Respekt oder nicht: Gangsta-Rap
Unterrichtseinheit
Deutschsprachiger Rap ist bei vielen Jugendlichen populär. Nicht selten sind die Texte menschenverachtend, werden aber trotzdem auf Schulhöfen per Handy und MP3-Player gehört und verbreitet. In dieser Unterrichtseinheit soll das Genre kritisch in den Blick genommen werden, um Wirkungsmechanismen aufzudecken und eine hinterfragende Haltung zu fördern. Einige Songs werden von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien als bedenklich eingeschätzt, die Texte sind oftmals sexistisch, schwulen- oder lesbenfeindlich, gewalt- und drogenverherrlichend. Die Inhalte werden umso problematischer, wenn die Künstler selbst als Vorbilder verehrt werden. Darum liegt ein Fokus der Unterrichtseinheit darauf, diese Leitfiguren als virtuelle Personen begreiflich zu machen, um so ihre Wirkung zu relativieren. Eine beispielhafte Analyse eines menschenverachtenden Songtextes hilft, Wirkungsmechanismen aufzuzeigen und die Schülerinnen und Schüler für den Umgang mit diskriminierender Sprache zu sensibilisieren. Fachbezug Deutsch Im Sinne der Forderungen des Kerncurriculums Deutsch der Haupt? und Realschule erweitern die Schülerinnen und Schüler in dieser Unterrichtseinheit ihre Medienkompetenz, indem sie sich kritisch mit Medienprodukten auseinandersetzen. Wie für die Schuljahrgänge 7 bis 10 der Hauptschule vorgesehen, nutzen sie zudem untersuchende Verfahren bei der Deutung von Texten. Im Sinne der Forderungen für die Jahrgänge 7 und 8 der Realschule üben sich die Lernenden in Textarbeit, indem sie Texte interpretieren und Deutungen literarischer Texte mit passenden Textstellen belegen. Fachbezug Religion Im Sinne der Forderungen des Kerncurriculums evangelische Religion der Haupt? und Realschule trainieren die Schülerinnen und Schüler in dieser Unterrichtseinheit ihre Dialogkompetenz, indem sie Kriterien für einen respektvollen Umgang mit dem Gegenüber erarbeiten. Dies entspricht ebenfalls den Forderungen des Kerncurriculums katholische Religion. Darüber hinaus setzen sich die Lernenden - wie speziell für die Jahrgangsstufen 7 und 8 gefordert - mit den Themen Toleranz und Respekt auseinander. Fachbezug Werte und Normen Im Sinne des Kerncurriculums Werte und Normen der Haupt? und Realschule wird in der Unterrichtseinheit das für die Schuljahrgänge 7 und 8 vorgeschriebene Leitthema "Menschenrechte und Menschenwürde" aus dem inhaltlichen Kompetenzbereich "Fragen nach der Wirklichkeit" aufgegriffen. Entsprechend lassen sich die Inhalte der Unterrichtseinheit in das für die Schuljahrgänge 9 und 10 geforderte Leitthema "Ethische Grundlagen für Konfliktlösungen" aus dem inhaltlichen Kompetenzbereich "Fragen nach Moral und Ethik" einordnen. Ablauf der Unterrichtseinheit Einstieg Die Lernenden werden auf das Thema "Battle-Rap" mit einem Brainstorming eingestimmt und beschäftigen sich mit der Geschichte des Hip-Hop. Erarbeitungsphase I und Vertiefung In dieser Phase setzen sich die Lernenden mit der Frage auseinander, weshalb verbale Schläge im alltäglichen Miteinander keine Berechtigung haben. Erarbeitungsphase II und III Die Schülerinnen und Schüler analysieren einen Songtext, der exemplarische Elemente des Battle-Rap enthält, und setzen sich kritisch mit diesem auseinander. Vertiefung und Schluss Zum Abschluss der Unterrichtseinheit stellen die Lernenden einen Bezug zu ihrer eigenen Lebenswelt her und hinterfragen die Anziehungskraft des Battle-Rap auf Jugendliche. Die Schülerinnen und Schüler können ihre Medienkompetenz erweitern, indem sie sich kritisch mit Medienprodukten auseinandersetzen. sich in der Deutung literarischer Texte üben. ihre Dialogkompetenz fördern. sich mit den Themen Toleranz und Respekt auseinandersetzen. sich kritisch mit Werten und Normen befassen. Der Einstieg in diese Unterrichtseinheit erfolgt über ein Brainstorming zum Hip-Hop. Dies soll die Schülerinnen und Schüler zum Thema der Stunde hinführen. Da die Hip-Hop-Kultur die Jugendlichen vermutlich anspricht, ist eine Vielzahl von Assoziationen zu erwarten, zum Beispiel: Rap, rappen, Rapper, Gangsta-Rap, Battle-Rap, Break-Dance, Graffiti, New York, Ghetto, Bushido, Eminem, lässig, Baggy-Shorts, Caps, Goldketten, dissen. Die Geschichte des Hip-Hop In dieser ersten Erarbeitungsphase erhalten die Schülerinnen und Schüler Informationen über die Geschichte des Hip-Hop und sollen sich vor allem über die Besonderheiten des Battle-Rap in Abgrenzung zu anderer Musik bewusst werden. Dafür bietet es sich an, dass zunächst über die Geschichte des Hip-Hop referiert wird, nach Möglichkeit mit Klangbeispielen, was entweder durch die Lehrkraft oder in Form eines zuvor vergebenen Referates durch eine Lernende beziehungsweise einen Lernenden erfolgen kann. Hörauftrag zur Präsentation Im Hinblick auf ein konzentriertes Zuhören erhalten die Jugendlichen den Hörauftrag "Notiert alles, was ihr über Battle-Rap erfahrt!". Auf Grundlage dieser Ergebnisse nennen die Schülerinnen und Schüler anschließend die Besonderheiten des Battle-Rap. Die Ergebnisse werden an der Tafel festgehalten und von den Lernenden ergänzend in ihre Aufzeichnungen übernommen. Zu erwartende Ergebnisse zu den Besonderheiten des Battle-Rap: verbales Beleidigen als Alternative zum Schlagen (Afrika Bombata) sich aufwerten, indem andere abgewertet werden gehäufte Verwendung von vulgärem, menschenverachtendem und diskriminierendem Vokabular sehr Ich-bezogen Musik als Kampf angeben mit Statussymbolen/Reichtum als Beweis für Talent Einstieg über themenspezifisches Bild Ausgehend von der Bedeutungsklärung des Begriffs "Battle" sollen die Schülerinnen und Schüler darauf eingestimmt werden, die Bezeichnung auf den Boxkampf zu übertragen. Zunächst nennen sie eigenständig Beispiele, in denen sich Menschen in den Medien mit verschiedenen Mitteln bekämpfen. Daraufhin dürfte es den Jugendlichen bei der Betrachtung eines Fotos von einem Battle-Rap leicht fallen, die gewünschte gedankliche Verknüpfung zum Boxkampf selbst herzustellen. Gegenüberstellung Battle-Rap und Boxkampf Im nächsten Schritt vergleichen die Lernenden die beiden Arten von Kämpfen, indem sie die Gemeinsamkeiten und Unterschiede in Gruppenarbeit herausstellen und diese schriftlich fixieren. Die Gegenüberstellung kann durch ein vorgefertigtes Tafelbild erleichtert werden. Das Arbeiten in Gruppen ermöglicht hierbei - anders als etwa eine Einzelarbeit - im Idealfall eine ausreichend große Wissensbasis für die Erschließung der Thematik. Es bietet sich an, die Ergebnisse auf Folie oder an der Tafel zu sichern. Voraussetzungen für einen fairen Kampf erarbeiten In dieser Phase soll den Schülerinnen und Schülern klar werden, dass sowohl das "Battlen" als auch das körperliche Schlagen in einem Boxkampf außerhalb der entsprechenden Bühnen und Rahmenbedingungen keine Berechtigung haben. Dazu bietet es sich an, die Lernenden zunächst selbst erkennen zu lassen, dass ein Boxer außerhalb des Rings nicht versuchen würde, sich mit Schlägen durchzusetzen. Unterstützend kann hierfür das Bild eines Boxers in einer Schlange beim Bäcker oder in einer hitzigen Diskussion mit Freunden herangezogen werden. Es ist wichtig, dass die Jugendlichen ihre Einschätzung diesbezüglich auch begründen. Mögliche Begründungen könnten sein: Die äußeren Rahmenbedingungen als Voraussetzung für einen fairen Kampf sind nicht mehr gegeben: Außerhalb des Rings ist kein Schiedsrichter mehr da, der für die Einhaltung der Regeln sorgt. Das Gegenüber ist in den meisten Fällen vergleichsweise untrainiert und damit gegebenenfalls wehrlos. Das Motiv zum Schlagen ist nicht mehr ein sportliches, sondern ein persönliches (zum Beispiel Hass). Übertragung auf den Battle-Rap In der Folge müsste es den Schülerinnen und Schülern möglich sein, die gewonnenen Erkenntnisse auf den Battle-Rap zu übertragen. Außerhalb einer dafür vorgesehenen Bühne ist es nicht angebracht, sich mit verletzenden, menschenverachtenden oder diskriminierenden Worten durchzusetzen. Auch hier sollten Begründungen genannt werden, wobei sich diese im Wesentlichen mit den oben angeführten Punkten decken. Formulierung eines Lehrsatzes In jedem Fall sollte am Ende dieser Phase von den Lernenden ein Lehrsatz auf Grundlage der gewonnenen Ergebnisse formuliert werden: "Kein Einsatz von körperlichen und verbalen Schlägen außerhalb der dafür vorgesehenen Bühnen und Rahmenbedingungen!". Wichtig ist, dass den Schülerinnen und Schülern klar geworden ist, dass sie kein Recht haben, Menschen mit der Sprache des Battle-Rap auf dem Schulhof oder in ihrer Freizeit anzusprechen. Textauszug als Einstieg Für die Textanalyse bietet sich die zweite Strophe des Rap-Songs "Feuersturm" der bekannten Rapper Bushido und Azad an. Zunächst lesen die Schülerinnen und Schüler die Textpassage in Stillarbeit. Anschließend erhalten sie die Möglichkeit, erste Eindrücke mitzuteilen und Fragen zum Text zu stellen. Interpretation des Songtextes Im nächsten Schritt interpretieren die Schülerinnen und Schüler in Gruppen einen von vier Abschnitten des Textes, indem sie die ihnen zugewiesenen Verse zu verstehen und zu erklären versuchen. Je nach Klassenstärke müssen einzelne Textabschnitte mehrfach vergeben werden. Die gewonnenen Ergebnisse werden von jeweils einer Gruppe pro Abschnitt auf Folie festgehalten. Präsentation und Auswertung der Ergebnisse Bei der sich anschließenden Präsentation und Besprechung der gewonnenen Ergebnisse sollten die übrigen Lernenden insofern eingebunden werden, als dass sie Ergänzungen vornehmen oder Hilfestellungen leisten können. An einigen Stellen bietet es sich darüber hinaus an, Bezüge zwischen den vier Textabschnitten aufzuzeigen beziehungsweise von den Schülerinnen und Schülern herstellen zu lassen. Im Rahmen der Besprechung ist es wichtig, dass die Lehrkraft herausstellt, dass Schwulsein im betreffenden Songtext mit Schlechtsein gleichgesetzt wird, auch wenn Homosexuelle im Text nicht direkt beleidigt werden. Die negative Konnotation schwingt bei der in Zeile 7 (vergleiche ab MS1) formulierten sexuellen Erniedrigung aber mit. Hier sollte im Zweifelsfall konkret erfragt werden, wie die entsprechende Zeile zu verstehen ist. Rückbezug auf den Battle-Rap Im Anschluss an die Textanalyse sollen die Lernenden auf ihr zuvor erworbenes Wissen zurückgreifen und herausarbeiten, welche wesentlichen Merkmale des Battle-Rap sich in dem gegebenen Beispiel wiederfinden. Darüber hinaus soll in dieser Phase deutlich werden, dass der Songschreiber nicht zur Gewalt aufruft, sondern dass vielmehr eigene Stärke mit der Beschreibung von Gewalt demonstriert werden soll. Die Erschließung der Problematik findet in Partnerarbeit statt. Die Ergebnisse werden im nächsten Schritt mündlich gesichert und von den Lernenden dabei gegebenenfalls vervollständigt. Zu erwartende Ergebnisse der Sicherung Inwieweit finden sich im Songtext Battle-Rap-Merkmale wieder? verbales Beleidigen sich aufwerten, indem andere abgewertet werden gehäufte Verwendung von vulgärem, menschenverachtendem und diskriminierendem Vokabular sehr Ich-bezogen, großspurige und selbstverherrlichende Darstellung des lyrischen Ichs Musik als Kampf Was möchte der Songtexter aussagen? kein Aufruf zur Gewalt Demonstrieren der eigenen Stärke, indem Gewalt beschrieben und ein entsprechend erniedrigender Tonfall verwendet wird Umformulierung des Textauszugs Im Anschluss bietet es sich bei verbleibender Unterrichtszeit an, eine Umformulierung des Textauszugs ins Standard-Deutsche vorzunehmen. Die Schülerinnen und Schüler können dabei erkennen, dass der Textauszug aufgrund des dürftigen Inhalts und der nicht-standardsprachlichen Ausdrücke seine Wirkung vollständig verlieren würde. Die Tabu-brechende Sprache repräsentiert in gewisser Weise auch den Inhalt, da sie den stattfindenden "Kampf" erst ausmacht. Ein Verzicht auf diese Sprache käme - um das Beispiel des Boxers noch einmal aufzugreifen - einem Boxkampf mit weichen, nicht schmerzenden Schlägen gleich. Die Anziehungskraft des Battle-Rap Zu diesem Zweck beschäftigen sich die Schülerinnen und Schüler mit der Frage, warum der Battle-Rap Jugendliche besonders anspricht. Die Lernenden machen sich dabei bewusst, dass das Image und der Habitus der Battle-Rapper aus verschiedenen Gründen anziehend wirken: Wunsch nach Selbstaufwertung Sehnsucht nach Respekt (Battle-Rapper verschaffen sich Respekt mit ihren Texten) Suche nach Ermutigungen (Prinzip "Gib anderen nicht das Recht, dich runterzuziehen" wird proklamiert) Identifikation mit erfolgreichen Rapper-Vorbildern (Gefühle der Selbstaufwertung und des Erfolgs übertragen sich auf den Zuhörer) Darstellung des Reichtums und Erfolgs ohne Verlust der eigenen Glaubwürdigkeit Vorbilder werden geschaffen, die zumindest scheinbar - trotz fehlender Bildung und insgesamt schlechter Voraussetzungen - Erfolg haben "Ghetto-Romantik" als eine salonfähig gemachte Lebensalternative unmoralisches oder verantwortungsloses Verhalten wird entschuldigt, toleriert und aufgewertet Übertragung auf andere Medienformate An dieser Stelle bietet es sich bei verbleibender Unterrichtszeit an, weitere Beispiele aus den Medien zu sammeln, in denen sich das Prinzip "Sich aufwerten, indem andere abgewertet werden" wiederfindet. Möglicherweise nennen die Lernenden in diesem Zusammenhang erniedrigende Jurymitglieder in TV-Casting-Shows oder die Jugendlichen stellen eine Verbindung zu anderen Sportarten als dem Boxen her. Insbesondere bezüglich der Casting-Shows kann darüber diskutiert werden, warum die erniedrigenden TV-Akteure dennoch vielfach beliebt und ihre Sendungen sehr erfolgreich sind. Hier greifen in gewisser Weise dieselben Mechanismen wie beim Battle-Rap, da auch in diesen Shows die wahrgenommene Abwertung anderer zu einer gefühlten Selbstaufwertung des Zuschauers führt. Reflexion im Plenum Zum Abschluss dieser Unterrichtseinheit ist es sinnvoll, das Gelernte im Plenum zu reflektieren. Die Jugendlichen sollten sich nun darüber im Klaren sein, dass Battle-Rapper als virtuelle Persönlichkeiten zu begreifen sind, was deren Anziehungskraft und Wirkung in gewisser Weise relativieren sollte. Die Mechanismen, mit denen der Battle-Rap arbeitet, wurden den Lernenden über die Analyse des Songtextes vor Augen geführt. Herausstellen der wichtigsten Erkenntnisse Als wichtige Erkenntnis sollte nochmals klar herausgestellt werden, dass das "Dissen" und "Battlen" im kulturellen Zusammenhang der Szene sicherlich seine Berechtigung hat und als Kunstform zu respektieren ist, dass das Imitieren vor dem Hintergrund der eigenen Biografie hingegen wenig überzeugend ist und in der Alltagskommunikation, das heißt außerhalb der für diesen Zweck künstlich geschaffenen Rahmenbedingungen und entsprechenden Bühnen, als verbal attackierend empfunden werden kann, weshalb es dort nicht angebracht ist.
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Deutsch / Kommunikation / Lesen & Schreiben / Musik
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Sekundarstufe I