Die rechte Musikszene: Thema im Unterricht
Unterrichtseinheit
"Musik von Rechts“ ist nach wie vor die Einstiegsdroge Nummer 1 in die rechte Gewaltszene. Der fachdidaktische Artikel liefert Hintergrundinformationen, denn Rechtsrock sollte im Musikunterricht durchaus ein Thema sein.Ende 2003 gab es in Deutschland nach Angaben des Verfassungsschutzes 169 rechtsextremistische Organisationen und Gruppen. Damit ging ihre Zahl im Vergleich zum Vorjahr um acht Prozent zurück. Dennoch sind rechtsextreme Bands und Organisationen weiter sehr aktiv - auch im Internet. Mit Hintergrundinformationen zur Szene, zur Bedeutung ihrer Musik und zu den Vertriebswegen will dieser Artikel Lehrerinnen und Lehrern die Behandlung des Themas im Unterricht erleichtern. Leichter Rückgang des Rechtsextremismus Rechtsrock ist schon mehrfach Gegenstand musikpädagogischer Beiträge und Diskussionen gewesen. Auch wenn der Verfassungsschutzbericht 2004 einen leichten Rückgang des rechtsextremistischen Personenpotenzials konstatiert, spielt die rechtsextremistische Skinhead-Musikszene nach wie vor eine bedeutende Rolle bei der Entstehung und Festigung von Gruppen rechtsextremistischer gewaltbereiter Jugendlicher. Rechtsrock ist nach wie vor die Einstiegsdroge Nummer 1 ins Milieu. Rechte Konzerte nehmen zu Rechtsrock-Bands sind keine Randerscheinung. Die Zahl der Konzerte ist seit Jahren erstmals wieder gestiegen, was sich durch einen vermehrten Rückzug der Szene in privat genutzte Räumlichkeiten erklärt. Nach Angaben der Verfassungsschützer existieren circa 90 Faschobands und 50 Labels in Deutschland. Der Versandhandel über das Internet und mehr als 30 Läden blüht, ebenso der Vertrieb von Fanzines. Rund 1.000 deutsche rechtsextremistische Homepages sind bekannt. Die Szene ist sehr aktiv und stets im Wandel begriffen. Die Rechtsrock-Szene Die Anhänger der rechten Szene werden immer jünger. Rechtsrock als Musikform Rechtsrock lässt sich nicht auf einen einzigen Musikstil beschränken. Textmerkmale des Rechtsrock Die Analyse im Unterricht zeigt, dass Rechtsrock-Texte keinesfalls harmlos sind. Hohe Fluktuation bei Anhängern Das rechte Milieu zeichnet sich durch eine gewisse Offenheit und Durchlässigkeit aus. Zum einen gelangen Jugendliche leicht in das rechte Milieu, verlassen es aber ebenso schnell wieder. Wer jedoch schon teilweise durch die rechte Gewalt-Szene sozialisiert wurde, kommt schwerer wieder heraus. Anhänger kommen aus der Action-Szene, aber auch von den Manieristen (Angestellten-Milieu, Erlebnisgesellschaft). Arbeitslosigkeit, Konflikte mit Institutionen, niedrige Bildung können eine rechtsradikale Orientierung verstärken, doch der Anschluss an Jugendgruppen erfolgt oft situativ, weil sich beispielsweise die Freunde angeschlossen haben. Teilweise besteht hinsichtlich der völkischen Orientierung auch eine Übereinstimmung zwischen den Jugendlichen und ihren Eltern. (Baacke 2000, S. 84-105) Geringe Schulbildung, größere Anfälligkeit Eine neue Studie, bei der über 5.000 bayerische Schülerinnen und Schüler verschiedener Schulformen befragt wurden, zeigt, dass mit der Schulbildung die Gewaltakzeptanz und die rechtsextremistische Orientierung abnehmen. Eine besonders starke Affinität zu rechtsextremen Positionen und zugleich zur Gewalt gibt es bei Haupt-, Berufs- und Realschülern, wobei es sich um ein dominant männliches Phänomen handelt. Eine besondere Rolle spielen die Cliquenzugehörigkeit und die Orientierung an bestimmten Jugendkulturen. Weitere Untersuchungen belegen, dass in diesen Gruppen Fremdenfeindlichkeit, Sexismus, Ethnozentrismus, eine positive Haltung zum Nationalsozialismus, Antisemitismus und eine Ideologie der Ungleichheit vorherrschen. Zwar sind die ermittelten Werte insgesamt relativ gering, doch durchaus signifikant und deshalb auch beachtenswert. (Fuchs u.a. 2002) Vielschichtige Motive Die Gründe für den Einstieg in die rechte Szene sind vielschichtig. Im Osten zählen dazu etwa die Schließung von Freizeittreffs. Die sozialen Lebensräume, die Arbeitslosigkeit oder der Alltag in der Schule werden als sinnlos empfunden. Bei Ungerechtigkeit (Ausländer und Fremde werden vermeintlich vom Staat bevorzugt), Ausgrenzung und Benachteiligung oder immer dann, wenn akzeptierte Werte wie Erfolg, Lebensfreude oder Selbstverwirklichung nicht erreichbar scheinen, wird der Rechtsextremismus als neuer Weg und neue Symbolwelt angesehen. (Baacke 2000, S. 97f) Musik als Mittel der Abgrenzung Begünstigt wird diese Entwicklung durch die veränderte Musikszene und die Einstellung zur Musik von Jugendlichen und Erwachsenen seit den 90er Jahren. Die Rock-/Popmusik in Deutschland ist in die gesellschaftliche Mitte gerückt. War diese Musik früher ein Mittel der Abgrenzung der Jugendlichen von den Erwachsenen, ist sie heute auch immer mehr die Musik der Erwachsenen und des etablierten Kulturbetriebes. Sogar Politiker nutzen Popmusik zum Aufpolieren ihres Images, wenn beispielsweise auf der Expo 2000 der deutsche Bundeskanzler zusammen mit den Scorpions auftritt. Extreme Pessimisten vertreten die Auffassung, dass ein Protest der Jugend gegen die Eltern über die "normale" Pop-/Rockmusik nicht mehr möglich sei, da die Eltern ja bereits mit dieser Musik - wenngleich auch mit anderen Gruppen - aufgewachsen sind. Als Ausweg bliebe nur noch der Rechtsrock, da dieser allgemein ein Negativimage hat. Motivation für die Musik Die Fans der Musik bilden sich nach Klaus Farin (Archiv der Jugendkulturen, S. 96f.) aus drei verschiedenen Motivationssträngen heraus: Ein Teil der Fans hört diese Musik aus ideologischer Übereinstimmung. Rechtsextreme und junge Rassisten lassen sich durch nazistische und rassistische Musik emotional wie ideologisch aufrüsten und in ihrer politischen Identität bestätigen. Für sie ist Rechtsrock der Sound zum Rassenkrieg. Ein kleiner Teil ist vorwiegend oder sogar ausschließlich an der Musik interessiert, nicht an den Inhalten. Ein weiterer Teil der Fans interessiert sich zwar für die Texte, ist aber selbst nicht unbedingt klar rechtsextrem orientiert. Wie stellt sich die Musik des Rechtsrocks heute dar? Über lange Zeit war Rechtsrock auf die Skinhead-Szene beschränkt - wenngleich nur ein Teil der Skinheads rechtsradikal ist - und Oi-Musik der Inbegriff der Szenemusik. Heute zeichnet sich ein wesentlich vielschichtigeres Bild ab. Die rechtsextremen Organisationen versuchen immer mehr, die musikalischen Abgrenzungen aufzuheben und infiltrieren möglichst viele Arten von Musik und Jugendkulturen. Das Spektrum reicht von Skinhead-Bands (Kraftschlag, Noie Werte), NS-Black-Metal (Burzum, Möbus von Absurd), Techno-Musik (etwa in Gabba), HipHop (MC Danana, Ronald Mac Donald), Hatecore als rechter Ableger von Hardcore (Wandteufel), volkstümlicher Musik (Zillertaler Türkenjäger), bis zu klassischer Bardenmusik (Annette, Rennicke), die gleichsam aus der Mitte der Gesellschaft kommt, oder der Gothic-Szene, die sich so sehr auf ihre Romantik in Schwarz beruft, und im Neofolk (Death in June) eine rechte Ausprägung erfahren hat. (Funk-Hennigs 1994; Baacke 2000; Archiv der Jugendkulturen 2001; Dornbusch 2002; im Internet: Informations- und Dokumentationszentrum für Antirassismusarbeit in NRW ) Eminem oder Rammstein: rechts ist schick Auch der Mainstream bleibt von rechten Einflüssen nicht verschont. Die Böhsen Onkelz haben sich offiziell von ihrer rechten Vergangenheit distanziert und konnten inzwischen im Mainstream Fuß fassen. Der amerikanische Rapper Eminem macht sich auf einer rein rhetorischen Ebene über Minderheiten wie Schwule lustig. Wo die Popmusik früher gerade die Rechte von Minderheiten eingeklagt hat, ist es heute eher schick geworden, den Erfolg auf Kosten von Minderheiten aufzubauen. Ein drittes Beispiel: Die Gruppe Rammstein, die zur "neuen deutschen Härte" zu rechnen ist, zitiert in ihrem Videoclip "Stripped" rechten Bildervorrat als bloße Ästhetik. Es handelt sich um eine Montage aus Aufnahmen von Leni Riefenstahls "Olympiade"-Film. (Büsser 2003, S. 41) Musik wird politisch instrumentalisiert Es wäre allerdings voreilig, jede der oben genannten Musikrichtungen als rechtsradikal einzustufen. Vielmehr muss man davon ausgehen, dass Musik grundsätzlich unpolitisch ist. Dadurch wird sie aber anfällig für politische Vereinnahmungen. Erst der (Kon)Text macht die Musik politisch. Dadurch ist keine Musikrichtung vor dem Angriff der rechtsextremen Szene gefeit. Handel, Internet und Konzerte Der Vertrieb erfolgt über Läden (circa 30), Labels (circa 50), den Handverkauf bei Konzerten oder anderen Szeneveranstaltungen (besonders in Tschechien und Polen), den legalen Versandhandel (zum Beispiel Deutsche Stimme-Verlag, Schwarze Fahne, Neue Doitsche Welle, Signal-Verlag, Thule Multimedia-Verlag, Wikingerversand, Nordversand) über das Internet (Mp3, Shopping, Radiosendungen) und natürlich den illegalen Markt. Adressen finden sich in einschlägigen Fanzines (zum Beispiel Blood & Honour-Magazin, Landser, Foier Frei!, Hamburger Sturm, White Supremacy, Signal, RockNORD). Vertrieb über das Ausland Restriktive staatliche Maßnahmen haben dazu geführt, dass viele Bands den Weg in den Untergrund angetreten haben. Die Produktion von CDs und anderen Fanartikeln wurde ins Ausland verlagert, oftmals auf verschiedene Firmen verteilt, so dass sich diese im Einzelnen oft gar nicht bewusst sind, was sie vertreiben. Besonders die nordischen und östlichen Länder werden hierbei bevorzugt. (Baacke 2000, S. 160-172) Die Texte des Rechtsrock sind geprägt durch ein Weltbild, in dem die Gewalt als konstitutives Spaß- und Erlebnismoment beschrieben wird. Deutschland wird ebenso wie die weiße Rasse verherrlicht ("White-Power"-Ideologie) und soll gegen verschiedene Feindbilder verteidigt werden. Neben einem archaischen Germanenkult zeigen viele Texte einen deutlichen Antisemitismus. Bei einer eingehenden, vergleichenden Analyse lassen sich allgemeine Merkmale herausarbeiten (Textauszüge gibt es beispielsweise in den Publikationen des Verfassungsschutzes oder anderer offizieller Stellen). National(sozialistisch)e Sturmtruppen fungieren als eine Art SA der Neuzeit. "Treue" und "Ehre" gelten als oberste Tugenden. Die deutsche Wehrmacht wird verherrlicht und beschönigt. Zur Rechtfertigung der eigenen Gewalttaten werden die Opfer angeführt, Verursacher sind nicht etwa die Täter. Der Tod wird mit apodiktischen Wendungen und Zeitadverbien beschrieben ("bis zum Schluss", "niemals", "ewig" …). Wegen härterer Repressionen greifen die Texte auf ältere Helden aus dem Kelten- und Germanenkult zurück ("Odins Krieger"). Frauen gibt es nur als Beiwerk oder Objekt unter der Parole "Ausländer nehmen uns unsere deutschen Frauen weg". "Emanzen" sind Feindbilder. Weibliche Skinheads werden in der Szene "Renees" genannt. Bier und Alkohol werden in der Szene kultisch gefeiert. Gegenüber anderen Drogen nimmt die rechte Szene jedoch eine ablehnende, fundamentalistische Haltung ein. Oberstes Feindbild sind Ausländer. Neben Asylanten und Schwarzen werden auch Einwanderer oder Juden zu ihnen gezählt. Rassistische Überfremdungsfantasien, Ängste und Neidgefühle sind Ursprung dieser Haltung. Die Texte verbreiten Thesen wie "Ausländer sind kriminell, bedrohen unsere Frauen, leben vom Staat auf unsere Kosten, nehmen uns Arbeitsplätze weg." Linke werden mit negativen Naturmetaphern (Affe, Gorilla, "Kommischweine" und so weiter) beschrieben. Zum feindlichen linken Spektrum zählen Antifas, Autonome, Punks und Hippies. Rechtsextremisten sind zwar für einen starken Staat, aber gegen eine Zensur und die vermeintliche Ungleichbehandlung zwischen linker und rechter Szene. Auch engagierte Christen zählen zu den Feindbildern. (Vergleiche Archiv der Jugendkulturen 2001, S. 36ff.) Verbote werden geschickt umgangen Um den staatlichen Verboten zu entgehen, werden Juristen angeheuert, die die Texte überprüfen und an die Grenzen der Legitimität führen. Barden wie etwa Frank Rennicke müssen die politischen Botschaften oftmals gar nicht aussprechen, denn zum einen singt das Publikum die Texte - damit ist die Band für die Polizei nicht greifbar - zum anderen genügen Anspielungen wie etwa "Rasse ist klasse", wobei als Pointe am Schluss des Songs der deutsche Schäferhund genannt wird. Jedem ist aber die eindeutige rechtsextreme Aussage klar. Archiv der Jugendkulturen (Hg.): Reaktionäre Rebellen. Rechtsextreme Musik in Deutschland, Berlin 2001. Baacke, Dieter / Farin, Klaus / Lauffer, Jürgen (Hg.): Rock von Rechts II. Milieus, Hintergründe und Materialien, Berlin 2000. Büsser, Martin: Vom Protestsong zum Rechtsrock. Der politische Bedeutungswandel in der Popkultur; in: nmz 3/2003. Dornbusch, Christian/Raabe, Jan (Hg.): RechtsRock. Bestandsaufnahme und Gegenstrategien, Münster 2002. Fuchs, Marek / Lamnek, Siegfried / Wiederer, Ralf: Querschläger. Jugendliche zwischen rechter Ideologie und Gewalt, Opladen 2003. (Bei dieser aktuellen Untersuchung wurden über 5.000 bayerische Schülerinnen und Schüler verschiedener Schularten aus den Jahrgangsstufen 8 bis 13 befragt.) Funk-Hennigs, Erika: Über die Rolle der Musik in der Alltagskultur der Skinheads; in: Beiträge zur Popularmusikforschung 13 (Hg. Helmut Rösing), Karben 1994, S. 46-78. Terhag, Jürgen: Rechtsradikale Jugendkulturen - Ein heikles Thema für den Musikunterricht; in: Musik in der Schule 2/2001, S. 4-9.
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Politik / WiSo / SoWi / Musik
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Sekundarstufe I