Platonische Körper und dichteste Kugelpackungen
Unterrichtseinheit
Ausgangspunkt der Unterrichtseinheit ist eine Kugel im Raum, aus der durch geschicktes Aufsetzen von sechs Kegelhütchen ein neuartiger Körper mit interessanten Eigenschaften entsteht. Die Konstruktion führt schließlich zu den Platonischen Körpern, der Frage nach dichtesten Kugelpackungen und Euklid, der in der Tradition von Platons Sicht der Mathematik steht.Die Unterrichtseinheit ist für begabte Schülerinnen und Schüler innerhalb eines Mathematik-Pluskurses oder einer Mathematik AG der Mittelstufe geeignet. Die verwendete POV-Ray-Software steht kostenfrei zur Verfügung. Geometrische Argumentationsaufgaben wechseln sich mit POV-Ray-Aufgaben zur Veranschaulichung der Ergebnisse ab. Der Schwierigkeitsgrad steigt von Aufgabe zu Aufgabe. Während der Arbeit an den POV-Ray-Konstruktionen ist eine Internetverbindung hilfreich, da die Schülerinnen und Schüler dann stets auf Online-Manuals zu POV-Ray zugreifen oder sich bei Problemen Hilfe über eine Suchmaschine holen können.Die Schülerinnen und Schüler müssen mit dem Satz des Thales und dem Satz des Pythagoras vertraut sein und bereits Kegel im Unterricht behandelt haben. Ausgehend von der Betrachtung einer Kugel im Raum klären sie die ersten geometrischen Überlegungen durch die Anfertigung von geeigneten Schnittbildern. Dadurch werden Probleme der räumlichen Geometrie auf elementargeometrische Fragestellungen in der Ebene reduziert. Parallel wird das kostenlose 3D-Programm POV-Ray zur Visualisierung herangezogen. Als Grundlage dafür wird die Datei "basis.pov" zur Verfügung gestellt, welche einen Hintergrund, eine geeignete Kameraperspektive und eine Lichtquelle erzeugt. Darauf aufbauend sollen die Lernenden mithilfe geeigneter POV-Ray-Funktionen ("sphere", "cone" oder "cylinder") den betrachteten Körper sukzessive zusammenbauen und darstellen. Die Datei "basis.pov" ist so vorgefertigt, dass sich schnell erste Erfolgserlebnisse einstellen. Zudem werden auch die Lösungs-Codes zur Verfügung gestellt. Themen und Verlauf der Unterrichtseinheit Die Schülerinnen und Schüler erstellen mit POV-Ray Konstruktionen zu den Themen Verpackung einer Kugel im Oktaeder, dichteste Kugelpackung und Platonische Körper. Hinweise zu einigen Teilaufgaben und Materialien Kommentare zu ausgewählten Teilaufgaben der Unterrichtseinheit Die Schülerinnen und Schüler sollen ihr räumliches Vorstellungsvermögen trainieren. erkennen, dass zur Lösung räumlicher Lageprobleme oft elementargeometrische Überlegungen in geeigneten Schnittebenen ausreichen. ein 3D-Programm (hier POV-Ray) zur grafischen Erzeugung von einfachen und zusammengesetzten Körpern erfolgreich bedienen können. anhand eines mathematikhistorischen Originaltextes einen Beweis nachvollziehen. anhand eines mathematikphilosophischen Originaltextes Einblick in eine mögliche (die platonische) Sichtweise auf die Mathematik gewinnen. durch die Recherche über eine aktuelle mathematische Problemstellung einen Eindruck von der Entwicklung mathematischen Wissens (beziehungsweise mathematischer Wahrheiten) bekommen. weitgehend eigenverantwortlich und kooperativ arbeiten. Thema Geometrie mit POV-Ray - Platonische Körper und dichteste Kugelpackungen Autor Prof. Dr. Matthias Brandl Fach Mathematik (Informatik) Zielgruppe Mathematik-Pluskurs, Mathematik AG, begabte Schülerinnen und Schüler der Mittelstufe Zeitraum mindestens 4 Stunden Technische Voraussetzungen ein Computer pro Person oder Schülergruppe, möglichst mit Internetanschluss Software POV-Ray (kostenfreier Download aus dem Internet) Filler, A., Rieper, F. 3D-Computergrafik … und die Mathematik dahinter, Verlag Jutta Pohl, Remchingen, 2007 Filler, A. Einbeziehung von Elementen der 3D-Computergrafik in den Mathematikunterricht der Sekundarstufe II im Stoffgebiet Analytische Geometrie, Habilitationsschrift , 2007 Platon Der Staat, deutsch von Rudolf Rufener, dtv München, 4. Auflage, 2004 Euclides Die Elemente: Bücher I-XIII / von Euklid, aus dem Griechischen übersetzt und herausgegeben von Clemens Thaer mit einem Vorwort von W. Trageser, Reprint, 2. Auflage - Thun; Frankfurt am Main: Deutsch, 1996 Kegel-Kugel-Kombination Der Körper entsteht durch geschicktes Aufsetzen von Kegeln auf eine Kugel. Hierdurch entstehen glatte Übergänge, so dass die paarweise Verbindung von je zwei Kegelspitzen einen neuen Körper (Oktaeder) entstehen lässt, in dem die Kegel-Kugel-Kombination "nahtlos verpackt" ist. Abb. 1 (Platzhalter bitte anklicken) zeigt die Zwischenschritte der Konstruktion mit der POV-Ray-Software (siehe Arbeitsblatt "geometrie_mit_povray.pdf"). Variation der Aufgabenstellung Eine Variation erfolgt durch die Frage nach Kugeln innerhalb beziehungsweise außerhalb des Oktaedergitters, deren Oberfläche nicht die Kanten, sondern die Seiten beziehungsweise die Ecken des Oktaeders berührt (Abb. 2). Dadurch werden erneut die räumliche Vorstellungskraft der Schülerinnen und Schüler sowie ihr Umgang mit POV-Ray trainiert. Die Frage nach einem "dichten" Ausfüllen des Oktaeder-Gitters mit sechs kleinen Kugeln führt nach der geometrischen und computergrafischen Lösung auf die mathematisch hoch aktuelle Frage nach der dichtesten Kugelpackung. Bisher gibt es nur einen Computerbeweis von Thomas C. Hales aus dem Jahr 1998, von dessen Richtigkeit man bislang aber "nur" zu 99 Prozent überzeugt ist. Man schätzt, dass die Erstellung eines rein formalen Beweises noch etwa zwanzig Jahre dauern wird. Die Schülerinnen und Schüler sollen hierzu selbstständig recherchieren, ihre Funde präsentieren und eine dieser Packungen mit POV-Ray realisieren (Abb. 3). Im Folgenden geht es weiter mit dem Oktaeder als Platonischem Körper. Die Tatsache, dass es nur fünf Platonische Körper gibt, soll anhand des Originalbeweises aus Euklids Elementen nachvollzogen werden. Schließlich beschäftigen sich die Lernenden auf einem separaten Arbeitsblatt (mathematik_bei_platon.pdf) mit einem Auszug aus Platons "Der Staat", worin sich Aufschlüsse über Platons Philosophie und insbesondere die Sicht auf die Mathematik gewinnen lassen, die erklären, warum Euklid keine Anwendungen der Mathematik in seine Elemente aufgenommen hat. Die fünf platonischen Körper Den Abschluss der Unterrichtseinheit bildet der Auftrag, sich über die Eulersche Polyederformel zu erkundigen und sie anhand der Platonischen Körper zu illustrieren. Mit POV-Ray lassen sich durch vorimplementierte Funktionen dann auch noch zügig die fünf regulären Polyeder erzeugen (Abb. 4). Förderung der "scientific literacy" Diese "Spiele" mit Kugel, Kegel und den Platonischen Körpern sollen die Schülerinnen und Schüler ermuntern, selbstständig auf weitere Entdeckungsreisen zu gehen. Insbesondere die Beschäftigung mit mathematikhistorischen und -philosophischen Originaltexten soll die Lernenden "abseits" der reinen Rechenmathematik für das Wesen dieser Wissenschaft gewinnen. Zudem ist es erstaunlich, wie leicht mathematikphilosophische Originaltexte aufgrund ihrer Prosa- beziehungsweise Dialogform verständlich sind! Teilaufgabe p: Dichteste Kugelpackung Die Aufgabe führt zu einer noch immer aktuellen mathematischen Fragestellung, die das Wesen eines mathematischen Beweises in Frage stellt. Sind Computer bei Beweisen zulässig oder nicht? In Form einer kleinen Präsentation sollen die Lernenden ihre "Funde" zum Problem der dichtesten Kugelpackung präsentieren und schließlich auch eine solche mit POV-Ray erzeugen (Abb. 5), was hohe Anforderungen an ihre geometrisch-räumliche Abstraktionsfähigkeit stellt. Allerdings wird zur Bestimmung der Kugelmittelpunkte keine höhere Mathematik, sondern im Wesentlichen nur der Satz des Pythagoras beziehungsweise die Höhe im gleichseitigen Dreieck benötigt. Die kanonische Schulmathematik reicht also völlig aus. Teilaufgabe r: Platonische Körper Ab hier weitet sich der mathematische Blickwinkel beträchtlich. Die Beschäftigung mit einem Originalbeweis von Euklid und das Studium einer Original-Textpassage aus Platons "Der Staat" führen zwar weg vom "harten Rechnen und Programmieren", tragen aber wesentlich dazu bei, das Verständnis der Lernenden von und für Mathematik auf dem Weg einer "(scientific) literacy" zu fördern. Es findet eine Verknüpfung mathematischer Abstraktionsfähigkeit und literarischer Lesefähigkeit statt. Teilaufgabe t: Eulersche Polyederformel Die Aufgabe fordert die Schülerinnen und Schüler schließlich dazu auf, sich selbstständig in einen unbekannten Sachverhalt einzuarbeiten und diesen mit dem bisher Gelernten zu verknüpfen.
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Mathematik / Rechnen & Logik / Informatik / Wirtschaftsinformatik / Computer, Internet & Co.
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Sekundarstufe I