • Deutsch / Kommunikation / Lesen & Schreiben
  • Sekundarstufe II

Schlafes Bruder: Vom Roman zur literarischen Zeitung

Unterrichtseinheit

In dieser Unterrichtseinheit zu "Schlafes Bruder" von Robert Schneider erstellen die Schülerinnen und Schüler eine literarische Zeitung zum Roman.Verbrechen und Liebe (sex and crime), Kuriositäten, Macht und Machenschaften oder Kritiken sind Stoff des Journalismus. Handlungsträchtige literarische Vorlagen lassen sich daher leicht in literarische Zeitungen um- und verwandeln. In Adaptionsprozessen kreativen Schreibens finden in der Oberstufe vielfältige Auseinandersetzungen mit dem literarischen Gegenstand statt.Der beschriebene Schreibprozess bezieht seine Impulse aus der "Leerstellendidaktik". Das Erstellen literarischer Zeitungen verbindet die interpretatorische Aneignung des literarischen Gegenstandes mit der Einübung des journalistischen Schreibens. Die Auseinandersetzung mit der Textsorte "Roman" geht mit der Textsorte "Zeitung" in einem aktiven Prozess einher und ist somit ein Paradigma des "verbundenen Deutschunterrichts", bei dem verschiedene Inhalte des Deutschcurriculums gleichzeitig reflektiert und erarbeitet werden. Das hier vorgestellte Projekt ist im Unterricht des Autors spontan ab der 5. Stunde der Unterrichtseinheit entstanden. Hier wird es so beschrieben, wie es - nachvollziehbar - von Anfang an geplant werden kann. Die Arbeit mit der Textvorlage Keine kreative Textarbeit ohne Kenntnis der Romanvorlage. Die Organisation der kreativen Textarbeit Arbeitsteilig werden frei gewählte Schwerpunkte erarbeitet. Zum Umgang mit der Technik Die inhaltliche Auseinandersetzung ist wichtiger als technisches Spezialwissen. Fazit: Bilanz positiv Die Zeitungstexte und das Gesamtprodukt können sich sehen lassen. Fachkompetenz Die Schülerinnen und Schüler charakterisieren die literarischen Figuren. finden relevante Themen im Sinne der Leerstellendidaktik. bearbeiten selbstständig im Team ein gewähltes Thema textnah und zugleich kreativ. setzen sich mit der Vielfalt journalistischer Textsorten auseinander und setzen sie in eigenen Texten um. nehmen die dem journalistischen Berichtstil geschuldete Perspektivität ein, setzen sie um und wenden den Lead-Stil an. Medienkompetenz Die Schülerinnen und Schüler arbeiten und gestalten im Zeitungs-Layout-Programm MS-Publisher. setzen die Prinzipien des zeitungstypischen Satzspiegels (zum Beispiel Kamine, Zeilendurchschuss, Schusterjunge, Hurenkind) um beziehungsweise vermeiden sie. wandeln eine Print-Zeitung sachgerecht in eine Online-Zeitung um. Literarische Vorlage und Lesetagebuch Zunächst liest die Klasse die Ganzschrift selbstständig. Alle Schülerinnen und Schüler verfassen während der Lektüre ein Lesetagebuch. Zu einem festgesetzten Termin steht dann eine Lesekontrolle an. In der ersten Stunde der Unterrichtsreihe wird im Gespräch die Exposition des Romans geklärt. Dabei bekommen die Schülerinnen und Schüler eine Orientierung über die Personen/Charaktere des Romans, über Zeit und Ort, Themen und Konflikte sowie über die Erzählperspektive. Die Leerstellen-Methode Um die Phantasie der Klasse anzuregen, wiederholt die Lehrkraft anschließend die Funktion der "Leerstellen-Methode". Wegen des starken Stellenwertes des "kreativen Schreibens" in der Deutsch-Didaktik und den Bildungsplänen dürfte die Leerstellenmethode inzwischen jedoch einer Großzahl von Jugendlichen bekannt sein. Danach sammelt die Klasse Themen zur Einzel- und Gruppenarbeit. Die vorgeschlagenen Themen werden von der Lehrkraft überarbeitet und als Plakat im Klassenzimmer ausgehängt. Selbstverständlich befinden sich unter den Vorschlägen auch zahlreiche Ideen der Lehrkraft, die das Bewusstsein der Schülerinnen und Schüler, die in ihrer Phantasie häufig doch sehr am Geschehen haften, für weitere Bereiche öffnen. Die Geburt als Thema in der Literatur findet sich beispielsweise auch bei Goethe (Dichtung und Wahrheit) oder Grass (Die Blechtrommel). Vom Lesetagebuch zur Zeitung Manche Schülerinnen und Schüler entdecken, dass eigene Beiträge aus dem Lesetagebuch sich als Entwurf für einen Zeitungsartikel durchaus eignen. Die Lehrkraft weist darauf hin, dass die Textvorschläge journalistische Eignung haben müssen. Immanent wird dabei das Wissen aus der Unterrichtsreihe "Zeitung" wiederholt (in den Gymnasien Baden-Württembergs ist sie in Klasse 10 vorgesehen). Ein im Unterrichtsraum ausgehängtes Plakat zeigt die Vielfalt journalistischer Artikelformen. Arbeitsplanung mit Plakat Die Schülerinnen und Schüler tragen sich nach Interesse für die zu bearbeitenden Aufgaben in das Planungsplakat ein. Bis zur nächsten Stunde verbleiben mehrere Tage, in denen sie Entwürfe für die Kreativarbeit schreiben können. Sie nutzen diese Zeit auch zur Markierung der Textstellen im Buch, die Thema betreffen. Ab diesem Zeitpunkt findet der Unterricht dann im Multimediaraum statt. Arbeitsteilung fördert Kooperation Während der selbsttätigen Arbeit der Klasse bewährt und entwickelt sich die Kooperationsfähigkeit der Jugendlichen. Hier - wie in anderen Projekten - bewährt sich die zu Schuljahresbeginn etablierte ABC-Gruppenstruktur. Dabei hat sich die Klasse/der Kurs in dauerhafte Dreiergruppen eingeteilt. Diese bilden bei der Zeitungsarbeit in Redaktion und Layout sogenannte Filialredaktionen. Die Lehrkraft nimmt die Rolle des Chefredakteurs ein und kann mit den von den Filialredaktionen selbst bestimmten Ressort-Chefs jederzeit Kurzbesprechungen zur Planung durchführen, während die beiden anderen Redakteure in der Gruppe weiter arbeiten. Koordinationsaufgaben der Lehrkraft Die Kunst der Lehrkraft besteht wie bei allen Formen des offenen Unterrichts und Projektunterrichts darin, in behutsamer Moderation besonders befähigte Kursmitglieder in die Assistentenrolle zu bringen, die Balance zu halten zwischen Ermutigung zu Kreativität und Eigentätigkeit und dem Abblocken von Energien, die über das Ziel hinausschießen. Sie muss das Zeitmanagement betreiben und dafür sorgen, dass die Teammitglieder gegen Ende der Stunde sich selbst Hausaufgaben stellen, die die Weiterarbeit in der folgenden Stunde gewährleisten. Wichtig ist vor allem, dass die Lehrkraft in der Begleitung der Textproduktion stets die Textnähe anmahnt. Schließlich sollen die Artikel - in journalistischem Gewand - einen individuellen Interpretationsbeitrag zum Roman darstellen. Da über die Zeitungsarbeit hinaus kein traditioneller Unterricht stattfindet, achtet die Lehrkraft darauf, dass die produzierten Zeitungsartikel in der Summe eine adäquate Deutung des Romans darstellen. Optimierung im Arbeitsprozess Ein ständiges Zwischenspeichern ermöglicht es der Projektleitung, den Fortschritt des Projektes stets zu beobachten. Die Klasse kann sich besonders gelungene Teilergebnisse via Beamer-Projektion vorführen lassen. Die elektronisch vorgenommene Korrektur, die die Lehrkraft von Zeit zu Zeit in die Schülerbeiträge setzt, regen diese zur Überarbeitung an und ermöglichen ein schnelles Erreichen der "Druckreife". Die Realisierung des Projekts in nur acht Stunden Computerarbeit ist außerdem nur möglich, wenn die Schülerinnen und Schüler ihre Texte zu Hause bereits digitalisieren und auf Diskette mit in die Schule bringen. Alternativ wäre es bei einer geübten Gruppe möglich, dass die Texte für die Online-Zeitung gleich in den Editor getippt werden. Publisher-Programm als Mittel zum Zweck Zeitungen erstellt man am Computer sinnvollerweise mit Zeitungs-Layout-Programmen. Das Projekt "Schlafes Bruder" wurde mit dem im Schulnetz installierten Programm Microsoft Publisher 2002 realisiert. Zeitsparend erfolgt die Produktion, wenn die "Autorinnen" und "Autoren" ihre Beiträge im Windows-Editor schlicht und ohne jede Formatierung eingeben. So können Layout-Redakteure fortlaufend die Zeitung durch Drag-and-Drop zusammenbauen. Dabei montieren sie Texte und Bilder in eine Formatvorlage. Beim vorliegenden Projekt lag der Schwerpunkt auf der inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem Roman, nicht auf der Ausbildung von IT-Kompetenzen. Deshalb stellte die Lehrkraft die Formatvorlage zur Verfügung. Diese erinnert im Erscheinungsbild stark an andere Zeitungen, die unter Leitung des Autors entstanden sind (zum Beispiel zu Schillers "Die Räuber", zu Hauptmanns "Die Ratten" sowie an historische Zeitungen zur Französischen und 1848-er Revolution.) In der Schule wächst damit eine Publikationsreihe: ein Stück Schulkultur. Arbeit mit Formatvorlagen Die Formatvorlage hat auch eine didaktische Funktion. In die Platzhalterrahmen für die zu montierenden Artikel schreibt die Lehrkraft technische Hinweise zur Bedienung des Programms, die die Schülerinnen und Schüler nach der Umsetzung löschen. Auf diese Weise ist es möglich, die Klasse auch in ihnen fremden Anwendungen arbeiten zu lassen, ohne viel Zeit mit frontalen Erklärungen zu verlieren. Bei anders gesetzten Schwerpunkten können die Schülerteams selbstverständlich das Layout selbst erstellen. Eine Formatvorlage evoziert ein schönes einheitliches Erscheinungsbild des fertigen Druckerzeugnisses. Wichtig ist die unformatierte Texteingabe, damit im Zeitungsprogramm nicht unnötig Umbrüche und Ähnliches wieder gelöscht werden müssen. Layoutfragen für Technikinteressierte Im produktionsorientierten Unterricht kristallisiert sich schnell eine Schülergruppe heraus, die vor allem an technischen Arbeiten interessiert ist. Im Idealfall befindet sich in dieser technischen Layout-Redaktion ein Mitglied jeder Filialredaktion. Gegen Ende des Projektes arbeitet diese technische Redaktion auch außerhalb des Unterrichts. Jede Filialredaktion hatte bis zu diesem Zeitpunkt eine Doppelseite weitgehend fertiggestellt. Die Layouter kreieren nun Zusatzseiten, um die "Überflusstexte" unterzubringen. Als Lückenfüller werden Anzeigen und Kurzmeldungen erfunden. Mehr Umfang als geplant Pflicht jeder ABC-Gruppe (= Filialredaktion) war es, eine Doppelseite zu produzieren. Da kreative Projekte im günstigen Falle häufig zu "Selbstläufern" werden, musste die Produktion der Kursmitglieder eher gestoppt werden. Aufgrund der Überflusstexte und der Beiträge des Lehrers entstanden so anstatt von zwölf geplanten schließlich 18 Seiten. Wenn man beabsichtigt, je vier Seiten auf ein gefaltetes DIN A3-Blatt zu bringen, sollte man eine Viererzahl an Seiten anstreben. Im vorliegenden Fall wurde das Problem drucktechnisch durch ein DIN A4-Blatt gelöst, das in der Zeitungsmitte eingelegt wurde. Schlussredaktion im kleinen Team Die Layoutredaktion investierte zusammen mit dem Lehrer für die Schlussredaktion einen Ferientag. Circa zehn Prozent der Endredaktionsarbeit übernahm der Leiter selbst. Zwei Beispiele für fertige Zeitungsseiten finden Sie als JPG-Dateien im folgenden Download. Von der Print- zur Online-Ausgabe Nach Druck und Verkauf der Zeitung in der Schulöffentlichkeit und entsprechend positiver Resonanz ließ sich ein kleines Schülerteam dazu anregen, die Zeitung einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen. So entstand "Schlafes Bruder online". Nach den Prinzipien der bekannten Online-Zeitungen wurde der Spalten-Satzspiegel durch den einspaltigen Textfluss ersetzt. Vielfältige Navigationsmöglichkeiten sollten ein "Blättern" in der Zeitung erleichtern und dabei immer wieder auch im Kleinformat das Faksimile der Printausgabe zeigen, um so zur Bestellung anzuregen, von der in der Folge reichlich Gebrauch gemacht wurde. Die computertechnisch umständliche und aufwändige Online-Seite mit Spaltensatz, die die Print-Ausgabe 1:1 abbildet, wurde nach Herstellung der Titelseite beendet. Schließlich sind sind so genannte "E-Papers" inzwischen auch bei Online-Tageszeitungen üblich. Die Umwandlung in die Online-Ausgabe war aus dem Unterricht herausgelöst worden und erfolgte in einem kleinen Team aus drei Kursmitgliedern und dem Lehrer. Qualitativ gute Beiträge Die Schülerbeiträge waren von hoher Authentizität und Qualität. Fast alle Schülerteams änderten die gewählte Aufgabenstellung ab und erweiterten sie, ein Effekt, der durchaus intendiert war. Besonders befriedigend ist es für Literaturfreunde, dass fast alle Kursmitglieder die Textnähe gewahrt und durch - in dieser Stillage natürlich nicht gekennzeichnete - Zitate den Romantext mit geschickten Implantaten selbst zum Sprechen gebracht haben. Wie bei solchen Projekten üblich, wurde der Schülerbeitrag anstelle einer Klausur gewertet. Dabei konnten über den Schüler-Text und die in ihm liegende Interpretationskompetenz auch Team- und IT-Fähigkeiten in die Bewertung eingehen. Nicht nur für die Schule ... Wie stets im produktorientierten Unterrichtsprojekt besticht das auch äußerlich "schöne" Endprodukt diejenigen, die es herstellen, aber auch die, die es kaufen - was bei dem produzierenden Kurs natürlich Stolz und Befriedigung auslöste. Um den Schülerinnen und Schülern dieses Gefühl des Wichtigseins und des Gebrauchtwerdens zu ermöglichen, versucht der Autor immer wieder Schüler-Produkte hin zur Marktreife zu begleiten: Die Online-Ausgabe der Zeitung "Schlafes Bruder" ist der Hebel, über den die Zeitung nun seit zweieinhalb Jahren weltweit vertrieben wird. Ideen sind übertragbar Die im Projekt "Literarische Zeitung zu 'Schlafes Bruder'" gesammelten positiven Erfahrungen sind ohne Weiteres auf andere Ganzschriften übertragbar. Der methodische Weg kann übernommen werden. Besonders geeignet sind literarische Werke, deren Anteil an äußerer Handlung gewichtig ist, weil Jugendliche den Zugang zum journalistischen Schreiben schneller über die "Story" finden. Aber selbst ein Briefroman wie der "Werther" ließe sich bei entsprechenden Einführung und Motivation auf diese Weise bearbeiten. Texterschließung auf dem Wege kreativen Leerstellen-Füllens evoziert jedenfalls eine intensive Textaneignung im Sinne der subjektiven Lesedidaktik.

  • Deutsch / Kommunikation / Lesen & Schreiben
  • Sekundarstufe II, Sekundarstufe I
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