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Meine persönliche Klimapolitik

Unterrichtseinheit

Klimaschutz findet auch im persönlichen Umfeld statt. Ist man Teil der Lösung oder Teil des Problems? Wie groß ist der eigene ökologische Fußabdruck? Und wie kann er verringert werden? Ein neurobiologischer Blick kann helfen.Im Mittelpunkt dieser Unterrichtseinheit stehen das Konzept des ökologischen Fußabdrucks sowie persönliche Handlungsoptionen. Wenn die Welt bedroht ist, wer möchte sie nicht retten? Allerdings kann nicht jeder an den globalen Klimaverhandlungen teilnehmen oder sie gar leiten. Doch auch im Alltag gibt es viele Möglichkeiten, klimafreundlich zu handeln. Online-Tools helfen bei der Berechnung des eigenen ökologischen Fußabdrucks und zeigen Einsparpotentiale. So wird transparent, wie man Teil der Lösung werden kann. Trotzdem keine Lust auf Weltretten? Lassen Sie die Schülerinnen und Schüler herausfinden, wie das Retten der Welt sogar Spaß machen kann.Ziel dieser Unterrichtseinheit ist, die Schülerinnen und Schüler dazu zu bewegen, ihren Alltag und ihre Lebensgepflogenheiten in den Bereichen Konsum, Ernährung und Mobilität zu analysieren und im Hinblick auf die Erderwärmung sowie die Knappheit der Ressourcen auf der Erde zu hinterfragen. Zur Verdeutlichung, dass jeder etwas tun kann und dass etwas zur Verlangsamung der Erderwärmung und für den Ressourcenerhalt getan werden muss, ist es hilfreich, wenn die Jugendlichen vorab etwas über den Klimawandel und seine Folgen erfahren haben. In dieser Unterrichtseinheit steht das Handeln im persönlichen Umfeld im Vordergrund. Deshalb soll zunächst anhand eines übersichtlichen und einfach zu bedienenden Fußabdruck-Tests der persönliche ökologische Fußabdruck ermittelt werden. Unabhängig von den persönlichen Daten, können anhand des Tests Einsparpotenziale im Alltag der Jugendlichen identifiziert und diskutiert werden. Darauf aufbauend werden anhand einer neurobiologischen Betrachtung verschiedene „Typen von Weltrettern“ thematisiert. Die Schülerinnen und Schüler sollen sich damit auseinandersetzen und herausfinden, welches Handlungspotenzial in Sachen Klimaschutz ihren Interessen und ihrer persönlichen Einstellung entspricht, – überspitzt ausgedrückt – welcher Typ von „Weltretter“ sie sind. Der ökologische Fußabdruck Der eigene Lebensstil bestimmt, wie viele Ressourcen man verbraucht. Scheinbar unbegrenzten Möglichkeiten stehen begrenzte Ressourcen auf unserem Planeten gegenüber. Einfach mal die Welt retten Regionale und nationale Klimaschutz-Initiativen, Umweltorganisationen, NGOs, Verbände bieten vielfältige Programme und Aktionen zur praktischen Unterstützung und zur aktiven Teilhabe. So kann man Weltretter werden a) Wer seine Überzeugung konsequent verfolgt, kann viel erreichen. Beispielhaft werden folgende Personen vorgestellt: Felix Finkbeiner, Boyan Slat und Severn Suzuki. b) Wie wird aus Wissen konkretes Handeln? Wer ist welcher Typ von Weltretter? Wen erreicht man wie? Ein neurobiologischer Blick kann helfen. Fachkompetenz Die Schülerinnen und Schüler verstehen die Konzepte des ökologischen Fußabdrucks und der biologischen Kapazität. identifizieren die wichtigsten Handlungsfelder im persönlichen Umfeld. analysieren und definieren persönliche Handlungsoptionen. entwerfen Ideen zu Zukunftsvisionen eines nachhaltigeren Umgangs mit den Ressourcen. Medienkompetenz Die Schülerinnen und Schüler bedienen ein Online-Tool zur Bestimmung des ökologischen Fußabdrucks. recherchieren und bewerten Internetquellen. Sozialkompetenz Die Schülerinnen und Schüler können nachvollziehen, welche Faktoren unsere Motivation beeinflussen. können in Partnerarbeit das eigene und das Motivationssystem des Partners erkennen. finden heraus, welche praktischen Aktivitäten ihnen besonders viel Spaß machen. Die Idee hinter dem ökologischen Fußabdruck ist folgende: zur Befriedigung unserer Bedürfnisse werden natürlich Ressourcen benötigt. Zur Bestimmung des ökologischen Fußabdrucks werden diese Ressourcen in Flächen umgerechnet. Zum Beispiel in landwirtschaftliche Flächen zur Nahrungsmittelproduktion. Oder Flächen zur Energieversorgung durch Braunkohle. Letztlich lässt sich zu allen möglichen Aktivitäten ein spezifischer Flächenverbrauch ermitteln. Dieser Flächenverbrauch hängt vom Lebensstil ab. In den Berechnungsgrundlagen stecken Unsicherheiten, sodass die ermittelten Werte nicht exakt sind. Eine Abschätzung, welche Aktivitäten den Fußabdruck besonders stark vergrößern und wo dementsprechend die größten Handlungsoptionen liegen, ist trotzdem möglich. Das Konzept des ökologischen Fußabdrucks wurde 1994 von zwei Wissenschaftlern gemeinsam entwickelt, dem Schweizer Mathis Wackernagel und dem Kanadier William Rees. Dem ökologischen Fußabdruck gegenüber steht die sogenannte biologische Kapazität. Sie ist begrenzt, denn schließlich haben wir nur diesen einen Planeten. Über eine gewisse Zeit können wir zwar „auf großem Fuß“ leben. Aber um langfristig auf dem Planeten überleben zu können, darf der ökologische Fußabdruck die biologische Kapazität nicht überschreiten. Man spricht auch von sogenannten „Planetarischen Leitplanken“. Wissenschaftler haben neun ökologische Dimensionen definiert, die für die Belastung des Ökosystems Erde besonders kritisch sind: 1. CO 2 -Konzentration in der Atmosphäre (Klimawandel) 2. Biodiversitätsverlust 3. Biogeochemische Kreisläufe (Stickstoff, Phosphor) 4. Übersäuerung der Ozeane 5. Süßwasserverbrauch 6. Landnutzung 7. Stratosphärischer Ozonabbau 8. Atmosphärische Aerosole 9. Belastung durch Chemikalien Bei vier der insgesamt neun Leitplanken wurde bereits eine Überschreitung festgestellt: Klimawandel, Biodiversitätsverlust, Landnutzung und bio-geochemische Stickstoff- und Phosphor-Kreisläufe. Bei weiteren drei Leitplanken ist die Datenlage noch nicht ausreichend, um eine Aussage zu treffen. Lediglich bei drei Leitplanken ist die Einschätzung positiv: Ozeanversauerung, Süßwasserverbrauch und Ozonabbau. So ist beispielsweise bemerkenswert, dass der Abbau des Ozons in der Stratosphäre inzwischen kein Problem mehr darstellt. Die Konzentration nimmt wieder zu, so dass bei gleichbleibender Entwicklung das Ozonloch in wenigen Jahrzehnten wieder geschlossen sein wird. (Wichtige Unterscheidung: während Ozon in der Stratosphäre wichtig ist für die Abschirmung von schädlicher UV-Strahlung, ist das bodennahe Ozon, das im Sommer durch Abgase entstehen kann, für unsere Atemwege schädlich!) Die Initiative „Brot für die Welt“ stellt im Internet einen einfach zu bedienenden und übersichtlichen Fußabdrucktest zur Verfügung. Er unterteilt sich in die Bereiche Wohnen, Ernährung, Mobilität und Konsum. Das Ausfüllen der Fragen kann man in 5 bis 10 Minuten schaffen, da wenig Konkretes sondern hauptsächlich Ein- und Abschätzungen abgefragt werden. Neben Zwischenergebnissen zu einzelnen Alltagsbereichen erscheint am Ende des Tests der individuelle ökologische Fußabdruck und die Bewertung im Vergleich zum deutschen Durchschnitt, den Durchschnittswerten weltweit sowie der prognostizierten Ressourcenverfügbarkeit. Die Seite gibt anschließend Tipps, wie man mit kleinen Schritten und Kompromissen in seinem Alltag nachhaltiger leben könnte. Man kann sich auch registrieren, um sein Ergebnis abzuspeichern oder sich ein persönliches Ziel zu setzen. Angesichts der Vielfalt an Handlungsoptionen kann man durchaus das Gefühl bekommen, wie ein Ochs vor dem Berg zu stehen. Deshalb ist es hilfreich, sich zu vergegenwärtigen, dass man in sehr kleinen Schritten starten kann. Der Weg ist das Ziel! Auch Felix Finkbeiner fing mit einem einzigen Baum an! Felix Finkbeiner – mit 9 Jahren pflanzte er den ersten Baum Bäume binden CO 2 . Wenn nur genügend Bäume gepflanzt würden, könnte der Klimawandel zumindest abgemildert werden, so Finkbeiners Überzeugung. Also fing er vor sieben Jahren mit einem Baum vor seiner Schule an. Dass seine Initiative eine solche Dynamik entwickeln würde, hat ihn selbst überrascht. Nach kurzer Zeit gründete er die Organisation Plant for the planet . Inzwischen wurden bereits über 14 Milliarden Bäume gepflanzt. Boyan Slat will die Weltmeere von Plastikmüll befreien Der Student Boyan Slat hat sich eine Konstruktion überlegt, die mithilfe der Meeresströmungen große Mengen an Plastikmüll aus dem Meer fischen kann. Eine Machbarkeitsstudie hat dem Projekt realistische Erfolgschancen bestätigt. Im Jahr 2016 soll ein Prototyp in den Gewässern südlich von Japan installiert und getestet werden. Severn Suzuki – The girl who silenced the world for 5 minutes 1992 spricht die damals 12-jährige Umweltaktivistin auf der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro. In beeindruckender Weise ermahnt sie die anwesenden Delegierten, ihren Worten auch Taten folgen zu lassen. Für die Kinder und alle nachkommenden Generationen. Man müsste mal… Es ist ein weit verbreitetes Muster: Man müsste mal dieses tun, man müsste mal jenes tun. Die guten Vorsätze zum Jahreswechsel werden nur allzu oft nicht umgesetzt. Es scheint menschlich zu sein, dass zwischen dem Bewusstsein, was zu tun ist, und dem konkreten Handeln eine Lücke klafft. Die Gründe hierfür sind vielfältig. Muss das wirklich sein? "Ich soll was tun? Muss das denn sein?" Anders gesagt: „Ist das relevant für mich?“ Hier ein Beispiel für einen direkten Zusammenhang zwischen Relevanz und Handeln: Wenn mein Körper mir sagt, dass ich Durst habe, dann besorge ich mir etwas zu trinken. Und wenn mein Körper müde ist, gehe ich ins Bett. Beim Umweltschutz ist das in der Regel nicht so unmittelbar. Viele Veränderungen in der Umwelt vollziehen sich schleichend (Beispiel: Anstieg des Meeresspiegels). Oder sie lassen sich nicht unmittelbar den veränderten Umweltbedingungen zuordnen (Beispiel: Extremwetterereignisse, die gab es früher auch, nur sind sie inzwischen häufiger und heftiger.) Die Allmende-Klemme Wenn ich meine CO 2 -Emissionen verringere, weil ich eine Reise mit der Bahn mache statt mit dem Flugzeug, sind die positiven Auswirkungen auf die Umwelt für mich zunächst nicht erkennbar. Dieses Phänomen wird in der Psychologie Allmende-Klemme genannt. Teil des Problems oder Teil der Lösung? Erst wenn sehr viele so handeln, kann eine Auswirkung festgestellt werden. Und das ist der Punkt: Es braucht viele Akteure. Nur wenn ich aktiv werde, kann ich Teil einer großen Bewegung sein. Deshalb ist das Handeln jedes Einzelnen relevant und wichtig! Die Welt retten muss auch Spaß machen Unstrittig ist, dass jeder Mensch am liebsten das tut, was ihm Spaß macht. Und was Spaß macht, hat mit Gefühlen zu tun. Hier kommt das limbische System im Gehirn zum Tragen. Es reichert die Informationsverarbeitung im Gehirn mit Gefühlen an. Und das funktioniert immer noch nach den Prinzipien, die auch den Steinzeitmenschen das Überleben sicherten. Diese Gefühlswelt basiert auf drei „Emotionssystemen“, die bei allen Menschen vorhanden sind und die Informationen bewerten: Stimulanz: Kann ich hier etwas Neues entdecken? Ist das spannend für mich? Dominanz: Werde ich hier gefordert? Kann ich für mich und meine Ziele kämpfen? Kann ich gewinnen? Balance: Passt das zu mir? Fühle ich mich damit verbunden? Bietet mir das Sicherheit? Die Ausprägung dieser drei Emotionssysteme ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Und sie hängt zusätzlich vom Kontext ab. In einer Situation mag der Bereich Dominanz überwiegen, in einer anderen Situation der Bereich Stimulanz. Je nach Ausprägung der Emotionssysteme lassen sich verschiedene Menschentypen bestimmen, die in unterschiedlichen Wertewelten leben und sich dementsprechend unterschiedlich motivieren lassen: Die Neugierigen Die Performer Die Harmonisierer Die Bewahrer Den richtigen Ton finden Während die Neugierigen Überraschungen und Außergewöhnliches lieben, legen die Bewahrer Wert auf Sicherheit und ein gutes Leben. Die Performer fühlen sich von Wettbewerb und außergewöhnlichen Leistungen angesprochen, während die Harmonisierer nach Verbundenheit zu anderen Menschen und zur Natur streben. Diese unterschiedlichen Ausprägungen lassen sich einerseits bei der Ansprache von Personen anwenden, aber auch bei der Frage, welche Art von Engagement für jemanden geeignet ist. Die Bewahrer wollen fachlich überzeugt und zum Nachdenken angeregt werden. stören sich an zu vereinfachenden Darstellungen und interessieren sich für das „Aufzeigen von Auswirkungen und Abhängigkeiten“ und das „Schärfen des Bewusstseins für Zusammenhänge“. schätzen eine klare Bildsprache, die nicht viel Schnickschnack benötigt. sind gegenüber der Ausrichtung der Botschaft, ob sie negativ oder positiv endet, relativ tolerant. empfinden Respekt, Recht und Gerechtigkeit als besonders wichtig. Die Harmonisierer fühlen sich mit allen Lebewesen verbunden und rücken diese ins Zentrum ihrer Aufmerk­samkeit: „Tiere sind auch irgendwie Menschen!“, „Der Mensch ist nicht allein auf diesem Planeten“, „Wir sind alle eins – kommen aus der Erde und werden wieder zu Erde!“. brauchen und leben Empathie. freuen sich über kleine Schritte, Gutes zu tun. mögen die Verbindung von „Herz und Fantasie“. werden gerne persönlich angesprochen und umsorgt. streben nach einem einfachen, bequemen und guten Leben. Die Performer wollen für etwas Tolles gewonnen werden, etwa durch beeindruckende Erfolge, Möglichkeiten oder imponierende Vorbilder. erwarten etwas Originelles und Eindrucksvolles, das Aufmerksamkeit weckt. lieben es effizient sowie kurz und knapp auf den Punkt gebracht. sind anspruchsvoll und mögen es perfekt: kurz und griffig, ohne Längen, klare und positive Botschaft, außergewöhnliche Qualität. wollen etwas erreichen. Nur Jammern kommt nicht an. Sie begrüßen einen klaren Lösungsansatz. Die Neugierigen lassen sich gerne faszinieren und für etwas begeistern, etwa durch eine spannende Bildsprache und faszinierende visuelle Aufbereitung oder ein positives Lebensgefühl. mögen sich nicht langweilen und mit zu viel Negativem belasten. mögen es kreativ, verrückt und lebensbejahend. sprechen Alltagsnähe und Handlungsmöglichkeiten an. heben Aktion und Aktivität positiv hervor: „Man kann auch mit pfiffigen, einfachen Aktionen viel bewirken!“, „Man muss sich engagieren!“. Quelle „Leitfaden Umweltkommunikation“, Birthe Hesebeck (OroVerde – Die Tropenwaldstiftung), Bonn 2015, Seite 31ff. Die Umweltorganisation OroVerde hat einen Leitfaden Umweltkommunikation entwickelt, in dem die verschiedenen Motivationstypen anschaulich beschrieben werden. Beispielhaft wird gezeigt, welche Art von sprachlicher und bildlicher Ansprache geeignet ist. Darauf aufbauend werden Ideen für Filmclips vorgestellt und diskutiert, die für die Ansprache verschiedener Emotionstypen geplant wurden. Die Erkenntnisse und Schlussfolgerungen aus den verschiedenen Praxisprojekten lassen sich auch auf andere Projektideen übertragen.

  • Politik / WiSo / SoWi
  • Sekundarstufe I, Sekundarstufe II

Die Wüste: Lebensraum der Extreme

Unterrichtseinheit

Mit diesem Unterrichtsmaterial zum Thema Wüste lernen die Schülerinnen und Schüler die räumliche Verbreitung der Wüsten, die verschiedenen Wüstenarten, Anpassungsmechanismen sowie die wirkenden Kräfte der Wüstenbildung kennen. Darüber hinaus werden die Ursachen für die räumliche Verteilung der Wüsten aufgezeigt.Die Vorstellungen, die die Schülerinnen und Schüler mit dem Begriff Wüste verbinden, gehen sehr weit auseinander. So kann man sich einerseits die Wüste als Sandwüste mit ihren typischen Dünen vorstellen, aber auch eine schroffe, felsige oder kiesige Landschaft ist eine Wüste. Darüber hinaus existieren auf der Erde ebenso Eiswüsten wie zum Beispiel die Eisschilde beziehungsweise Gletscher der Antarktis oder sogenannte Kältewüsten mit ihren typischen Permafrostböden und kiesigen geröllhaltigen Böden. Die Wüstenformen können also kaum unterschiedlicher sein und werden im Wesentlichen durch ihre geografische Lage, aber auch durch die erodierenden Kräfte von Wind und Wasser geformt. Mit diesem Unterrichtsmaterial für das Fach Geographie beziehungsweise Erdkunde nähern sich die Lernenden der Sekundarstufe I an das Ökosystem Wüste an und erarbeiten sich grundlegendes Wissen über die Wüstenentstehung, Wüstenarten sowie die Anpassungsstrategien der Tiere. Das Thema "Wüste" im Unterricht Schritt für Schritt werden die Schülerinnen und Schüler an den Charakter der Wüste herangeführt. Beginnend von der räumlichen Ausbreitung und ihrer Entstehung der Wüste erfahren sie Faktenwissen über die Trockenräume der Erde und erkennen, wie sich die Natur an die Gegebenheiten angepasst hat und welche Kräfte bei der Wüstenentstehung bedeutsam sind. Didaktische Analyse Wüsten als die trockensten vegetationslosen Ökozonen der Erde schließen sich räumlich an die Savanne an. Wüsten bedecken ungefähr 10% der gesamten Erdoberfläche und eine Fläche von circa 30 Millionen Quadratkilometer. Sie können sehr unterschiedliche Formen aufweisen – von der schroffen unzugänglichen Felswüste, Kieswüste bis hin zur Sandwüste oder auch Salzwüste. Kennzeichnendes Element einer Wüste ist demnach nicht alleine die hohe Temperatur von tagsüber bis zu 45 Grad im Schatten, sondern auch Vegetationsarmut sowie ein durchschnittlicher Jahresniederschlag von weniger als 250 mm. Die starken Schwankungen in der Temperaturamplitude kommen dadurch zustande, dass meist ein wolkenloser Himmel über der Wüste vorherrscht, denn dies führt zu einer hohen Erwärmung des Bodens. Nachts entweicht die Hitze bei klarem Himmel allerdings ebenso schnell wieder. Dies führt sogar dazu, dass wegen der starken Abkühlung der Taupunkt erreicht wird. Für manche Lebewesen sind diese Tautropfen lebenswichtig. Vor allem die Frostverwitterung beziehungsweise Frostsprengung, das heißt die stärkste Art der mechanischen Verwitterung bedingt durch die starken Temperaturunterschiede zwischen Tag und Nacht hat großen Einfluß auf die unterschiedlichen Wüstenformen. Das Wasser gefriert in der Nacht in den Gesteinsklüften und durch die Volumenzunahme des gefrorenen Wassers wird starker Druck auf das umliegende Gestein ausgeübt, was je nach Härte des Gesteins zur Sprengung führt. Wüsten können jedoch auch nach ihrer Entstehung in unterschiedliche Wüstentypen wie zum Beispiel die Regenschattenwüste oder die Küstenwüste unterteilt werden und geben Aufschluss über ihre Genese. Binnenwüsten beispielsweise befinden sich südlich und nördlich der beiden Wendekreise, wie zum Beispiel die Wüste Gobi oder die Taklamakan und das Große Becken in den USA. Dem Thema Wüste kommt eine hohe Relevanz zu. 2006 war das Internationale Jahr der Wüste und im Zuge der Desertifikation und des Klimawandels wird die Ausbreitung von Wüsten zu einer globalen Herausforderung des 21. Jahrhunderts. Vorkenntnisse Die Schülerinnen und Schüler sollten sich die Klima- und Vegetationszonen der Erde nochmals ins Gedächtnis rufen und vor allem die Savannentypen kennen. Die Dornstrauchsavanne spielt hierbei die wichtigste Rolle, da sie räumlich betrachtet am nächsten an die Wüsten beziehungsweise Halbwüsten anschließt, wobei die Übergänge fließend sind. Methodische Analyse Je nach Wissensstand der Lernenden kann eine Wiederholung des Passatkreislaufs erforderlich oder sinnvoll sein. Zusätzlich kann ein Video über die Wüstenarten im Unterricht zur Veranschaulichung dienen. Fachkompetenz Die Schülerinnen und Schüler lernen die unterschiedlichsten Wüstenarten kennen und verstehen die Ursachen für die Wandlung von der Felswüste zur Kieswüste und schließlich zur Sandwüste. bezeichnen die wichtigsten Wüsten der Erde auf einer Weltkarte. erläutern die notwendigen Anpassungsmechanismen von Tieren und Pflanzen in der Wüste. verstehen die klimatischen Gründe für eine Wüstentypologie. Medienkompetenz Die Schülerinnen und Schüler stärken ihre Lesekompetenz und setzen fachliche Inhalte grafisch in Schemata um. werten verschiedenartige Medien wie Texte, Tabellen, Grafiken, Videos und Bilder hinsichtlich relevanter Informationen aus. hinterfragen die fachlichen Informationen aus verschiedenen Medien kritisch. Sozialkompetenz Die Schülerinnen und Schüler arbeiten konzentriert in Kleingruppen und nehmen die Vorschläge der anderen auf. beziehen zur weiteren Ausbreitung der Wüsten kritisch Stellung. erarbeiten abschließend Lösungsvorschläge in Kleingruppen, um der weiteren Ausbreitung von Wüsten entgegenzuwirken.

  • Geographie / Jahreszeiten
  • Sekundarstufe I

Einführungsprojekt zum Klimawandel: Ursachen und Folgen

Kopiervorlage

Dieses Materialpaket enthält ein Booklet mit Arbeitsblättern rund um das Thema "Klimawandel". Die Schülerinnen und Schüler lernen die grundlegenden Begriffe des Klimawandels kennen sowie dessen Ursachen und Folgen.Die Folgen des Klimawandels sind schon lange ein Thema und werden auf den jährlichen UN-Klimakonferenzen immer wieder besprochen. Auf der letzten Klimakonferenz 2021 wurde unter anderem beschlossen, dass die Energiegewinnung durch das Verbrennen von Kohle schrittweise abgebaut werden soll sowie eine Nachbesserung bei den Maßnahmen zur Erreichung des 1,5 Grad-Ziels. Auch Kinder spüren mittlerweile die Veränderungen durch den Klimawandel, besonders im Winter, wenn sie sich auf Schneeballschlachten freuen, die dann ausfallen müssen. Die Unterrichtseinheit lässt die Schülerinnen und Schüler Ursachen und Folgen dieses Phänomens erforschen. Mithilfe von Arbeitsblättern, welche in Einzel- oder Paararbeit gelöst werden können, eignen sie sich ein fundiertes Grundverständnis an und werden für den Klimawandel sensibilisiert . Aufgrund von Beispielen aus dem Alltag wird den Kindern vermittelt, wie sie selbst dem Klimawandel entgegenwirken können.Zum Einstieg in das Thema "Klimawandel" können Bilder oder Videos verwendet werden. So wird das Vorwissen der Schülerinnen und Schüler angeregt und es können erste Informationen zum Thema gesammelt werden. Der Austausch unter den Lernenden kann dabei im Plenum oder als Partnerarbeit erfolgen. Die Arbeitsblätter des Booklets zur Unterrichtseinheit können von der Lehrkraft gezielt in den Unterricht eingebunden oder im offenen Unterricht als Stationenarbeit eingesetzt werden. Eine Checkliste hilft den Lernenden dabei, ihren Aufgabenfortschritt während der gesamten Arbeitsphase selbstständig zu kontrollieren. Die Lernenden erwartet eine Mixtur aus interessanten Fakten rund um den Klimawandel, Rätsel lösen, Aufgaben zum Ausmalen oder kleinere Schreibaufgaben. Als Abschluss werden die Arbeitsergebnisse präsentiert und die Arbeit mit dem Booklet reflektiert. Fachkompetenz Die Schülerinnen und Schüler lernen den Begriff "Ozonschicht" kennen. führen ein persönliches Energietagebuch. erforschen die Folgen für Menschen, Tiere und Pflanzen. Medienkompetenz Die Schülerinnen und Schüler lernen den Umgang und die Bearbeitung eines Booklets. Sozialkompetenz Die Schülerinnen und Schüler einigen sich im Team über die Reihenfolge der Aufgaben. helfen sich gegenseitig. präsentieren die Ergebnisse im Plenum.

  • Geographie / Jahreszeiten
  • Primarstufe

Der Öl- und Energieschock 2005

Unterrichtseinheit

Die Auswirkungen des Hurrikans "Katrina" haben gezeigt, wie abhängig die Weltwirtschaft vom Erdöl ist und wie schnell Verbraucher weltweit Energieengpässe zu spüren bekommen. Langfristig müssen sie sich darauf einstellen, dass niedrige Ölpreise eines Tages Geschichte sein werden.Der Hurrikan "Katrina" verwüstete nicht nur weite Teile der amerikanischen Golf-Küste und forderte zahlreiche Menschenleben, er beschädigte auch wichtige Ölförderanlagen und Raffinerien im Süden der USA. Die Folgen waren selbst im fernen Europa deutlich zu spüren. Innerhalb von wenigen Tagen stieg der Rohölpreis auf den internationalen Märkten dramatisch. Vor allem die Autofahrer mussten an den Zapfsäulen deutlich höhere Preise bezahlen als noch vor "Katrina". Diese Verkettung zeigt, wie abhängig die industrialisierten Staaten von dem Energieträger Öl sind und wie schnell sich lokale Ereignisse in einer globalisierten Welt auf die Wirtschaft in weit entfernten Ländern auswirken können. In Deutschland hat die Entwicklung des Rohölpreises eine weitere Komponente, die bei den Verbrauchern für zusätzlichen Unmut sorgt: Die Gaspreise sind an den Ölpreis gekoppelt. Viele Energieversorger haben daher angekündigt, ihre Preise abermals kräftig erhöhen zu wollen. Die Schülerinnen und Schüler sollen sich über die Entwicklung des Ölpreises informieren. die Faktoren kennen lernen, die die Preisentwicklung beeinflussen. sich der stetig wachsenden Öl-Nachfrage auf dem Weltmarkt und der daraus resultierenden Konsequenzen bewusst werden. die weltweiten Ursachen und Auswirkungen der Öl-Nachfrage, die Alternativen zu fossilen Brennstoffen und die individuelle Verantwortung für den Umgang mit Rohstoffen diskutieren. das Internet als Informations- und Recherchemedium nutzen. Die Nachfrage bestimmt den Preis Kurz nach "Katrina" erreichte der Preis für ein Barrel (159 Liter) Rohöl auf dem für Europa maßgeblichen Markt in Rotterdam mit rund 71 Dollar einen neuen Höchststand. Zum Vergleich: Vor dem Wirbelsturm kostete er ungefähr 64 Dollar, und vor einem Jahr lag der Preis sogar bei nur 45 Dollar. Die Preise schnellten derart in die Höhe, weil der Wirbelsturm etwa ein Zehntel der Raffineriekapazitäten der USA zerstört oder außer Betrieb gesetzt hat. Außerdem liegen nach dem Hurrikan über 90 Prozent der US-Förderung im Golf von Mexiko brach, laut US-Regierung etwa ein Viertel der gesamten amerikanischen Fördermenge. "Katrina" hat kurzfristig zu einer Knappheit von Öl-Produkten wie Benzin oder Heizöl geführt und eine Energiekrise ausgelöst. Weil die USA durch den Ausfall ihrer Anlagen nicht genug Öl fördern und raffinieren konnten, mussten die USA in Rotterdam große Mengen Öl und Benzin einkaufen, um ihren Bedarf zu decken. Aufgrund dieser stark erhöhten Nachfrage stieg der Preis auf dem europäischen Markt so schnell. Diese Entwicklung hatte auch Folgen für die deutschen Autofahrer, denn der Spritpreis explodierte geradezu - ein Liter Super-Benzin kostet im Durchschnitt glatte 12 Cent mehr als vor "Katrina". Der Dieselpreis stieg immerhin um drei Cent. Damit mussten die Autofahrer nach "Katrina" rund 1,47 Euro für den Liter Super, 1,44 für den Liter Normalbenzin und rund 1,19 Euro für einen Liter Diesel bezahlen - Rekordpreise in Deutschland. Als sich der Hurrikan "Rita" ankündigte, drohte eine ähnliche Entwicklung, doch er sorgte glücklicherweise für weniger Zerstörungen als im Vorfeld befürchtet und nicht für neue Preisrekorde. Ölreserven sollen den Markt entlasten "Wir wissen nicht, wie lang und wie schwer die Krise sein wird", warnte der Chef der Internationalen Energieagentur (IEA) Claude Mandil. Er schätzte den Ausfall auf den Weltmärkten auf zwei Millionen Barrel pro Tag. Die Krise auf dem Benzin- und Heizölmarkt sei so schwerwiegend, dass die IEA habe eingreifen müssen, betont Mandil. Die USA hatten nämlich bei der IEA beantragt, Teile der internationalen Ölreserven in den Markt zu bringen und so zu verhindern, dass die Preise weiter stiegen. Die IEA folgte diesem Antrag und setzte erstmals seit der Ölkrise im Jahr 1991 ihre Notfallplanung in Gang und warf Teile der strategischen Ölreserven auf den Markt. 26 Staaten, darunter Deutschland, Frankreich, Spanien und Italien, erklärten sich bereit, insgesamt zwei Millionen Barrel pro Tag aus ihren Reserven zur Verfügung zu stellen. Diese Freigabe ist zunächst auf einen Monat befristet, könnte aber verlängert werden. US-Energieminister Samuel Bodman erklärte, die US-Regierung werde weitere 30 Millionen Barrel an eigenen Reserven freigeben. Ölvorräte für den Krisenfall Diese strategische Reserve für Krisenfälle regelt in Deutschland das so genannte Erdölbevorratungsgesetz. Demnach muss der Erdölbevorratungsverband (EBV) mit Sitz in Hamburg Benzin, Kerosin, Diesel und schwere Heizöle in so großer Menge lagern, dass die bundesdeutschen Verbraucher 90 Tage davon zehren können. Insgesamt lagern nach EBV-Angaben in Deutschland rund 25 Millionen Tonnen Rohöl und raffinierte Öl-Produkte. Wieviel Spielraum hat die OPEC? Nicht nur wegen der Auswirkungen der Wirbelstürme will die Organisation Erdöl exportierender Länder (OPEC) ihre Förderung um zwei Millionen Barrel pro Tag erhöhen. Diese Menge könne ab dem 1. Oktober 2005 geliefert werden, wenn der Bedarf bestehe, so der libysche Ölminister auf einem OPEC-Treffen am 20. September 2005 in Wien. Zugleich haben die Ölminister allerdings beschlossen, die offizielle Fördergrenze von 28 Millionen Barrel pro Tag unverändert zu lassen. Experten bezweifeln allerdings, dass dieser Beschluss tatsächlich dazu führen wird, dass die OPEC-Länder mehr Öl fördern. Sie halten diesen Beschluss lediglich für eine symbolische Geste der OPEC, die die nervösen Ölmärkte beruhigen soll. Nach Angaben von Claude Mandil verfüge die Organisation gar nicht über Reservekapazität von zwei Millionen Barrel pro Tag: Die meisten Ölländer produzierten bereits am Rande ihrer Möglichkeiten. Prognosen sagen langfristigen Anstieg voraus Experten rechnen damit, dass der Rohölpreis etwas nachgeben wird sobald die Schäden in den USA behoben sind. Langfristig rechnet man aber, dass der Rohölpreis kräftig steigen wird. Die Experten begründen dies vor allem mit dem hohen Rohöl-Bedarf der USA und der Volksrepublik China. Auch Indien entwickelt sich zu einem Industriestaat, der ernorme Mengen Öl benötigt. Peak-Oil: Nach der Spitze kommt der Abfall Allerdings sorgt nicht nur die steigende Nachfrage für steigende Preise, auch die Ölförderung selbst wird in absehbarer Zeit zu einer noch teureren Angelegenheit werden. Geologen weisen bereits seit längerem auf das Phänomen des so genannten Peak-Oil hin, das die maximale Förderkapazität eines Ölfeldes markiert. Sobald dieser Gipfel einmal überschritten ist, sinkt die Förderung beständig. Denn je mehr aus einem Ölvorkommen abgepumpt wird, desto geringer wird auch der Druck. Die Folge ist, dass die Ölförderung immer schwieriger und energieaufwändiger wird - und damit teurer. Der Geologe M. King Hubbert hat dieses Phänomen bereits im Jahre 1956 zum ersten Mal beschrieben und die Förderspitze der US-Ölfelder für Anfang der siebziger Jahre vorausgesagt: Und tatsächlich erreichte 1971 die Ölförderung in 48 US-Bundesstaaten ihren Höhepunkt. Wann der weltweite Peak Oil erreicht wird, ist unter den Experten umstritten. Während mache Geologen warnen, dass er bereits erreicht sei, rechnen die Experten der "Association for the Study of Peak Oil and Gas" (ASPO) damit, das es im Jahr 2008 soweit sei. Gewissheit wird ohnehin erst dann herrschen, wenn der weltweite Höhepunkt überschritten ist: Dann wird das Angebot kontinuierlich sinken, während gleichzeitig die Nachfrage ständig steigen wird. Ist dieser Punkt erreicht, werden die Rohölpreise in bislang nicht erreichte Höhen schnellen: der Ölexperte Matthew Simmons, er berät die US-Regierung in Energiefragen, rechnet damit, dass man sich auf einen Ölpreis von 200 bis 250 Dollar pro Barrel einstellen kann. Statistik belegt deutlichen Preisanstieg Das Bundesamt für Statistik hat errechnet, dass die Bundesbürger im August 2005 für leichtes Heizöl fast 35 Prozent mehr bezahlen mussten als im August 2004, Kraftstoffe kosteten immerhin 9,1 Prozent mehr. Auch andere Haushaltsenergien verteuerten sich überdurchschnittlich: Preise für Gas, Zentralheizung und Fernwärme erreichten mit einem Anstieg um 10,8 Prozent beziehungsweise 17,6 Prozent Jahreshöchststände. Die Kosten für Strom kletterten seit Anfang des Jahres um 4,4 Prozent. Gaspreis ist abhängig vom Öl Die wichtigste Ursache für die Entwicklung des Gaspreises ist schnell gefunden: Die Kosten für den Import von Erdgas nach Deutschland sind seit Beginn der ersten Gaslieferungen nach Deutschland in den 60er Jahren an den internationalen Ölpreis gekoppelt. Der Gaspreis folgt seitdem mit einem gewissen zeitlichen Abstand der durchschnittlichen Entwicklung der Rohölpreise: Wird Öl teurer, steigen mit einigem Abstand auch die Gaspreise. Mit dieser freiwilligen, nicht gesetzlich verankerten, Regelung in den Verträgen zwischen ausländischen Produzenten und den deutschen Importeuren wollte man damals sicherstellen, dass sich die Investitionen in die Erdgas-Förderung und -Infrastruktur für den zu dieser Zeit neuen Energieträger lohnten. Abzocke oder langfristiger Schutz? Nicht erst nach dem durch Katrina ausgelösten Ölpreisschock fordern Politiker aller Parteien, diese Bindung endlich aufzuheben. Auch Ulf Böge, der Chef des Bundeskartellamtes, findet diese nicht mehr zeitgemäß. Gas sei ein eigenständiger Markt und im Ölpreis stecke "ein hohes Potenzial an Spekulation". "Das schlägt auf die Gaspreise durch, auch wegen dieser Koppelung." Wenn die Stadtwerke wegen hoher Ölpreise die Kosten fürs Gas erhöhten, sei das "oft nicht nachvollziehbar". Die deutsche Gaswirtschaft verteidigt die Regelung dagegen und bezeichnet sie als "wirksamen Verbraucherschutz". Die Ölpreisbindung schütze gegen überzogene Forderungen der Produzenten und biete den deutschen Importeuren Sicherheit für die Bezüge. Zudem würden dadurch die Investitionen der Importländer in die Erdgasförderung abgesichert, betont der Bundesverband der deutschen Gas- und Wasserwirtschaft. Allerdings dürfen sich die Versorger nicht unbegrenzt bei ihren Kunden bedienen: auf dem deutschen Gasmarkt herrscht noch kein Wettbewerb. Die regionalen Gasversorger besitzen eine Monopolstellung weil die Gaskunden ihren Anbieter nicht wechseln können. die Energieanbieter müssen die Preise nach "billigem Ermessen" festgelegen - so steht es im Paragraf 315 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Der Versorger darf seine Gewinne also nicht willkürlich heraufsetzen, er darf aber Erhöhungen seiner Einkaufspreise an seine Kunden weitergeben. Um das zu überprüfen, müssten die Kunden allerdings Einblick in die Kalkulation der Gasversorger erhalten, bislang haben das aber alle Unternehmen verweigert. Doch die deutschen Verbraucherzentralen beobachten die Entwicklung der Energiepreise im Allgemeinen und die der Gaspreise im Besonderen schon seit einiger Zeit ganz genau. Verbraucher werden aktiv Nach den massiven Preissteigerungen im letzten Jahr haben sie die Gaskunden dazu aufgerufen, sich die angebliche Preistreiberei der Energieversorger nicht gefallen zu lassen und die Erhöhungen unter Berufung auf Paragraf 315 BGB nicht zu bezahlen. Um diese Preisfrage endgültig zu klären, haben sich zum Beispiel 52 Hamburger Gaskunden zu einer Sammelklage entschlossen und wehren sich nun mit Unterstützung der Verbraucherzentrale in Hamburg gerichtlich gegen die Preiserhöhungen des Energieriesen E.on Hanse. Das Unternehmen hatte den Gaspreis im Laufe des Jahres 2004 drei Mal um insgesamt 25 Prozent erhöht und dies mit den gestiegenen Ölpreisen begründet. In ihrer Musterklage argumentieren die Kunden, dass es in den Verträgen mit den Kunden gar keine Ölpreisbindung gebe, auch seien die Einkaufspreise auf den internationalen Märkten nicht gestiegen. Bundesweit wird geschätzt, dass sich eine halbe Million Gaskunden den Preisanhebungen ihrer Energieversorger verweigert haben. Anfang September 2005 konnten die Hamburger Musterkläger einen ersten Etappensieg verbuchen: Das Landgericht Hamburg hat entschieden, dass sich die Kunden zu Recht gegen die Preiserhöhung wehren, der Hinweis auf die Koppelung des Gaspreises an den gestiegenen Ölpreis reiche als Begründung nicht aus. E.on Hanse habe im Hamburger Raum faktisch eine Monopolstellung und sei daher dazu verpflichtet, die Kalkulation in der Verhandlung offen zu legen. Das Gericht ist der Meinung, dass die Verbraucher nur so überprüfen können, ob die erhöhten Gaspreise angemessen seien. Die endgültige Entscheidung soll aber erst am 8. Dezember verkündet werden. Das Unternehmen kündigte allerdings an, bei einer Niederlage in Berufung zu gehen; auch die Verbraucherzentrale will sich notfalls durch alle Instanzen klagen. Keine Rezession, aber auch kein Konsum "Eine Rezession sehe ich im Moment nicht aufziehen", meint etwa Torsten Schmidt vom Essener Wirtschaftsforschungsinstitut RWI. Das ohnehin nur moderate Wirtschaftswachstum in Deutschland werde allerdings durch den Kaufkraftentzug spürbar gedämpft. Ähnlich sieht das Bernd Gottschalk, der Präsident des Verbandes der Automobilindustrie, der schätzt, dass den Autofahrern in Deutschland durch die Verteuerung von Benzin und Diesel in den ersten acht Monaten des Jahres insgesamt rund vier Milliarden Euro in den Haushaltskassen fehlten. Durch den kräftigen Preisschub könnte das erwartete Überspringen des auf dem Export basierenden Wachstum auf den Konsum ausbleiben. Das Statistische Bundesamt gab bereits bekannt, dass sich der Verbraucherpreisindex in Deutschland im September 2005 gegenüber September 2004 voraussichtlich um 2,5% erhöht hat und im Vergleich zum Monat August noch einmal um 0,4 Prozent stieg. Ein Grund dafür sind die Preise für Heizöl und Kraftstoffe, die im September erneut anstiegen. In den zur Schätzung herangezogenen sechs Bundesländern war Heizöl zwischen 36,4 und 45,4 Prozent teurer als im Vorjahr, die Kraftstoffpreise stiegen im Vergleich dazu zwischen 15,3 und 19,4 Prozent. Wachstumsprognose für Eurozone gesenkt Nach Auffassung von Otmar Issing, er ist Chefvolkswirt der Europäischen Zentralbank (EZB) in Frankfurt, bedroht der hohe Ölpreis die allgemeine Preisentwicklung im Euroraum, das heißt in den Staaten, die den Euro als Währung eingeführt haben. Allerdings könne die EZB nichts gegen die unmittelbaren Wirkungen der höheren Ölpreise auf das gesamte Preisniveau tun. "Wir müssen aber verhindern, dass es nach dem Ölpreisschock zu einer Lohn-Preis-Spirale kommt", also zu einer Anhebung der Löhne, sagte Issing in einem Interview mit dem Anlegermagazin "Börse Online". Bislang beobachte die EZB eine derartige Entwicklung nicht. Aufgrund der höheren Ölpreise hatte die EZB ihre Wachstumsprojektionen für die Wirtschaft in der Eurozone gesenkt und die so genannten Inflationsprojektionen für 2005 und 2006, das heißt wie stark die Preise in diesem Zeitraum steigen könnten, angehoben. In dem Interview begründete Issing die allerdings vergleichsweise geringen Auswirkungen des gestiegenen Ölpreises auf die heimische Konjunktur damit, dass "sich die Abhängigkeit vom Öl im Vergleich zu den Preisschocks der siebziger Jahre über geringeren Verbrauch und alternative Energien halbiert hat". heute.de: Hoher Ölpreis belastet Kauflaune Die Konsumklimastudie des Nürnberger Marktforschungsinstituts GfK weist auf die weiter schwache Binnennachfrage hin (28.09.2005). Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) Aktuelle Daten zum Konsumklima und Pressemitteilungen beleuchten das Wirtschaftsverhalten der Verbraucher in Deutschland.

  • Politik / WiSo / SoWi
  • Sekundarstufe I, Sekundarstufe II

Le couple franco-allemand : Est-ce qu'il est en danger ?

Unterrichtseinheit

In der französischen Presse wird die deutsche Europa- und Wirtschaftspolitik seit einiger Zeit scharf kritisiert. Die Schülerinnen und Schüler erforschen in der hier vorgestellten Unterrichtseinheit die Gründe für diese Kritik. So erweitern sie ihre interkulturelle Kompetenz, indem sie einen fremden Standpunkt besser verstehen.In Frankreich wächst wie in vielen anderen europäischen Ländern die Kritik an der deutschen Wirtschafts- und Europapolitik. Kritisiert wird unter anderem, dass die von Deutschland popagierte Strategie, die Wirtschafts- und Euro-Krise durch Schuldenabbau, Senkung der Staatsausgaben, Arbeitsmarktreformen, zurückhaltende Lohnsteigerungen und Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit zu überwinden, zum Scheitern verurteilt sei. Diese Politik diene, so die Kritik, vor allem den Interessen der deutschen Exportindustrie. In Frankreich selbst ist diese Kritik an Deutschland Gegenstand heftiger politischer Auseinandersetzungen. Während das bürgerliche Lager sie als "germanophobie" (Deutschlandfeindschaft) denunziert, beharrt das linke Lager darauf, dass die Kritik notwendig und sachlich begründet sei. Konfrontation der Schülerinnen und Schüler mit der französischen Kritik Die Schülerinnen und Schüler sind zunächt überrascht, irritiert und befremdet, wenn sie die Debatte kennen lernen, denn viele französische Journalistinnen und Journalisten sowie Politikerinnen und Politiker formulieren ihre Kritik nicht selten in harten vorwurfsvollen Tönen. Deutschland wird beispielsweise als "cancer de l'Europe", als "danger", als "égoïste" und "concurrent déloyale" angegriffen. Das Frankreich- und Deutschlandbild der Schülerinnen und Schüler - und damit ein Teil ihres Selbstbildes - wird in Auseinandersetzung mit diesen Vorwürfen zunächst verzerrt und ihre Wahrnehmung der gesellschaftlichen Realität verunsichert. Was in Deutschland als "normal" und "richtig" erscheint, moderate Lohnerhöhungen, Exportüberschüsse und große Sparanstrengungen der Regierung, erscheint im Spiegel der französischen Presse plötzlich als "falsch". Trotz des so entstehenden Befremdens sind deutschsprachige Schülerinnen und Schüler aber durchaus in der Lage, die Gründe für die Kritik zu verstehen. Im Rahmen einer angemessenen didaktischen Struktur sind sie bereit, sich mit der Frage auseinanderzusetzen, ob die deutsch-französische Partnerschaft und mit ihnen die Europäische Union in Gefahr sind und welche politischen Maßnahmen getroffen werden sollten, um die Gefahr einer Spaltung Europas zu vermindern. Volkswirtschaftliche Analysen Die Unterrichtseinheit bezieht sich in ihren volkswirtschaftlichen Analysen, die für eine Überwindung des Befremdens über deutschlandkritische Äußerungen nachvollzogen werden müssen, in erster Linie auf die Thesen von Heiner Flassbeck (Flassbeck 2012: Zehn Mythen der Krise, Frankfurt). Seine These lautet, dass in Deutschland durch zu geringe Lohnerhöhungen das im Maastricht-Vertrag festgelegte Inflationsziel von 2% unterschritten wurde, während Frankreich durch eine expansivere staatliche Ausgabenpolitik und größere Lohnerhöhungen genau den Zielwert von zwei Prozent erreicht habe. Auf den internationalen Märkten konnte sich die deutsche Exportindustrie so auf Kosten der anderen EU-Länder Wettbewerbsvorteile verschaffen. Den so entstandenen Konkurrenzvorteil beziffert Flassbeck in Bezug auf die Lohnstückkosten: Diese seien in Deutschland seit 2002 im Vergleich mit Frankreich um 20 Prozent gesunken (M2), was einen erheblichen Konkurrenzvorteil darstelle, denn die französischen Exporte verteuerten und die deutschen Exporte verbilligten sich. Der Maastricht-Vertrag werde so gebrochen und Deutschland mache den anderen europäischen Ländern in vertragsbrüchiger Weise unfaire Konkurrenz. Interkulturelle Bildung Der Schwerpunkt einer Unterrichtseinheit wie der hier vorgestellen kann nicht eine umfassende und alle kontorversen Meinungen berücksichtigende volkswirtschafliche Analyse der Eurokrise sein. Volkswirtschafliche Theorie ist hier das Werkzeug, um die Beschränktheit nationalstaatlich beziehungsweise kulturell geprägter Wahrnehmungsweisen zu differenzieren, die zum Beispiel im Kontakt mit Französinnen und Franzosen zu einem Problem werden könnten. Dies sollte der Kern jeder interkulturellen Bildungsbemühung sein. Kompetenzen Kompetenzen Unterrichtseinheit "Le couple franco-allemand" Hier werden die Kompetenzen aufgelistet, die im Rahmen der Unterrichtseinheit "Le couple franco-allemand" ausgebaut werden sollen. Ablauf der Unterrichtseinheit Ablauf der Unterrichtseinheit "Le couple franco-allemand" Die verschiedenen Phasen aus dem Verlaufsplan: Le couple franco-allemand werden auf dieser Seite noch einmal detaillierter beschrieben. Die Schülerinnen und Schüler erweitern ihre interkulturelle Kompetenz in der Auseinandersetzung mit deutschlandkritischen Aussagen aus der französischen Berichterstattung über die europäische Wirtschaftskrise und die deutsche Europa- und Wirtschaftspolitik, indem sie systematisch Antworten auf sieben Leitfragen zur Interkulturellen Bildung erarbeiten: Sie lesen mehrere kritische Aussagen aus der französischen Presse über Deutschland und beschreiben, welche Gefühle diese Aussagen bei ihnen als Leserinnen und Leser auslösen (M1). Sie verstehen die kritische Sichtweise der französischen Kommentatoren, indem sie die volkswirtschaftliche Analyse nachvollziehen, auf der sie beruht (M2). Sie vollziehen nach, wie in Frankreich die Maastricht-Kriterien erfüllt wurden (M3). Sie analysieren, wie genau das kritisierte Phänomen des Konkurrenzvorteils in Deutschland entstanden ist, indem sie die Bedeutung und die Entwicklung von Lohnstückkosten verstehen (M4). Sie planen, auf einen Gesprächspartner sprachlich und argumentativ angemessen zu reagieren, der sie mit einer deutschlandkritischen Äußerung konfrontieren würde (M5). Sie antizipieren, was sich für wen in Deutschland positiv ändern könnte, wenn Aspekte der französischen Art und Weise, den Maastricht-Vertrag zu erfüllen, übernommen würden (M6). Sie erkennen, dass nur ein Teil der französischen Öffentlichkeit Deutschland kritisiert und ein anderer Teil (die liberalen bürgerlichen Journalisten und Intellektuellen) in der merkantilistischen auf Außenhandelsüberschüsse abzielenden Wirtschaftspolitik ein Vorbild sieht (M7). Die Kritik kennenlernen Die in M1 gesammelten Äußerungen von französischen Politikern, Journalisten und Wissenschaftlern sind für deutsche Schülerinnen und Schüler erfahrungsgemäß befremdend. Dieses Befremden soll in der Einstiegsphase thematisiert werden. Nötig ist hier sicher, je nach Wissensstand der Lerngruppe, eine gemeinsame Übersetzung von ausgewählten kritischen Äußerungen über Deutschland im Plenum oder der Einsatz von Vokabelerklärungen. Eine repräsentative Auswahl findet sich auf dem Webquest www.limagedelallemagne.wordpress.com . Im Vorfeld sollte sich die Lehrkraft in die Grundzüge der volkswirtschaflichen Sichtweise von Flassbeck und anderer Kritiker eingearbeitet haben. Ein fächerverbindendes Arbeiten mit einem Kurs des Faches Politik und Wirtschaft wäre hier denkbar und sinnvoll. Spontane Reaktion auf die Kritik Das Befremden äußert sich in dieser Phase erfahrungsgemäß, indem von Kränkung (je suis blessé quand on dit que ...) und Unverständnis (je ne comprends pas pourquoi ...) gesprochen wird, aber auch in Gegenkritik (nous payons plus que les autres pays pour l'Europe, nous avons une économie beaucoup plus stable que les autres). Wichtig ist, die spontanen Antworten und Fragen zu sammeln, damit sie am Ende der Einheit erneut gesichtet werden können. Möglicherweise kann so ein Lernfortschritt deutlich gemacht werden. Formulierung des Lernziels Anschließend sichten und erläutern die Schülerinnen und Schüler die Lernaufgabe, die das Ziel der Unterrichtseinheit ("Erstellen Sie eine Plakatausstellung") erläutert und die systematisch zu erarbeitenden Leitfragen zur Erweiterung der interkulturellen Kompetenz enthält. Wenn nötig, können hier Rückfragen gestellt oder Wünsche für eine Umgestaltung der Aufgabenstellung geäußert werden. So kann anstelle einer Plakatausstellung auch ein Blog gestaltet werden, der dann anderen Kursen online zugänglich gemacht wird. Die hier als Internetlinks angegebenen Texte von Heiner Flassbeck eignen sich gut, um die volkswirtschaftliche Sichtweise, die die Kritik rational begründet erscheinen lässt, erarbeiten zu lassen. Es ist hier bewusst ein deutschsprachiger Volkswirtschaftler gewählt worden, um den Lernenden den Eindruck zu vermitteln, dass die deutschlandkritische Sichtweise nicht alleine eine nationale französische Perspektive ist, sondern sich wissenschaftlich begründen lässt. Die Hilfen zur Sprachmittlung (die nur im weiteren Sinne Sprachmittlungshilfen sind, da sie Fachvokabular enthalten) beziehen sich auf Heiner Flassbeck, Zehn Mythen der Ökonomie (Frankfurt 2012), sind aber auch für die Bearbeitung der Internetquellen hilfreich. Die Ergebnisse werden im Plenum verglichen, korrigiert und gesichert. Wie in den folgenden Phasen auch eignet sich ein Wechsel von Internetrecherche und Textlektüre in Einzelarbeit, die dann in einer Gruppenarbeit verglichen und im Plenum gesichert wird. Die Schülerinnen und Schüler beschreiben mithilfe einer recherchierten Grafik, wie in Frankreich die Maastricht-Kriterien erfüllt wurden, indem sie die Lohnerhöhungen in Frankreich mit denen in Deutschland vergleichen. Grafiken finden sich auch in Heiner Flassbeck, Zehn Mythen der Krise, Frankfurt 2012. Die Lernenden analysieren mithilfe einer recherchierten Grafik die Bedeutung der in Deutschland langsamer als in Frankreich angestiegenen Lohnstückkosten. Grafiken finden sich zum Beispiel in Heiner Flassbeck, Zehn Mythen der Krise, Frankfurt 2012. Die Schülerinnen und Schüler können ausgewählte Abschnitte des Textes von Flassbeck in einer Sprachmittlungsaufgabe ins Französische übertragen. Ein zentrales Ziel der interkulturellen Kompetenzerweiterung ist nach einhelliger Meinung aller Fachdidaktiker, ein konfliktfreies Kommunizieren von Menschen unterschiedlicher Kulturen und Sichtweisen zu ermöglichen. Nun wäre ein konfliktfreies Kommunizieren sicher dann schwierig, wenn deutsche Schülerinnen und Schüler in einem Gespräch mit französischsprachigen Gesprächspartnern unvorbereitet mit deutschlandkritischen Äußerungen konfrontiert würden. Ziel dieser Phase ist es deshalb, solche Kommunikationssituationen und -schwierigkeiten zu antizipieren und zu planen, was man sagen könnte, um auf einen Gesprächspartner angemessen zu reagieren. Dies kann als szenische Lesung von in Partnerarbeit geschriebenen Dialogen geschehen. Die präsentierten Dialoge werden dann unter dem Aspekt ausgewertet, ob die beiden Gesprächspartner interkulturell kompetent gehandelt haben. Wichtig für diese Phase ist es, die Kriterien eines angemessenen, interkulturell kompetenten Handelns zu erarbeiten. Dazu gehören sicher "accepter l'opinion des autres" und "essayer de la comprendre". In einem zweiten Schritt wäre dann zu erarbeiten, wie dies sprachlich signalisiert werden kann: "Je ne partage pas votre point de vue, mais j'accèpte que vous disiez que ... parce que ..." oder "Je ne comprends pas très bien pourquoi vous dites que ...". Positive Auswirkungen der französischen Vorschläge In dem folgenden Schritt kann es zu einer "Identitätserweiterung" kommen, wenn sich das Befremdende in etwas verwandelt, was die Lernenden als positiv bewerten. Es gilt in dieser Phase zu antizipieren, was sich in Deutschland positiv ändern könnte, wenn Aspekte der französischen Art und Weise, den Maastricht-Vertrag zu erfüllen, übernommen würden. Es könnte deutlich werden, dass die von Flassbeck geforderten massiven Lohnerhöhungen dazu führen würden, den schrittweise zu Lasten der anderen Euro-Länder errungenen Konkurrenzvorteil (in Form der um 20 Prozent günstiger gewordenen Lohnstückkosten) abzubauen: Ein Auseinanderfallen der Euro-Zone könnte verhindert werden, die deutschen Lohnempfänger hätten eine höhere Kaufkraft und könnten mehr konsumieren. Wer würde profitieren? Methodisch ist es sinnvoll, in Gruppenarbeit Personengruppen benennen zu lassen, die von einer anderen Wirtschaftspolitik nach dem Vorbild Frankreichs profitieren könnten. Diese können auf Papierstreifen notiert und an der Tafel mit Magneten präsentiert werden. Das so enstehende Ergebniss kann Ausgangspunkt einer Diskussion darüber werden, ob alle Personengruppen richtig erfasst wurden und ob es Sinn machen könnte, eine solche Politik zu fordern. Auch wenn diese Debatte im Französischunterricht nicht wie im Politikunterricht in der notwendigen Vertiefung geführt werden kann, so kann sie doch zumindest kulturell verfestigte Sichtweisen in Frage stellen. Ein fächerverbindendes Arbeit mit einem Kurs des Faches Politik und Wirtschaft wäre hier denkbar und sinnvoll. Diese Phase ist wichtig, um einer Polarisierung und Dramatisierung der Sichtweisen zu vermeiden. Es sollte sich nicht der Eindruck verfestigen, dass die französische Öffentlichkeit einhellig die deutsche Politik kritisieren würde. Weite Teile der Öffentlichkeit sehen in Deutschland ein Vorbild, das es zu kopieren gilt. Es bleibt allerdings offen, wer dann die produzierten Waren kaufen könnte, wenn mit Frankreich das zweite große europäische Land, das zur Zeit mehr importiert als exportiert, ebenfalls wie Deutschland zu einem Exportweltmeister werden wollte. Wenn Exportüberschüsse erwirtschaftet werden, muss es aus logischen Gründen immer auch Länder geben, die einen Importüberschuss und ein Handelsdefizit haben (siehe Flassbeck 2012). Die abschließend zu erstellende Plakatausstellung zum Thema "Est-ce que le couple franco-allemand est en danger?" ist eine gute Gelegenheit, die erarbeiteten Kenntnisse in der Schulöffentlichkeit bekannt zu machen und zur Diskussion zu stellen. Die so realisierte Produktorienierung motiviert nicht nur, sondern macht den Unterricht und die Schule zu einem Ort, an dem gesellschaftlich relevante Debatten thematisiert und öffentlich ausgehandelt werden. Abschließend vergleichen die Lernenden ihre spontanten Reaktionen am Anfang der Einheit mit ihrer Einstellung zur Kritik an Deutschland nach Durchführung der Unterrichtseinheit.

  • Französisch
  • Sekundarstufe II

Konjunktur 2005: Warten auf den Aufschwung

Unterrichtseinheit

Wachstumsprognosen werden nach unten korrigiert, die Stimmung der Wirtschaft ist gedrückt. Schon werden Hoffnungen an vorgezogene Neuwahlen geknüpft. Doch neben nationalen beeinflussen auch internationale Faktoren die Entwicklung der Wirtschaft.Im Landtagswahlkampf in Nordrhein-Westfalen gehörte der Kampf gegen die Arbeitslosigkeit zu den zentralen Themen. Nach der Niederlage der rot-grünen Koalition und der Ankündigung von Neuwahlen im Herbst reagiert die deutsche Wirtschaft spontan erst einmal positiv. Börse und Unternehmen erhoffen sich neue Wachstumsimpulse. Die Hoffnung, die Ende 2004 keimte, als die Wirtschaftsforschungsinstitute für 2005 mit einem Wachstum von 1,6 Prozent rechneten, war im Frühjahr schnell dahin. Bei der Mai-Umfrage des ifo-Instituts unter 7.000 Unternehmen verschlechterte sich die Stimmung zum vierten Mal in Folge. Die Firmen sprachen von düsteren Geschäftsaussichten für das kommende halbe Jahr. Die Wirtschaft setzt jetzt auf 2006 - oder auf einen Aufschwung nach der geplanten vorgezogenen Bundestagswahl.Die Schülerinnen und Schüler sollen sich über die Prognosen zur wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland informieren. die verschiedenen Prognosen vergleichen. unterschiedliche Positionen zu Mindeslöhnen kennen lernen, vergleichen und diskutieren. sich der internationalen wie nationalen Einflussfaktoren auf die Wirtschaftsentwicklung bewusst werden. Aspekte der Kapitalismuskritik kennenlernen, analysieren und diskutieren. das Internet als Informations- und Recherchemedium nutzen. Thema Konjunktur: Warten auf den Aufschwung Autoren Wolfgang Bauchhenß und Michael Bornkessel Fach Politik, Sozialwissenschaften Zielgruppe Sek I und II, ab Klasse 9 Zeitaufwand je nach Intensität und Schwerpunktsetzung mindestens 3 Stunden Medien Computer mit Internetzugang Schwächephase dauert an Ende 2004 sah es noch gut aus: Die Wirtschaftsforschungsinstitute rechneten damit, dass sich die deutsche Konjunktur erholen und 2005 immerhin um 1,6 Prozentpunkte wachsen werde. Doch Ende April 2005 nahmen die sechs führenden Institute ihre Prognose zur Lage der Welt- und der deutschen Wirtschaft zurück: Deutschland stecke weiterhin in einer "konjunkturellen Schwächephase", die Erholung sei zum Stillstand gekommen. Daher rechnen die Experten in diesem Jahr mit einem ein Wachstum des Bruttoinlandsproduktes (BIP) von nur noch 0,7 Prozent. 2006 soll das BIP aber wieder etwas mehr zulegen: Man geht von 1,5 Prozent aus. Dazu beigetragen hat nach Ansicht der Wirtschaftsforschungsinstitute abgesehen von der weiterhin schwächelnden Weltwirtschaft insbesondere die Aufwertung des Euro. Die immer noch schwache Binnennachfrage habe außerdem das Nachlassen der Exportdynamik nicht ausgleichen können. Unternehmen weiter pessimistisch Nach der Mai-Umfrage des ifo-Instituts in München stellt sich die deutsche Wirtschaft auf weitere Monate im Konjunkturtief ein. Im Mai fiel der ifo-Geschäftsklimaindex erneut. Die Stimmung unter den 7.000 befragten Unternehmen in Deutschland verschlechterte sich damit zum vierten Mal in Folge. Ein Grund ist die schwache Binnennachfrage: Die Deutschen konsumieren sehr zurückhaltend. Mit einem baldigen Aufschwung ist laut dem ifo-Konjunkturexperten Klaus Abberger nicht zu rechnen. Der Index gilt als einer der wichtigsten Frühindikatoren der deutschen Wirtschaft. Bundesregierung senkt Erwartungen Auch die Bundesregierung musste Farbe bekennen und ihre Prognosen nach unten korrigieren. Auf einer Pressekonferenz sagte Wirtschaftsminister Wolfgang Clement, dass man in diesem Jahr mit einem Wirtschaftswachstum von nur noch einem Prozent rechne. Kommt es zu vorgezogenen Neuwahlen, wird die Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik das dominierende Wahlkampfthema sein. Für die Bunderegierung ist die wirtschaftliche Wandel von zentraler Bedeutung, wenn sie den derzeitigen Trend der Meinungsumfragen umkehren und die geplanten Neuwahlen gewinnen will. Dauerproblem Arbeitslosigkeit Auch auf dem Arbeitsmarkt hat sich die Situation verschlechtert. Zwar nahm infolge der verschiedenen Arbeitsmarkt-Reformen der Bundesregierung die Beschäftigung insgesamt zu. Doch die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, die die grundlegende Tendenz am Arbeitsmarkt besser wiederspiegelt, sank erneut. Anfang 2005 erhöhte sich die Zahl der registrierten Arbeitslosen sprunghaft auf über fünf Millionen. Mit dem Inkrafttreten der Hartz IV-Reformen wurden nämlich auch die erwerbsfähigen Sozialhilfeempfänger in die Statistik einbezogen. Für 2005 rechnen die Institute mit durchschnittlich 4,84 Millionen Menschen ohne Arbeit. Die Institute gehen in ihrer Prognose davon aus, dass die Arbeitslosenzahl erst im Jahr 2006 auf 4,52 Millionen sinken werde. Günstige Rahmenbedingungen der Weltwirtschaft Immerhin erwarten die Wirtschaftsforscher, dass die Schwächephase im Lauf dieses Jahres allmählich überwunden werde. Die Rahmenbedingungen für eine konjunkturelle Erholung seien jedenfalls überwiegend günstig, und die Expansion der Weltwirtschaft setze sich in zügigem Tempo fort. Davon könne vor allem der Export profitieren: Wegen der sich verbessernden Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen wird damit gerechnet, dass der Weltmarktanteil der deutschen Exporteure leicht steigen wird. Schlusslicht in Europa Ähnlich pessimistisch wie die deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute ist die EU-Kommission. Sie veröffentlichte Anfang April ihre Frühjahrsprognose und halbierte darin die deutschen Wachstumsaussichten: Sie rechnet 2005 mit einem Wachstum von nur 0,8 Prozent - Deutschland ist damit das Schlusslicht in Europa. Das höchste Wachstum verbucht nach dieser Prognose Irland mit 4,9 Prozent, gefolgt von Luxemburg mit 3,8 und Finnland mit 3,3 Prozent. Die Ursache für die schleppende Entwicklung sieht die EU ebenfalls in dem anhaltend hohen Ölpreis sowie dem starken und damit den Export verteuernden Euro. Stabilitätspakt bleibt Hürde Obwohl die Bundesregierung erste Reformen auf den Weg gebracht hat, rechnet Brüssel mit keiner unmittelbaren Erholung auf dem deutschen Arbeitsmarkt. Frühestens zur Mitte dieses Jahres könne die Bundesregierung weniger Arbeitslose erwarten. Auch der deutsche Export werde 2005 die Spitzenwerte des Vorjahres nicht erreichen, die weltweite Nachfrage nach Investitionsgütern lasse nach. Die Kommission befürchtet, Deutschland werde mit einer Neuverschuldung von 3,3 Prozent erneut gegen den Euro-Stabilitäts- und Wachstumspakt verstoßen - zum vierten Mal in Folge. Die EU-Kommission erklärte aber, dass diese Prognose zur Neuverschuldung nicht endgültig sei. Lahmer Wachstumsmotor Generell lahmt derzeit die Wirtschaft in Europa: Auch die Wirtschaft der restlichen Eurozone wächst nicht so stark wie erwartet. Der EU-Währumgskommissar Almunia rechnet in den zwölf Mitgliedsländern, die den Euro als Währung eingeführt haben, für 2005 mit einem durchschnittlichen Wachstum von 1,6 Prozent. In ihrer Herbstprognose war die Kommission noch von zwei Prozent ausgegangen. Kurskorrekturen Bereits im März hatte der Brüsseler EU-Gipfel beschlossen, die so genannte Lissabon-Strategie zu überarbeiten. Auf dem Gipfel in Lissabon (2000) hatten sich die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union ein ehrgeiziges Ziel gesetzt: Sie wollten Europa bis 2010 zum weltweit dynamischsten Wirtschaftsraum machen. Doch die lahmende Konjunktur machte den Europäern einen Strich durch die Rechnung. Daher haben sie das Konzept überarbeitet und wollen sich nun auf die Schwerpunkte Wachstum und Beschäftigung konzentrieren. Überall zählen Wachstum und Beschäftigung Als nächsten konkreten Schritt für den Neustart der Lissabon-Strategie legte die Europäische Kommission Anfang Mai ein Arbeitspapier mit Leitlinien zu Struktur und Inhalt der einzelnen nationalen Reformprogramme vor. Die Kommission forderte darin die 25 Mitgliedstaaten auf, ihre jeweiligen nationalen Programme bis zum 15. Oktober 2005 zu veröffentlichen. Diese nationalen Reformprogrammen sollen Vorschläge zur Umsetzung der integrierten Leitlinien für Wachstum und Beschäftigung innerhalb der nächsten drei Jahre enthalten. Auf dieser Grundlage wird die Kommission auch die Maßnahmen und Fortschritte der Mitgliedstaaten beurteilen können. Mindestlöhne durch die Hintertür Vor allem die Gewerkschaften setzen sich seit langem für gesetzlich festgelegte Mindestlöhne ein. So weit wollte die Bundesregierung bislang nicht gehen, aber sie wird - quasi durch die Hintertür - Mindestlöhne einführen: Ende April 2005 wurde beschlossen, das so genannte Arbeitnehmer-Entsendegesetz angesichts der Konkurrenz durch Arbeitnehmer aus Osteuropa auf alle Branchen auszudehnen. Ausweitung des Entsende-Gesetzes Dieses Entsendegesetz stammt aus dem Jahr 1996. Damals wuchs die Zahl der osteuropäischen Arbeiter auf deutschen Baustellen. Diese wurden lediglich vorübergehend beschäftigt, und die Arbeitgeber durften sie daher zu den niedrigeren Löhnen der jeweiligen Heimatländer bezahlen. Um das zu verhindern, hat die Bundesregierung für die Baubranche und ihre Nebengewerbe allgemein verbindliche Mindesttarife festgelegt, die für alle Arbeitnehmer gelten sollen. CDU/CSU kündigt Widerstand an Die CDU/CSU will die Ausweitung des Entsendegesetzes allerdings verhindern und im Bundesrat dagegen stimmen. "Einen gesetzlichen Mindestlohn durch die Hintertür wird es mit den Unions-Parteien nicht geben", sagte Ronald Pofalla, stellvertretender Vorsitzender der Unions-Fraktion im Bundestag. Man sei lediglich bereit, eine befristete Ausweitung des Entsendegesetzes auf einzelne Branchen zu prüfen. Hohe Mindestlöhne bergen Gefahren Auch das Institut der deutschen Wirtschaft in Köln (IW) ist skeptisch: Nach Ansicht der Wissenschaftler hat nämlich unter anderem der hoch angesetzte Mindestlohn dazu beigetragen, dass die Zahl der inländischen Beschäftigten im Bauhauptgewerbe von 1,25 Millionen im Jahr 1997 auf nur noch 767.000 im Jahr 2004 eingebrochen sei. Eine Ausweitung auf andere Branchen werde daher nicht helfen, warnt das IW und führt als Beispiel die Großschlachtereien an. Hier sind nach Gewerkschaftsangaben rund 26.000 Fleischer durch billigere Arbeitskräfte aus den neuen EU-Staaten ersetzt worden. Bei diesen und anderen, nicht an einen bestimmen Ort gebundenen Dienstleistungen würden zu hohe Mindestlöhne nur zu einer weiteren Jobverlagerung ins Ausland führen. Dann kämen die osteuropäischen Schlachter zwar nicht mehr nach Deutschland. Doch dafür werde das Vieh zum Schlachten ins Ausland transportiert und anschließend wieder in die Bundesrepublik zurückgebracht. Konjunkturfalle Das IW rechnet außerdem damit, dass flächendeckende Mindestlöhne in anderen Bereichen zu einem kräftigen Preisanstieg führen werde und dies die ohnehin angeschlagene Konsumkonjunktur weiter negativ beeinflusse. Das IW rät daher, die Löhne dem Wettbewerb anzupassen: Gegebenenfalls müsste der Staat die Entgelte der Arbeitnehmer so aufstocken, dass sie deren Auskommen sichern. Eindeutige Position der Gewerkschaften Die Gewerkschaften dagegen unterstützen die Ausweitung des Entsendegesetzes. Michael Sommer, Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), bezeichnete das geplante Gesetz als "wichtigen und richtigen Schritt". Franz-Josef Möllenberg, Vorsitzender der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG), sagte: "Das ist ein Schritt in die richtige Richtung, aber das reicht nicht aus". Beispielsweise im Hotel- und Gaststättengewerbe sei eine bundesweit einheitliche Tarifregelung kaum zu erreichen. Schon heute fielen in Ostdeutschland rund 45 Prozent der Beschäftigten nicht mehr unter den Schutz eines Tarifvertrages. Deswegen forderte er, parallel zur Ausweitung des Entsendegesetzes, weiterhin die Einführung gesetzlicher Mindestlöhne. Profit-Maximierung statt sozialer Verantwortung Im April 2005 hat der SPD-Vorsitzende Franz Müntefering mit einer Grundsatzrede zum künftigen SPD-Parteiprogramm eine kontroverse Diskussion um die Gestalt des Kapitalismus im 21. Jahrhundert entfacht. "Die international forcierten Profit-Maximierungs-Strategien gefährden auf Dauer unsere Demokratie", kritisierte er. Es liege daher im Interesse von Unternehmen, die sich für ihre Mitarbeiter und den Standort verantwortlich fühlten, diesen Entwicklungen entgegenzutreten. "Unsere Kritik gilt der international wachsenden Macht des Kapitals und der totalen Ökonomisierung eines kurzatmigen Profit-Handelns", so Müntefering. Einzelne Menschen und die Zukunftsfähigkeit ganzer Unternehmen und Regionen gerieten bei solchen Strategien aus dem Blick, die "Handlungsfähigkeit der Staaten wird rücksichtslos reduziert". Wenn Sparen kostet Trotz empörter Reaktionen von Opposition und Wirtschaft hielt Müntefering an seiner Kritik fest und intensivierte sie mehrfach: So sagte Müntefering in einer Aktuellen Stunde im Bundestag, dass immer mehr Firmen deutsche Arbeitnehmer durch billige ausländische Scheinselbstständige ersetzten. Viele Unternehmen siedelten wegen Einsparungsmöglichkeiten in Höhe weniger Prozente ins Ausland um und ließen die Arbeitnehmer und ihre Familien im Stich. Kleine Unternehmen hätten zudem Probleme, Kredite von Banken und Sparkassen zu erhalten, die Managergehälter stiegen ins Unermessliche. "Das alles hat mit sozialer Marktwirtschaft und Unternehmerethik nichts zu tun", kritisierte der SPD-Vorsitzende. "Da geht es um den Vorteil weniger, und da geht es um Lasten für Viele. Das ist marktradikal und asozial." Gegen die Unternehmensethik der Deutschen Bank Beispielhaft wandte er sich gegen das Vorhaben der Deutschen Bank, die trotz großer Gewinne mehrere tausend Arbeitnehmer entlassen wolle. Bei Ackermann stimme die Unternehmensethik nicht mehr, "wenn er eine Eigenkapitalrendite von 25 Prozent zum Ziel erklärt und bei gewachsenen Gewinnen am selben Tag ankündigt, 6.400 Menschen zu entlassen", sagte Müntefering der "Bild am Sonntag". Die Heuschrecken-Polemik Sein "Heuschrecken-Vergleich" sorgte dabei für besonders viel Aufsehen: Müntefering warf den meist amerikanischen Unternehmen der so genannten Private-Equity-Branche vor, wie "Heuschrecken" über Deutschland herzufallen, Firmen aufzukaufen und sie dann rücksichtslos zu zerschlagen. Das ging dem Historiker Michael Wolffsohn, Professor an der Universität der Bundeswehr in München, zu weit. Er warf Müntefering vor, seine Anti-Kapitalismus-Rhetorik ähnele der Nazi-Hetze gegen Juden. In dem Beitrag "Über Münteferings Stil", Anfang Mai erschienen in der "Rheinischen Post", kritisiert Wolffsohn den SPD-Parteivorsitzenden heftig: "60 Jahre 'danach' werden heute wieder Menschen mit Tieren gleichgesetzt, die - das schwingt unausgesprochen mit - als 'Plage' vernichtet, 'ausgerottet' werden müssen." Müntefering räumte inzwischen ein, dass sein Vergleich von Unternehmen mit Heuschrecken sehr drastisch gewesen sei. Er finde es aber "gut, dass die Debatte so intensiv geführt wird". Es gehe darum, ob sich der Primat der Politik durchsetze oder der Leitsatz "Das Geld regiert die Welt." Was die Manager dazu sagen Deutschlands Spitzenmanager verteidigen allerdings ihre Geschäftsstrategien: "Gewinne sind unabdingbare Voraussetzung für Investitionen und Arbeitsplätze", sagte beispielsweise Bayer-Chef Werner Wenning. Es wurden allerdings auch einige Stimmen unter den Managern laut, die den wachsenden Druck der Finanzmärkte kritischer sehen. So sprach TUI-Chef Michael Frenzel von "Verwerfungen", wenn sich "Börsenbewertungen abkoppeln von der physischen Unternehmensentwicklung". Nach Ansicht von Wolfgang Reitzle, Vorstandsvorsitzender der Linde AG, müsse sich jedes börsennotierte Unternehmen zwar "den klaren Gesetzen des Kapitalmarkts stellen". Es dürfe sich diesen Regeln aber nicht "um jeden Preis" unterwerfen. Commerzbank-Chef Klaus-Peter Müller warnte dagegen vor einer "unglücklichen Diskussion" zu einem "falschen Zeitpunkt". Unterstützt werden die gescholtenen Manager dabei von Bundestagspräsident Wolfgang Thierse, der in verschiedenen Interviews zur Besonnenheit aufrief: Es gehe nicht um eine pauschale Kritik an Unternehmern, sondern um eine grundsätzliche Diskussion darüber, wie die soziale Marktwirtschaft zukunftsfähig zu gestalten sei.

  • Wirtschaft
  • Sekundarstufe I, Sekundarstufe II

Europas erste Verfassung: Ein Weg mit Hindernissen

Unterrichtseinheit

Eine gemeinsame Verfassung für 450 Millionen Menschen in Europa: Diese Vision sollte bis 2006 Realität werden. Nach den Referenden in Frankreich und den Niederlanden müssen die EU-Politiker ihren Zeitplan und eventuell auch den Entwurf des Verfassungsvertrags überdenken.Nachdem sich die Staats- und Regierungschefs der 25 EU-Länder im Juni 2004 auf einen gemeinsamen Text einigen konnten, ratifizierte das Europaparlament im Januar 2005 mit deutlicher Mehrheit den Text für die geplante Europäischen Verfassung. 500 der 732 Abgeordneten stimmten dafür, quer durch alle Parteien und Nationalitäten. Auch zehn Mitgliedsländer haben dem Entwurf des Verfassungsvertrags inzwischen zugestimmt, darunter Deutschland per Abstimmung im Bundestag und Bundesrat. Ganz so deutlich sind die Mehrheiten unter den Bürgerinnen und Bürgern der EU allerdings nicht. Die Volksentscheide in Frankreich und den Niederlanden haben gezeigt, dass es aus Sicht der Bevölkerung noch Diskussions- und Änderungsbedarf gibt. Der bisherige Zeitplan lässt sich nicht mehr einhalten. Jetzt soll die Ratifizierung des Verfassungsvertrag bis 2007 abgeschlossen sein.Die Schülerinnen und Schüler sollen sich über die Enstehung der Europäischen Verfassung und ihre Zielsetzung informieren. die wichtigsten Inhalte der Verfassung kennen lernen. sich der im Laufe ihrer Ausdehnung immer komplexer werdenden Strukturen der Europäischen Union bewusst werden. die nationalen Abstimmungsmodalitäten über die EU-Verfassung (Volksentscheid oder Parlamentsabstimmung) vergleichen und diskutieren. die Ursachen für die Abstimmungsergebnisse in Frankreich und den Niederlanden diskutieren. das Internet als Informations- und Recherchemedium nutzen. verschiedene Artikel und Kommentare zu einem Thema vergleichen. Thema Die Europäische Verfassung: Inhalte und Ziele Autoren Wolfgang Bauchhenß und Michael Bornkessel; Ute Schröder Fach Politik, Sozialwissenschaften Zielgruppe Sek I und II, ab Klasse 10 Zeitaufwand je nach Intensität und Schwerpunktsetzung mindestens 3 Stunden Medien Computer mit Internetzugang Neue Mitglieder, neue Organisation Die Europäische Union hat in den vergangenen Jahrzehnten nicht nur mehr Mitglieder, sondern gleichzeitig auch immer mehr Rechte erhalten. Für viele Politikbereiche, die unser tägliches Leben betreffen, sind inzwischen die europäischen Organe und Institutionen zuständig. Bestes Beispiel ist der Euro: Früher waren die Regierungen der einzelnen Staaten selbst für ihre Finanzpolitik verantwortlich, heute steuert die Europäische Zentralbank in Frankfurt am Main die Geldpolitik für die Eurozone. Dabei ist sie völlig unabhängig; die Mitgliedstaaten dürfen keinen Einfluss auf die Bank ausüben. Seit grenzenloser Handel in den EU-Staaten möglich ist, legt die Europäische Union die Regeln dafür fest. Sie überwacht auch den fairen Wettbewerb in den EU-Staaten: Früher dominierten in jedem Land staatliche Monopolgesellschaften den Markt für Telekommunikation; dass heute viele verschiedene Telefongesellschaften miteinander konkurrieren - und verbraucherfreundliche Preise anbieten - ist ein Resultat der EU-Bestrebungen, die Märkte zu deregulieren. Auch in Gesundheits- und Verbraucherfragen schafft die EU die Rahmenbedingungen; die nationalen Regierungen müssen sie dann in Gesetze fassen. Derzeit sorgt in diesem Zusammenhang das Verbot von Tabakwerbung für Schlagzeilen, eine Idee der Europäischen Union, die die Bundesregierung nun umsetzen muss. Verfassungsvertrag soll Zusammenarbeit regeln Die Institutionen konnten mit dem Wachstum der EU aber kaum Schritt halten. So wurde ihr Zusammenspiel immer komplizierter. Mehrmals hat die Europäische Union versucht, ihren Aufbau zu reformieren, zum Beispiel in den Verträgen von Maastricht (1993), Amsterdam (1999) oder Nizza (2003). Als 2004 die Erweiterung der EU auf 25 Staaten anstand - 2007 sollen es mit Rumänien und Bulgarien sogar 27 werden - wurde es definitiv nötig, die wichtigsten politischen Spielregeln grundsätzlich neu festzulegen. Die Staats- und Regierungschefs beschlossen, die bisherigen Verträge durch eine gemeinsame Verfassung zu ersetzen. Obwohl meist von einer "Verfassung" die Rede ist, stimmt diese Bezeichnung nicht ganz. Es handelt sich vielmehr um einen "Vertrag über eine Verfassung für Europa", also nicht um eine Verfassung im nationalen Sinne, sondern um einen Vertrag zwischen souveränen Regierungen, die einen Teil ihrer Macht an die EU-Institutionen abgeben. Klar festgelegte und durchschaubare Kompetenzen Diese Verfassung soll die EU fit machen für 27 (oder mehr) Mitglieder. Durch die neu festgelegten Kompetenzen sollen die EU-Organe ihre Entscheidungen klarer treffen und ihre Arbeit effizienter verrichten. Gleichzeitig soll die Struktur der Europäischen Union für die Bürger durchschaubarer werden. Neben den Kompetenzen der EU legt die Verfassung auch Bürgerrechte fest, indem sie sich auf die Charta der Grundrechte der Europäischen Union stützt. Ihre nationalen Verfassungen werden die einzelnen Staaten der EU weiterhin behalten, das heißt, auch wenn die EU-Verfassung in Kraft tritt, gilt in der Bundesrepublik Deutschland weiterhin das Grundgesetz. Doch die Verfassung bildet den gemeinsamen europäischen Rahmen, der die Grundrechte und Werte für alle Bürgerinnen und Bürger Europas definiert. Konvent als Geburtshelfer Ende 2001 beschlossen die Staats- und Regierungschefs, für die Ausarbeitung der Verfassung einen Konvent einzuberufen. Er setzte sich aus Vertretern aller Nationalitäten zusammen, die aus den nationalen Parlamenten, dem europäischen Parlament, den Regierungen und der EU-Kommission kamen. Sein Leiter war der frühere französische Präsident Valéry Giscard d'Estaing. Vorbild für dieses Gremium war ein ähnlicher Konvent, der im Jahr 2000 die Charta der Grundrechte der EU erarbeitet hatte. Der Konvent diskutierte, wie die künftige Union aussehen sollte. Es ging dabei etwa um die Aufteilung von Zuständigkeiten zwischen EU-Organen und den Mitgliedsstaaten, um eine gemeinsame Außenvertretung der Europäischen Union oder um die demokratische Legitimierung der Union. Erste nationale Hindernisse Nach anderthalb Jahren hatte sich der Konvent auf einen Entwurf für die EU-Verfassung geeinigt. Darin war auch die Charta der Grundrechte der Europäischen Union eingeflossen, die den besonderen Rechtsschutz der EU-Bürger festlegt. Im Herbst 2003 aber weigerten sich einige Länder, dem Entwurf zuzustimmen - die Regierungschefs von Spanien und Polen wollten sich nicht damit abfinden, an Einfluss innerhalb der EU zu verlieren. So mussten die Politiker die Verfassung verschieben und die alten Verträge blieben weiterhin gültig. Erst ein halbes Jahr später - mittlerweile gab es neue Regierungen in Madrid und Warschau - einigten sich die Regierungschefs auf einen Kompromiss. Allerdings bestanden sie auf etlichen Änderungen gegenüber dem Entwurf des Konvents, die die ursprünglichen Vorschläge abschwächten - zu viel Einfluss wollte letztlich keiner der Regierungschefs an die europäischen Organe abgeben. Am 29. Oktober 2004 war dann aller Streit vergessen, die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union trafen sich an einem historischen Ort. Auf dem Kapitol in Rom hatten ihre Vorgänger im März 1957 die so genannten Römischen Verträge unterzeichnet und damit den Grundstein für die heutige EU gelegt. Dort setzten die 25 feierlich ihre Unterschriften unter die Europäische Verfassung. Im Frühjahr 2005 stimmte auch das EU-Parlament dem Entwurf zu. Nun ist es an den Parlamenten oder an den Bürgerinnen und Bürgern Europas, über die Verfassung abzustimmen. Die Verfassung gliedert sich in vier große Teile. Im ersten Teil regelt sie ganz allgemein die Zuständigkeiten, die Ziele und Werte der Europäischen Union; sie definiert die Organe der EU und die Finanzen. Im zweiten Teil findet sich die Charta der Grundrechte der EU-Bürger wieder, in der Rechte wie Freiheit, Gleichheit und die Menschenwürde festgeschrieben werden. Der dritte Teil definiert recht detailliert die Arbeitsweise und die Politikbereiche der EU. Im vierten Teil stehen juristische Hinweise für das Inkrafttreten der Verfassung. Freiheit, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit Die Verfassung legt gemeinsame Werte für alle Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union fest. Sie verpflichtet die EU-Staaten zur Achtung der Menschenwürde, der Freiheit, der Demokratie, der Gleichheit und der Rechtsstaatlichkeit. Die Grundrechtcharta ist fester Bestandteil der Europäischen Verfassung. Sie definiert die allgemeinen Freiheits- und Gleichheitsrechte, die Bürgerrechte und Grundrechte. Diese Rechte sind damit für die Politik der Europäischen Union und für die Rechtsprechung in den EU-Mitgliedsstaaten verbindlich. Mit oder ohne Gott? Streit gab es in der Verfassungs-Diskussion unter anderem um den Gottesbezug. In einigen nationalen Verfassungen ist die christliche Tradition des Gemeinwesens verankert. In der EU-Verfassung wollte die Mehrheit der Staaten jedoch einen solchen Gottesbezug nicht erwähnt wissen. Die Regierungen einigten sich schließlich auf einen Hinweis auf das "kulturelle, religiöse und humanistische Erbe Europas" in der Präambel der Verfassung. Wichtige Neuerungen betreffen die Funktionsweise der Europäischen Union, denn das Zusammenspiel der verschiedenen Institutionen wurde in den letzten Jahrzehnten immer komplizierter. Mehrmals hat die Europäische Union ihre Funktionsweise reformiert - zum Beispiel in den Verträgen von Maastricht, Amsterdam oder Nizza. Mit der Erweiterung der EU auf zuletzt 25 Staaten wurde es nötig, die wichtigsten Spielregeln der politischen Zusammenarbeit neu festzulegen. Mit der Verfassung soll die EU fit gemacht werden für 25 oder mehr Mitglieder; die EU-Organe sollen ihre Entscheidungen klarer treffen können. Die Europäische Kommission Die Europäische Kommission soll nach und nach verkleinert werden. Bis 2014 darf noch jeder Staat einen Kommissar oder eine Kommissarin nach Brüssel schicken. Danach soll die Anzahl der Kommissionsmitglieder auf zwei Drittel der Anzahl der Mitgliedstaaten begrenzt werden, das wären nur noch 18. Um alle Länder zu beteiligen, sollen die Kommissarinnen und Kommissare regelmäßig ausgetauscht werden. Das Europäische Parlament Auch für das Europäische Parlament stehen Änderungen an: Künftig werden hier maximal 750 Abgeordnete sitzen. Kleinere Staaten sind nun mit mindestens sechs Parlamentariern vertreten, die größeren Staaten können höchstens 96 Abgeordnete nach Straßburg schicken. Das bedeutet, dass künftig drei deutsche Abgeordnete weniger als bisher im Parlament sitzen werden. Der Rat der Europäischen Union Besonders wichtig ist die Festlegung der Stimmenverhältnisse im Rat der Europäischen Union, dem eigentlichen Entscheidungsgremium. Hier gab es bisher in einigen Politikbereichen Veto-Regelungen, die es Minderheiten erlaubten, bestimmte Entscheidungen zu blockieren. Auch die Verabschiedung der EU-Verfassung wurde durch solche Regelungen blockiert. Künftig sollen mehr Entscheidungen schon mit qualifizierter Mehrheit beschlossen werden. So kann der Rat künftig Gesetze mit einer qualifizierten Mehrheit von 55 Prozent beschließen; darunter müssen die Stimmen von mindestens 15 Mitgliedsstaaten sein. Diese komplizierte Regelung soll die Rechte kleinerer Staaten stärken, sie verhindert zum Beispiel, dass drei große Staaten eine Entscheidung blockieren. Für bestimmte Entscheidungen ist eine noch größere Mehrheit von 72 Prozent nötig, etwa wenn es um außen- und wirtschaftspolitische Fragen oder um die Innen- und Justizpolitik geht. Bislang wechselte die Präsidentschaft des Rates alle sechs Monate, künftig wird der Ratspräsident für zweieinhalb Jahre bestimmt. Die Außenpolitik Sobald die Verfassung in Kraft tritt, wird es auch einen europäischen Außenminister oder eine Außenministerin geben. Die Person soll die gemeinsame Außenpolitik der EU koordinieren und vertreten. Bisher ist dafür ein Kommissar für Außenbeziehungen - zurzeit die ehemalige österreichische Außenministerin Benita Ferrero-Waldner - sowie der außenpolitische Beauftragte des Rates - im Moment der Spanier Javier Solana - zuständig; allerdings sind ihre Zuständigkeiten oft nicht klar. Mit oder ohne Referendum In einigen Ländern erfolgt die Verabschiedung der Verfassung mit einer Abstimmung im Parlament, in anderen Ländern stimmen die Bürgerinnen und Bürger direkt per Volksentscheid ab. In etwa einem Dutzend der EU-Staaten (zum Beispiel Spanien, Frankreich, Niederlande, Luxemburg, Dänemark, Portugal, Großbritannien, Irland, eventuell in Tschechien und Polen) ist ein solches Referendum vorgesehen beziehungsweise bereits erfolgt. DW-World.de: Ein Monster namens Verfassung macht der EU Probleme Das europäische Wahlvolk ist genervt von dem 500-Seiten-Monster, das zur EU-Verfassung gekürt werden soll, meint Korrespondent Alexander Kudascheff. Mittelmäßiger Auftakt Bei dem europaweit ersten Referendum zur EU-Verfassung stimmte im Februar 2005 in Spanien eine Mehrheit von knapp 77 Prozent der Teilnehmer für den Text, gut 17 Prozent dagegen. Die Wahlbeteiligung war allerdings sehr gering, nur 42 Prozent der Stimmberechtigten nahmen teil. DW-World.de: "Si" zur EU-Verfassung Spanien verliert durch die geplante EU-Verfassung Einfluss, Macht und Fördergelder. Warum die Spanier trotzdem für die Verfassung stimmten. Abstimmungsprozess gemäß Grundgesetz In Deutschland wird es keine Volksbefragung zur EU-Verfassung geben, denn solche Abstimmungen sind bei uns laut Grundgesetz nur auf lokaler oder regionaler Ebene vorgesehen. In der Bundesrepublik entscheidet das Parlament über solche Fragen - schließlich stimmen dort die gewählten Volksvertreter ab. Dennoch haben einige Politiker eine Diskussion angestoßen, ob man im Zusammenhang mit der EU-Verfassung nicht doch eine bundesweite Volksbefragung durchführen solle. Entscheidung mit Tragweite Befürworter einer Volksabstimmung, wie etwa der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) oder Vertreter der FDP, führten an, man müsse bei Themen solcher Tragweite die Bürgerinnen und Bürger direkt mit entscheiden lassen. Eine Abstimmung über die EU-Verfassung sei auch ein Weg, die Bevölkerung von der Europäischen Union zu überzeugen, und schließlich führten andere Länder auch Volksbefragungen durch. Entscheidung mit Tiefgang Gegner der Volksabstimmung verwiesen darauf, dass bei so komplexen Themen aus gutem Grund die Experten im Parlament abstimmen - schließlich könnten sie die mehreren hundert Seiten Verfassungstext besser beurteilen als die Wählerinnen und Wähler. Bundesaußenminister Joschka Fischer war wegen des Zeitdrucks gegen eine Volksbefragung, denn schließlich gehe es darum, die Verfassung möglichst schnell zu verabschieden. Andere Kritiker sehen die Gefahr, dass eine Volksabstimmung von EU-Gegnern instrumentalisiert werden könnte. Klare Zweidrittelmehrheiten Letztlich fand sich keine Mehrheit für das Referendum in Deutschland. Der Bundestag stimmte am 12. Mai 2005 ab. 569 der insgesamt 594 Bundestagsabgeordneten haben dabei die EU-Verfassung angenommen. Im Bundesrat war am 27. Mai ebenfalls eine Zweidrittel-Mehrheit erforderlich. Die gab es deutlich, denn nur Mecklenburg-Vorpommern, das von einer Koalition aus SPD und PDS regiert wird, enthielt sich bei der Abstimmung. Deutsche Spitzenpolitiker appellierten anschließend an die Franzosen, in der Volksabstimmung am 29. Mai der Verfassung ebenfalls zuzustimmen. Der CSU-Abgeordnete Peter Gauweiler will nach der Abstimmung in der Länderkammer jedoch eine Klage gegen die EU-Verfassung beim Bundesverfassungsgericht einreichen. DW-World.de: Leidenschaftslose Zustimmung zur EU-Verfassung in Deutschland Während in Frankreich Gegner der EU-Verfassung auf die Straße gehen, lief die deutsche Diskussion vor allem in elitären Zirkeln. DW-World.de: Deutsche verlieren Vertrauen in die EU Auf eines konnte man in der Vergangenheit immer setzen: auf die Europabegeisterung der Deutschen. Die scheint verflogen. Anspannung vor dem Referendum Mit Spannung wurde das Ergebnis des französischen Referendums am 29. Mai erwartet. Es galt schon im Vorfeld als Bewährungsprobe für die Verfassung und die EU-Politik, aber auch für die EU-Politik des Staatspräsidenten Jacques Chirac und seine Regierung. Denn klar war: Stimmen die Bürgerinnen und Bürger eines einzigen EU-Landes gegen die Verfassung, gerät der gesamte Ratifizierungsprozess ins Stocken. Wie wichtig den Franzosen und Niederländern ihre Abstimmung über den EU-Verfassungsentwurf war, zeigte die hohe Wahlbeteiligung in beiden Ländern. Von 62,8 Prozent (Niederlande) oder gar 70 Prozent (Frankreich) Wahlbeteiligung hätten die Politikerinnen und Politiker bei den Europawahlen 2004 nur träumen können. In beiden Ländern beherrschte die Debatte um die Verfassung die Öffentlichkeit, Bücher zur EU-Verfassung und zu EU-Fragen führten in den vergangenen Wochen sogar die französischen Bestsellerlisten an. Das Votum ist so klar, dass es niemand in der EU außer Acht lassen kann. Die Verfassung kann schließlich erst dann in Kraft treten, wenn alle Mitgliedsstaaten sie abgesegnet haben. Deutliche Mehrheit der Verfassungsgegner 54,87 Prozent der Befragten stimmten beim französischen Referendum am 29. Mai 2005 gegen die geplante Verfassung, nur 45,13 Prozent sprachen sich für den Entwurf aus. Damit bescherten die Franzosen nicht nur den politischen Verantwortlichen auf EU-Ebene eine deutliche Absage, sondern auch ihrem Staatspräsidenten Jacques Chirac. Der hatte sich bis zum Schluss in mehreren Ansprachen an die Nation für ein klares "Oui" zum Verfassungswerk ausgesprochen. Als Sieger des Referendums verstehen sich die Rechtsextremisten des "Front National" (FN) um Jean Marie Le Pen und die extreme Linke. Die Sozialistische Partei (Parti Socialiste, PS) war im Hinblick auf das Referendum gespalten, ihr linker Flügel sprach sich gegen die Verfassung aus. Ursachenforschung Die Ursachen für das Nein liegen nicht ausschließlich in der EU-Verfassung, sondern auch bei innenpolitischen Fragen. In einer ersten Reaktion hat Jacques Chirac daher seinen Premierminister ausgetauscht und sein Kabinett umgebildet. Bei Umfragen gaben die Gegner der Verfassung verschiedene Gründe für ihr "Non" an, unter anderem die soziale Unsicherheit, unter anderem aufgrund steigender Arbeitslosenzahlen, die Angst vor einer Abwanderung von Unternehmen in Billiglohnländer Osteuropas, die Aushöhlung der nationalen Souveränität, die Angst vor einem möglichen Beitritt der Türkei zur EU und die allgemeine Unzufriedenheit mit der eigenen Regierung. Regierung folgt dem Volk 61,6 Prozent der Wählerinnen und Wähler stimmten beim niederländischen Volksentscheid mit "Nee" ab. Mit einem derartig hohen Ergebnis hatten auch die Verfassung-Befürworter (38,4 Prozent der Stimmen) nicht gerechnet. Obwohl das Referendum in den Niederlanden verfassungsrechtlich keinen politisch bindenden Charakter hat, wird sich die Regierung um Ministerpräsident Balkenende an das Votum des Volkes halten. Der Gesetzentwurf zur Ratifizierung der Verfassung durch das Parlament wurde bereits zurückgezogen, die für Herbst geplante Abstimmung im Parlament entfällt damit. Ähnliche Gründe wie in Frankreich Bei Umfragen vor der Volksabstimmung nannten die Bürgerinnen und Bürger verstärkt folgende Gründe für ihre Ablehnung: die Teuerung seit der Einführung des Euro, der wirtschaftliche Niedergang seit der EU-Erweiterung, die Kritik an den niederländischen Finanzbeiträgen zur EU, die Einwanderungspolitik, die Angst vor einem möglichen EU-Beitritt der Türkei, die Angst vor dem europäischen Einfluss auf die nationale Politik und dem Verlust nationaler Identität und Unzufriedenheit mit der eigenen Regierung. Neue Situation erfordert neuen Zeitplan Auf dem Brüsseler EU-Gipfel am 16. und 17. Juni 2005 beschlossen die europäischen Staats- und Regierungschefs, den Ratifizierungsprozess des europäischen Verfassungsvertrags zu verlängern. Der bisherige Zeitplan, nach dem alle 25 Mitgliedsländer dem Entwurf bis zum November 2006 zustimmen sollten, lässt sich nach den negativen Referenden in Frankreich und den Niederlanden ohnehin nicht mehr einhalten. Erst auf einem Sondergipfel im Juni 2006 wollen die europäischen Staats- und Regierungschefs beschließen, wie es weitergehen soll. Ob diese Zeit wirklich für eine "Phase der Reflexion" genutzt wird, wie der irische Außenminister Dermot Ahern es nannte, wird sich zeigen. Die Taktik, das Problem auszusitzen oder auf einen Sinneswandel in Frankreich und den Niederlanden zu hoffen, kann sich die EU in der derzeitigen Situation jedenfalls nicht leisten. Referenden werden verschoben Bislang wurde die geplante EU-Verfassung in zehn Ländern, unter anderem in der Bundesrepublik, ratifiziert. Die Briten haben ihr für Frühjahr 2006 geplantes Referendum auf unbestimmte Zeit verschoben. Ähnliche Überlegungen gibt es in Dänemark und Tschechien. Unbeirrt wollen bislang Polen am geplanten Referendum sowie Belgien und Estland an der Abstimmung durch das Parlament festhalten. Umgang mit negativen Referenden bleibt ungeklärt Der Präsident der EU-Kommission, José Manuel Barroso, schloss vor wie nach dem französischen Referendum neue Verhandlungen über die EU-Verfassung aus. Auch auf dem Brüsseler Gipfel sollen offiziell keine Forderungen nach Nachverhandlungen der Verfassung laut geworden sein. Dennoch bleibt die Frage, wie die Politiker mit den negativen Referenden in Amsterdam und Paris umgehen werden. Bislang betonte der Präsident des Europäischen Parlaments, Joseph Borrell: "Alle europäischen Bürger müssen die Gelegenheit haben, ihre Meinung zum Ausdruck zu bringen." Ob das auch für kritische Bürgerinnen und Bürger gilt und ob es eine Wiederholung der Volksabstimmungen geben wird, müssen die Regierungen in Paris und Amsterdam bis zum Juni 2006 klären. Unter Umständen werden dann noch Forderungen nach Veränderungen des geplanten Verfassungstextes verlangt, so dass die Ratifizierung wieder bei Null beginnen könnte. Kluft zwischen Politik und Bevölkerung überwinden Die Positionen der Bürgerinnen und Bürger mit denen ihrer Parlamente wieder in Einklang zu bringen, wird in den kommenden Monaten die zentrale Aufgabe der EU-Politiker sein. Denn die nationalen Parlamente haben bislang immer positiv über den Verfassungsentwurf abgestimmt. Bei einer repräsentativen Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach Anfang Mai sagten 84 Prozent der befragten Deutschen, die intensivere Zusammenarbeit innerhalb der EU habe für sie eindeutig Priorität. Nur sechs Prozent nannten es als die wichtigste Aufgabe der EU, die Erweiterung voranzutreiben. Der tschechische Präsident Vaclav Klaus könnte daher richtig liegen mit seiner Aussage: "Es gibt eine unendliche Kluft zwischen der europäischen Politik-Elite und der Meinung der normalen Europäer." Wie stark der europäische Gemeinschaftsgeist ist, muss sich in der aktuellen Krisensituation zeigen. Diejenigen, die nach wie vor an die EU glauben, halten es vielleicht mit Max Frisch. Dem schweizerischen Schriftsteller wird die Devise zugeschrieben: "Krise kann ein produktiver Zustand sein, man muss ihr nur den Beigeschmack von Katastrophe nehmen."

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Generationengespräche im Geschichtsunterricht

Fachartikel

Dieser Fachartikel ist ein Erfahrungsbericht über Generationengespräche im Geschichtsunterricht der Sekundarstufe II. Es werden Aspekte der Vorbereitung als auch der Durchführung und Nachbereitung geschildert. "Oral History" in der Praxis – Zeitzeuginnen und Zeitzeugen im Klassenzimmer Hildegard, Ilse, Irmtraut, Werner, Bernhard und Hans-Jörg sind überpünktlich. Die Vorfreude auf den Geschichtsunterricht steht in ihren Gesichtern geschrieben. Dabei kommen sie nicht als Schülerinnen und Schüler. Die Zeit, als sie in dieser Rolle die Schulbank drücken mussten, liegt immerhin mehrere Jahrzehnte zurück. Die Genannten sind bereits Seniorinnen und Senioren und betreten als Gäste das Klassenzimmer, in dem sie von Jugendlichen eines Geschichtskurses der Jahrgangsstufe 11 freundlich empfangen werden. Die Anwesenheit der rüstigen Rentnerinnen und Rentner ersetzt an diesem Schultag sowohl die Geschichtsbücher als auch anderes Unterrichtsmaterial. "Oral History" ist angesagt: Als Zeitzeuginnen und Zeitzeugen bringen die Gäste Geschichte in Form von lebendigen Erinnerungen, packenden Schilderungen und fundierten Einschätzungen in den Klassenraum ; einige haben zudem aussagekräftige Fotos und persönliche Gegenstände aus alten Zeiten im Gepäck. Solche "Generationengespräche" zwischen Seniorinnen und Senioren sowie Schülerinnen und Schülern der Sekundarstufe II, die ich als Geschichtslehrer seit einigen Jahren regelmäßig in meinen Unterricht integriere, machen die behandelten Themen anschaulich und sind nicht nur fachlich, sondern auch menschlich eine Bereicherung. Meiner Erfahrung nach schafft es kein Medium, das Interesse am Schulfach Geschichte derart stark zu fördern, wie der persönliche Kontakt zu Zeitzeuginnen und Zeitzeugen. Ehemalige Schülerinnen und Schüler, mit denen ich bei Zufallsbegegnungen ins Gespräch komme, erinnern sich noch begeistert an viele Details aus früheren Generationengesprächen. Natürlich sind die Themen, die sich für die Einbindung von Oral History eignen, auf den Bereich der neueren Geschichte beschränkt. Trotzdem bieten sich viele interessante Gesprächsanlässe – zum Beispiel zur Lokal- oder Regionalgeschichte, zur Geschichte der Bundesrepublik oder zur europäischen Einigung . Schule als Begegnungsort – Geschichte durch Geschichten erleben … bei Kaffee und Kuchen Ein Generationengespräch sollte im Geschichtsunterricht einer Lerngruppe keine einmalige Veranstaltung sein. Viel ergiebiger ist es, diese Form von Oral History als regelmäßiges Event in einer "Projektklasse" zu verankern. Durch mehrfache Treffen können – vor allem bei den Jugendlichen – Hemmungen abgebaut werden und intensive persönliche Beziehungen zwischen den unterschiedlichen Generationen entstehen. Je stärker die Vertrauensbasis ist, desto größere Lerneffekte können durch das Projekt erzielt werden. Als Lehrkraft und Projekt-Initiator habe ich die Rolle eines Bindeglieds, indem ich die jungen Menschen mit den Zeitzeuginnen und Zeitzeugen zusammenbringe . Einer Kollegin und einem (mittlerweile pensionierten) Kollegen verdanke ich meinen Kontakt zu der eingangs erwähnten Gruppe von aktiven Seniorinnen und Senioren, die seit Jahren mit viel Freude und großem Engagement an den von mir organisierten Generationengesprächen teilnehmen. Ohne die freundschaftliche Verbundenheit mit diesem festen Personenkreis wäre es sicherlich kaum möglich gewesen, das bewährte Projekt nach der langen Zwangspause durch die Corona-Pandemie "wiederzubeleben". Generationengespräche wollen gut vorbereitet sein Die Durchführung eines Generationengesprächs erfordert einen nicht zu unterschätzenden Vor- und Nachbereitungsaufwand. Im Laufe der Zeit hat sich ein fester Ablauf etabliert, den ich im Folgenden am Beispiel des jüngsten von mir organisierten Generationengesprächs zum Thema "Geschichte der Einigung Europas" präsentiere: Die Vorarbeit bestand in erster Linie darin, im Unterricht ein inhaltliches Faktengerüst als Grundlage für das Generationengespräch zu schaffen. Demnach fand das Treffen mit den Seniorinnen und Senioren nach Beendigung der eigentlichen Unterrichtsreihe statt. Nur so waren die Schülerinnen und Schüler in der Lage, fundiert über das – für sie weitestgehend neue – Thema zu sprechen. Konkret: über den Schuman-Plan, die EGKS, die Römischen Verträge und die ersten Europa-Wahlen bis hin zum Brexit. Im Verlauf der Unterrichtseinheit wurde den Jugendlichen sowohl die geografische Dimension als auch die institutionelle Vertiefung des europäischen Einigungsprojekts bewusst. Diese inhaltlichen Erkenntnisse dienten den Schülerinnen und Schülern als Basis, um unter meiner Anleitung einen Fragebogen zu entwickeln, der dann als Leitfaden beim Gespräch mit den Seniorinnen und Senioren zum Einsatz kam. Darüber hinaus ging es in der Phase der Vorbereitung auf den Besuch aber auch um ganz praktische Angelegenheiten, die eine sorgfältige Planung erforderten: die Festlegung eines passenden Termins (ohne "Kollisionen" mit Klausuren oder anderen Projekten), das Schreiben und Verschicken von Einladungen an die Gäste sowie die Organisation des (obligatorischen) Caterings. Schließlich darf bei den mehrstündigen intensiven Generationengesprächen zu interessanten Themen auch das leibliche Wohl nicht zu kurz kommen; ein gemütlicher Rahmen ist für die Gesprächsatmosphäre von entscheidender Bedeutung. Zeitzeuginnen und Zeitzeugen treffen auf Schülerinnen und Schüler Dann kam der Tag, an dem das Generationengespräch über die europäische Einigung stattfinden sollte: Die meisten Schülerinnen und Schüler erschienen pünktlich, um einen bestimmten – für den gesamten Schultag gebuchten – Klassenraum passend einzurichten. Sie stellten Tischgruppen zusammen, bauten ein Kuchenbüffet auf, holten Geschirr aus der Schulküche und kümmerten sich um die Heißgetränke. Einzelne "Drückeberger", die lieber auf ihrem Smartphone herumtippen wollten als Servietten zu falten, wurden von motivierteren Mitschülerinnen und Mitschülern diszipliniert. So klappte die praktische Vorbereitung insgesamt sehr gut. Beim Eintreffen der Gäste herrschte in unserem Projekt-Raum eine regelrechte Wohnzimmer-Atmosphäre. Nach meiner kurzen Begrüßungsansprache stellte die engagierte Kurssprecherin die Lerngruppe vor, da dies für sie das erste Generationengespräch war und sich die Beteiligten noch nicht kannten. Aus diesem Grund wurde die erste halbe Stunde einem intensiven persönlichen Kennenlernen mit Smalltalk-Themen gewidmet und nebenbei sowohl ordentlich gegessen als auch Kaffee und Tee getrunken. Die selbstgebackenen Kuchen, für die sich einige Schülerinnen und Schüler am Vortag freiwillig sehr viel Mühe gegeben hatten, trafen generationenübergreifend jeden Geschmack. Die Sitzordnung im Raum hatte ich gemeinsam mit allen Beteiligten im Vorfeld genau geplant: An jedem der sechs Gruppentische saß jeweils ein Gast zusammen mit drei bis vier Schülerinnen und Schülern. Somit hatten die Jugendlichen die Gelegenheit, eine bestimmte Person besonders gründlich kennenzulernen und in der Arbeitsphase (im Anschluss an den gemütlichen Auftakt) auf der Grundlage des Fragebogens gezielt zu interviewen, um individuelle Antworten zu protokollieren. Es wurde schnell deutlich, dass die Seniorinnen und Senioren in ihrer Kindheit und Jugend noch nicht ahnen konnten, dass die europäische Einigung zu einem Staatenbund wie die EU führen würde. "Damals wurde unser Leben noch von Grenzen und Schlagbäumen eingeengt" , stellte Ilse fest. Werner hob hervor, wie stark die Schrecken des Weltkriegs auch nach 1945 ihre Wirkung zeigten und betonte: "Die europäische Einigung ist in erster Linie durch den Wunsch nach einem dauerhaften Frieden entstanden." Bernhard berichtete von den Startschwierigkeiten neuer Städtepartnerschaften und Hildegard schilderte lebendig, wie sie als Lehrerin daran beteiligt war, einen Austausch mit einer französischen Schule auf die Beine zu stellen. – Diese und noch viele weitere interessante Erinnerungen der Gäste ließen den Vormittag aus der Sicht der Schülerinnen und Schüler wie im Fluge vergehen. Nach fast zweistündigen intensiven Gruppengesprächen über die europäische Einigung war es Zeit für eine Pause. Daraufhin versammelten sich Alt und Jung mit frischen Kräften in einem großen Stuhlkreis, um im Plenum die wesentlichen Ergebnisse der einzelnen Tischgespräche vorzustellen und miteinander zu vergleichen. Ein kurzes Impuls-Referat einer Schülerin über mögliche Zukunftsperspektiven der Europäischen Union führte zur abschließenden Diskussion über die spannende Frage, ob die EU ein Staatenbund bleiben oder sich zu einem Bundesstaat weiterentwickeln werde. Gegen Mittag wurden die Gäste dann herzlich verabschiedet. Nach den erforderlichen Aufräumarbeiten durften schließlich auch die Schülerinnen und Schüler nach Hause gehen. Die Gespräche nachbereiten und reflektieren Wenige Tage später stand die nächste Geschichtsstunde ganz im Zeichen einer Evaluation und inhaltlichen Nachbereitung. Die Jugendlichen gaben ein außerordentlich positives Feedback zum Generationengespräch und äußerten ohne Gegenstimmen den Wunsch, die Seniorinnen und Senioren demnächst wieder zu einem Arbeitstreffen einzuladen. Oral History sei eine ausgezeichnete Methode, um junge Lernende für zunächst etwas trocken wirkende Themen zu begeistern, brachte ein Schüler die Meinung des Kurses auf den Punkt und erklärte sich gern bereit, einen Artikel über die Veranstaltung für die Homepage der Schule zu verfassen. Das Generationengespräch stellte zudem auch dieses Mal besonders für eher zurückhaltende Schülerinnen und Schüler eine Chance dar, Engagement zu zeigen – schließlich war ihre Beteiligung für die Benotung der mündlichen Leistung relevant. Auch in dieser Hinsicht zahlte sich die Teilnahme an dem Projekt für die allermeisten Lernenden im Kurs aus. Generationengespräch zum Thema "Geschichte der Einigung Europas" – Fragebogen Für das Generationengespräch zum Thema "Geschichte der Einigung Europas" entwickelten die Schülerinnen und Schüler meines Geschichtskurses folgenden Fragebogen: Europäische Identität Was bedeutet für Sie Europa? Fühlen Sie sich als Europäerin beziehungsweise Europäer? Hatte Europa in Ihrer Kindheit und Jugend dieselbe Bedeutung wie heute? Haben Reisen in europäische Nachbarländer und Begegnungen mit Menschen aus anderen Teilen Europas Ihr Europa-Bild geprägt? Wie nehmen Sie die Haltung der bundesdeutschen Gesellschaft zum Thema Europa wahr? Hat sich die Haltung der Gesellschaft zu Europa Ihrer Erfahrung nach in den letzten Jahrzehnten geändert? Wie kann das gesellschaftliche Interesse an Europa gesteigert werden? Europäischer Einigungsprozess Konnten Sie als Jugendliche(r) erahnen, dass Sie heute in einem Staatenbund namens EU leben würden? Haben Sie den europäischen Einigungsprozess bewusst mitverfolgt? Spielte das Thema Europa während Ihrer Schulzeit eine Rolle im Unterricht? Welche Erfolge des europäischen Einigungsprozesses sind Ihrer Meinung nach besonders bemerkenswert und wichtig? Was macht die EU für Beitrittskandidaten attraktiv? Wie viele Länder sind 2030 Ihrer Einschätzung nach in der EU? Sollte die EU ein Staatenbund bleiben oder sollte Ihrer Meinung nach daraus ein Bundesstaat entstehen? Brexit Haben Sie mit dem Brexit gerechnet? Wie haben Sie auf den Brexit reagiert? Sind weitere EU-Austritte Ihrer Meinung nach realistisch? Was kann die EU aus dem Brexit lernen? Verschiedene Politikbereiche Wie bewerten Sie … die europäische Außenpolitik – vor allem im Hinblick auf die USA, China und Russland? die europäische Klimapolitik? die europäische Migrationspolitik? die europäische Finanzpolitik? die Zukunft der Euro-Zone? Fazit Im Namen der hier erwähnten Schülerinnen und Schüler sowie Seniorinnen und Senioren empfehle ich Ihnen das Projekt Generationengespräch zum Nachahmen in Ihrem Geschichtsunterricht. Nutzen Sie die Vorteile von "Oral History": Lassen Sie Geschichte (im wahrsten Sinne des Wortes) "lebendig" werden und wecken Sie in Ihrer Lerngruppe Empathie, Neugier und Interesse. Knüpfen Sie im Umfeld Ihrer Schule Kontakte zu aktiven Seniorinnen und Senioren und pflegen Sie diese nachhaltig. Anfangs wartet sicherlich "Pionierarbeit" auf Sie, aber wenn es Ihnen gelingt, die Generationengespräche als festen Bestandteil in Ihren Geschichtsunterricht zu integrieren, ist die Projektorganisation eine reine Routinesache. Sie sollten die Generationengespräche jedoch stets mit konkreten Unterrichtsinhalten verknüpfen, sodass die Schülerinnen und Schüler die persönlichen Schilderungen der Zeitzeuginnen und Zeitzeugen aufgrund ihres Hintergrundwissens einordnen und verstehen können. Ich garantiere, dass die Jugendlichen viele Einzelheiten aus den Gesprächen mit den älteren Gästen so ergreifend finden, dass sie sich noch sehr lange daran erinnern werden. Vielleicht werden sie durch die Generationengespräche dazu motiviert, in einigen Jahrzehnten selbst einmal eine Schulklasse "von übermorgen" zu besuchen und vom Distanzunterricht während des Corona-Lockdowns zu berichten. Oder von Autos, die noch von fossilen Brennstoffen angetrieben wurden.

  • Geschichte / Früher & Heute
  • Sekundarstufe II, Berufliche Bildung
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