Sprachbarrieren im Unterricht – und wie sie beseitigt werden können
Fachartikel
Dieser Fachartikel schärft den Blick von Lehrkräften auf sprachliche "Barrieren" für Lernende in ihrem Fachunterricht und zeigt einige praxiserprobte Möglichkeiten auf, mit denen sich Verständnisschwierigkeiten auf sprachlicher Ebene beseitigen lassen. Auf die Sprache kommt es an – auch in "nicht-sprachlichen" Fächern! Ich unterrichte bereits viele Jahre an einer kaufmännischen Schule. Eine Welt, die nur aus Zahlen besteht – könnten Außenstehende zunächst denken. Viele neue Schülerinnen und Schüler staunten nicht schlecht, als die Personalchefin eines Ausbildungsbetriebs im Rahmen eines Bewerbungstrainings einmal sagte, dass Deutsch in ihren Augen das wichtigste Schulfach sei. Sprache "stecke halt überall drin", so ihre einleuchtende Begründung – ob beim Formulieren eines Geschäftsbriefs , beim Lesen einer Bedienungsanleitung, beim Auswerten einer Wirtschaftsstatistik, bei der Erklärung eines komplizierten Rechenwegs oder bei der Beschreibung eines chemischen Experiments. Diese Sichtweise ist nachvollziehbar. Demnach steht und fällt schulischer Erfolg mit der Sprachbeherrschung – auch in nicht-sprachlichen Fächern. Beispiele für Sprachbarrieren im Unterricht Viele Kolleginnen und Kollegen aus unterschiedlichen Fachrichtungen teilen meine Erfahrung, dass Schülerinnen und Schüler sprachliche Probleme im Unterricht oft nicht thematisieren – ob aus Scham, Bequemlichkeit oder Desinteresse. Uns Lehrkräften ist dadurch häufig nicht bewusst, dass unser Unterricht die vor uns sitzenden Kinder und Jugendlichen sprachlich überfordert. "Sprachbarrieren" werden besonders oft beim Umgang mit Texten deutlich. Auf der Ebene der Aussprache von Wörtern sind sie sofort erkennbar – beispielsweise wenn ein Schüler das Wort gestrig als "geschtrig" vorliest. Verständnisschwierigkeiten in den Bereichen Wortschatz und Wortbedeutung sind allerdings nicht auf Anhieb offenkundig, wenn die Schülerinnen und Schüler nicht direkt um eine Klärung bitten. Was ist ein Überhangmandat? Was bedeutet das Wort ambitioniert? – Fachsprache und Fremdwörter haben es aus der Sicht der Lernenden oft "in sich". Dies gilt auch für Abkürzungen – wie zum Beispiel BIP für Bruttoinlandsprodukt. Altmodische und in der Jugendsprache eher selten verwendete Redewendungen – beispielsweise "etwas geht zur Neige" – kommen als Hürden hinzu, gerade für Schülerinnen und Schüler mit einer anderen Muttersprache als Deutsch. Zudem können sprachliche Mittel wie Metaphorik, Ironie oder Umschreibungen verwirrend wirken, wenn ihre Intention nicht erkannt wird. Wenn Schülerinnen und Schüler bei Klassenarbeiten oder Klausuren abwegige Ergebnisse liefern, könnte die Ursache nicht in einer mangelnden Vorbereitung liegen, sondern schlichtweg daran, dass die Aufgabenstellung nicht korrekt verstanden wurde. Vielleicht hat eine Schülerin ein Phänomen bloß beschrieben, obwohl in der Arbeitsanweisung eine Erläuterung der Zusammenhänge gefordert war. In diesem Fall wird die Aufgabenbearbeitung natürlich nicht den Anforderungen gerecht. Auch ein komplizierter, verschachtelter Satzbau kann für viele Schülerinnen und Schüler zur Sprachbarriere werden. Manche verlieren durch eingeschobene Nebensätze den Überblick. Verständnisschwierigkeiten entstehen auch durch die Verbstellung in Haupt- und Nebensätzen, trennbare Verben und den Einsatz vieler Hilfs- und Modalverben. Kommen etliche und möglicherweise auch noch unbekannte Satzzeichen – wie der von mir sehr oft verwendete Gedankenstrich – hinzu, ist für viele Lernende die Verwirrung perfekt. Neben dem Bereich des Lesens und Verstehens von vorgegebenen Texten tauchen sprachliche Hürden vor allem beim eigenständigen Formulieren auf – insbesondere in schriftlicher Form. Hier reichen die Sprachbarrieren vom mangelnden aktiven Wortschatz, mit der Folge, dass das Ausdrucksvermögen sehr begrenzt ist, über Schwierigkeiten bei der Anwendung grammatischer Regeln bis hin zu Problemen beim Satzbau, die sich häufig auch auf die Zeichensetzung auswirken. Maßnahmen, die (einige) Sprachbarrieren beseitigen können Der Abbau von "Sprachbarrieren" in Ihrem Fachunterricht setzt erstens ein Problembewusstsein bei Ihnen als Lehrkraft und zweitens Ihre Bereitschaft zum Handeln voraus. Thematisieren Sie zunächst den Stellenwert von Sprache in Ihrem Fach, sensibilisieren Sie Ihre Schülerinnen und Schüler und schaffen Sie eine Kultur der Offenheit, die es allen Lernenden ermöglicht, angstfrei über sprachliche Hürden zu sprechen. Auf dieser Grundlage können Sie dann gezielt einige der im Folgenden vorgestellten praktischen Maßnahmen anwenden, um Sprachbarrieren aktiv abzubauen. Bedenken Sie dabei bitte, dass es sich nicht um "Allheilmittel" handelt und dass die Früchte Ihrer Arbeit viel Zeit benötigen, um zu reifen. Die Beseitigung sprachlicher Hürden erfordert bei allen Beteiligten eine Menge Geduld. Die Fünf-Schritt-Lesemethode gilt im Umgang mit Texten als bewährtes Konzept. Dabei lesen die Schülerinnen und Schüler einen Text mehrmals, klären unbekannte Begriffe, markieren wichtige Textstellen, notieren Schlüsselwörter und formulieren Überschriften für einzelne Textabschnitte. In diesem Prozess wenden die Lernenden verschiedene Lesemethoden an – sowohl "überfliegendes" Lesen als auch intensives, "untersuchendes" Lesen. In reifen, leistungsstarken Lerngruppen beherrschen die Schülerinnen und Schüler die Fünf-Schritt-Lesemethode nach einer gewissen Zeit professionell. Meiner Erfahrung nach benötigen problematische, lernschwache Klassen allerdings bei der Bekämpfung von Sprachbarrieren Verfahren, die kleinschrittiger sind und mehr "Input" erfordern. In solchen Lerngruppen kann es durchaus sinnvoll sein, als Lehrkraft Texte zunächst selbst "interpretatorisch" vorzulesen – mit passenden Pausen, Betonungen und eventuell auch erläuternden Einschüben. Wer als junges Kind Eltern hatte, die sich die Zeit nahmen, um in dieser Form Bücher vorzulesen, kennt und schätzt diese Vortragsweise, die eine Grundlage für das Entwickeln von Textverständnis bildet. Allerdings gehört es leider zur gesellschaftlichen Realität, dass Kindern in vielen Haushalten nichts vorgelesen wird. Daher sollte diese fehlende Erfahrung in der Schule kompensiert werden. Gemeinsames Lesen im Plenum , bei dem sich die Schülerinnen und Schüler abwechseln, weist dagegen den Lernenden eine aktivere Rolle zu. Gleichzeitig ist ein einheitliches Lesetempo gewährleistet. Der Vortrag kann jederzeit zur Klärung von Fragen angehalten werden, deren Beantwortung der ganzen Klasse zugutekommt. Lesen im Team – zum Beispiel im Rahmen einer Partnerarbeit – bietet die Möglichkeit eines intensiven Austauschs über den Text. Schüchterne Kinder und Jugendliche sind dabei weniger gehemmt als im Plenum. Die Schülerinnen und Schüler können ihr Vorwissen zusammentragen, Fragen formulieren und gemeinsam klären. Sehr hilfreich ist in diesem Zusammenhang die Methode des " lauten Denkens ", bei der spontan ausgesprochen wird, was einem während des Lesens "in den Kopf kommt". Bei einer Vielzahl von Fragen beziehungsweise bei sehr begrenzter Zeit ist eine direkte Klärung durch die Lehrkraft als zeitökonomische Variante vertretbar. Ansonsten sollte allerdings trotz des höheren Zeitbedarfs eine Recherche-Kultur gepflegt werden, bei der die Lernenden selbst oder im Team Antworten finden, indem sie Wörterbücher, Lexika oder das Internet nutzen. Auch die wichtige Fähigkeit, die Bedeutung unklarer Begriffe durch den Kontext zu erschließen, muss im Unterricht trainiert werden. Die Schülerinnen und Schüler achten dabei auf Schlüsselwörter und nutzen Visualisierungstechniken wie Skizzen oder Mindmaps . Zudem sollten sie dazu befähigt werden, Texte durch sinnvolle Markierungen, Randnotizen und Symbole so systematisch zu bearbeiten, dass die inhaltliche Struktur transparent wird. Es ergibt Sinn, lange vor der ersten Klassenarbeit oder Klausur die Operatoren in fachspezifischen Aufgabenstellungen zu thematisieren und einzuüben . Nur wenn Klarheit darüber besteht, was mit bestimmten Verben wie beschreiben , darstellen oder erläutern gemeint ist, können die Schülerinnen und Schüler die Arbeitsanweisungen korrekt befolgen. Außerdem gilt es, (nicht nur im Fach Deutsch) das schriftliche Ausdrucksvermögen der Lernenden zu trainieren . Dies setzt voraus, dass Sie als Lehrkraft bei der Besprechung von Schreibaufträgen nicht nur auf inhaltliche, sondern auch auf sprachliche Aspekte achten und sich Zeit nehmen, diese mit der Lerngruppe zu thematisieren. Neben elementaren Kriterien wie Grammatik und Satzbau sollten Sie auch auf einen angemessenen Sprachstil Wert legen. Dazu zählen unter anderem passende Satzanfänge, sinnvolle Überleitungen und die Vermeidung von Wortwiederholungen durch Synonyme. Fazit Machen Sie sich typische Sprachbarrieren in den Fächern, die Sie unterrichten, bewusst und nehmen Sie diese Problematik ernst. Sensibilisieren Sie dann ihre Lerngruppe und schaffen Sie eine Kultur der Offenheit, die Raum bietet, über sprachliche Hürden zu reden. Setzen Sie schließlich passende Problemlösungsstrategien in Ihrem Unterricht ein und bleiben Sie dabei geduldig und hartnäckig, da kurzfristige Erfolge selten zu erwarten sind. Weitere Tipps finden Sie im Artikel Sprachsensibilität im Unterricht – Methoden in der Praxis .