Europa und Proserpina: Frauenraub im Mythos
Unterrichtseinheit
Das in der Antike des Öfteren anzutreffende Mythologem Frauenraub ist im Lateinunterricht ein für die Lernenden motivierendes Thema, das in verschiedenen Altersstufen und Schwierigkeitsgraden gewinnbringend als Text, Kunstwerk oder Theaterprojekt realisiert werden kann. Der Raub von Frauen ist ein häufiges Motiv in Schriften des Altertums – im Mythos und in der Realität. Gemeint ist die gewaltsame Entführung eines Mädchens gegen oder mit dessen Willen zur Eheschließung. Frauenraub – historischer Hintergrund Mit Ägypten, Griechenland und dem alten Rom, aber auch der übrigen europäischen Vor- und Frühgeschichte sind hier viele Kulturräume betroffen. Berichte aus Ägypten stellen Frauen häufig als Teil der Kriegsbeute dar. Die antiken Geschichtsschreiber Titus Livius und Plutarch erzählen von der galatischen Prinzessin Chiomara, die als Ehefrau eines Keltenfürsten in Kleinasien in römische Gefangenschaft gerät, wo sie vergewaltigt wird; ihren Peiniger lässt sie nach ihrer Befreiung enthaupten ( Ab urbe condita 38, 24, 1-11 ). Im neugegründeten Rom kam es wegen Frauenmangels zum berühmten Raub der Sabinerinnen (Ab urbe condita I, 9-13) . Die Gründe für den antiken " Frauenraub " sind vielfältig: Oft wurden Frauen zum Zweck der Vermählung entführt, da sie Ehepartner außerhalb der eigenen sozialen Gruppe heiraten sollten. Häufig kam es auch im Kontext von Kriegen und Raubzügen zu Verschleppungen von Frauen, die von den plündernden Soldaten als Teil der Beute betrachtet und als Sklavinnen entführt wurden. Weitere Motive sind Begierde , Eifersucht oder die erzwungene Herstellung von Verwandtschaftsbeziehungen zwischen zwei verfeindeten Parteien. Frauenraub – im Mythos Da der Fokus im Lateinunterricht neben Geschichte auf der griechisch-römischen Mythologie liegt, empfiehlt es sich, zwei bekannte Mythen exemplarisch herauszugreifen und miteinander aufgrund des Mythologems " Frauenraub " zu vergleichen: den Mythos um die Nationalallegorie unseres Kontinents Europa den Raub der Proserpina durch den Herrscher der Unterwelt. Das Thema Mythologie ist in allen Latein-Lehrbüchern präsent. Die Auswahl der Texte ist jedoch verschieden, so dass nicht bei Lernenden vom selben Mythenwissen ausgegangen werden kann. Zum Grundwissen gehört aber durchgehend die Thematisierung der griechisch-römischen Götterwelt im Latein-, Geschichts- und Religionsunterricht bereits in der Unterstufe, spätestens zu Beginn der Mittelstufe. Die Namensgeberin unseres Kontinents Europa ist den Lernenden durchweg bekannt, der Gründungsmythos taucht mitunter in den Lateinlehrbüchern in verschiedener Variation und Schwierigkeitsgrad auf. Die Liebesgeschichte von Pluto und Proserpina hingegen ist eher selten zu finden. Eventuell werden die beiden Unterweltgötter im Zusammenhang mit den Mythen bekannter Unterweltsbüßer wie Tantalus und Sisyphus erwähnt. Didaktische Alternativen Ein einführender Mythen-Vergleich der Europa und Proserpina-Geschichte kann durch Internetrecherche in zeitsparender arbeitsteiliger Paar- oder Gruppenarbeit erfolgen (Arbeitsblatt 1). Gewinnbringend ist die Visualisierung des Mythologems durch die Analyse von Kunstwerken , bei Europa zum Beispiel durch das Gemälde " Rape of Europa " von Walentin Serow , bei Proserpina mit der berühmten Bernini-Skulpturengruppe " The rape of Proserpina " (Arbeitsblatt 6) . Das Herausarbeiten des Mythologems kann je nach Alter, Lernniveau und Interesse ausgehend von Lehrbuchtexten, adaptierten Texten und leichter Prosa (Hygin, lateinische Übersetzung von Lukian, Arbeitsblatt 2 und Arbeitsblatt 3 ) in der Spracherlernungsphase erfolgen. In der Oberstufe ist die Identifizierung des Raub-Motivs anhand von Originallektüre (zum Beispiel Ovid Metamorphosen: Europa 2, 833-875 und 6,103ff ; Metamorphosen: Proserpina 5, 385-424; Arbeitsblatt 4 und Arbeitsblatt 5 ) zu empfehlen. Auch interaktive Übungen zur Mythologie (zum Beispiel Europa ) sind im Internet verfügbar oder können in Paar- oder Gruppenarbeit von den Lernenden selbst erstellt werden. Die Rezeption der Mythenstoffe in der Musik ist ebenfalls eine je nach Lerngruppe interessante Ergänzung zur Textlektüre (zum Beispiel Kammeroper " Europa und der Stier " ). Ein mythisches Theater- beziehungsweise Filmprojekt Im Rahmen einer AG oder Projektwoche ist es für die Lernenden eine große Freude, den spannenden Stoff "Frauenraub" in ihrer eigenen Version auf die Bühne beziehungsweise auf den Film zu bringen. Nach Auswahl des oder der Mythen für die szenische Umsetzung erfolgt die Erstellung des deutsch-lateinischen oder rein lateinischen Skripts in Gruppenarbeit ausgehend von den gelesenen Texten zu Europa oder Proserpina (Arbeitsblatt 7 und 8). Fachkompetenz Die Schülerinnen und Schüler erarbeiten das Thema "Frauenraub im Mythos" exemplarisch anhand der beiden Mythen von Europa und Proserpina. lernen die beiden Mythen abhängig vom Lernniveau in jeweiligen Schwierigkeitsstufen anhand von Originaltexten (Hygin, Lukian, Ovid) kennen. Medienkompetenz Die Schülerinnen und Schüler übersetzen die lateinischen Originaltexte zu dem Europa- beziehungsweise Proserpina-Mythos mittels Online-Wörterbüchern. erstellen Visualisierungen der Mythen selbst als Zeichnung beziehungsweise interpretieren vorhandenes Bildmaterial mittels eines Arbeitsblattes oder aus dem Internet. bearbeiten interaktive Übungen im Internet. Sozialkompetenz Die Schülerinnen und Schüler erarbeiten in Paararbeit die Übersetzung adaptierter beziehungsweise originaler Mythentexte zu den beiden Mythenfiguren. erstellen als Projektarbeit eine eigene Theaterszene zum Europa- oder Proserpina-Mythos auf der Basis der gelesenen lateinischen Texte in Paar- oder Gruppenarbeit.