Rauchprävention: hautnah und interaktiv mit digitalen Medien
Unterrichtseinheit
Diese Unterrichtseinheit zum Thema "Rauchprävention" zeigt anhand zwei ausgewählter Beispiele aus der Präventionsarbeit, wie Jugendliche mithilfe digitaler Medien vom Rauchen abgebracht werden sollen.Jugendliche greifen immer früher zur ersten Zigarette. Auch wenn die Bundesregierung seit den 1990er Jahren einen Rückgang der Zahl jugendlicher Raucher vermeldet, rauchten 2016 noch immer zehn Prozent der 12- bis 17-jährigen. Die Thoraxklinik Heidelberg und das Internetportal www.drugcom.de beziehen neue Medien gezielt in ihre Präventionsarbeit ein und bereichern sie mit informativen und interaktiven Elementen. Deutsche Jugendliche als Raucher in Europa Spitze Gerade unter Jugendlichen ist die Entwicklung des Rauchverhaltens Besorgnis erregend. Statistisch gesehen greifen sie inzwischen mit 14,8 Jahren zur Zigarette, so die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA). Auch wenn die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Marion Caspers-Merk, im September 2004 bekannt gab, die Zahl jugendlicher Raucher sei seit 2001 rückläufig, ist das kein Grund zur Entwarnung. Die Mädchen machen es nach Verschiedene bundesdeutsche Statistiken zum Rauchverhalten erfassen unterschiedliche Altersgruppe, unterscheiden sich daher in ihren prozentualen Angaben zum Anteil der Raucher an der Zielgruppe. Auffällig ist aber in allen Untersuchungen, dass immer mehr Mädchen rauchen. Während der Anteil der Raucherinnen und Raucher an der Gesamtbevölkerung in den vergangenen Jahren leicht zurückging (1999 lag er bei 28,3 Prozent, 2003 bei 27,5 Prozent, so das Statistische Bundesamt), stieg die Kurve bei Mädchen an. Nach Angaben der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung nahm der Anteil der Raucherinnen im Alter von 12 bis 15 Jahren von 1993 bis 2001 von 12 auf 21 Prozent zu. Vorteile neuer Medien Informationen allein wirken nicht Rauchprävention muss in der Schule und Jugendarbeit weiterhin einen festen Platz haben. In vielen Schulprogrammen ist sie ohnehin verankert. Das Problem: Selten fehlt es Jugendlichen an Informationen über die suchtfördernden, gesundheitsschädlichen Wirkungen des Nikotins. Info-Broschüren, kritische Schulbuchbeiträge, Diskussionen mit Lehrkräften oder Mitarbeitern der Drogenberatungsstelle vor Ort informieren zwar, ihre abschreckende Wirkung aber ist begrenzt, der pädagogische Zeigefinger ohnehin kontraproduktiv. Individuelle Angebote mit Interaktionsmöglichkeiten Die Einbeziehung neuer Medien in die Präventionsarbeit bietet gleich mehrere Vorteile. Einerseits fördert die Affinität Jugendlicher gegenüber Internet und Co. ihre Motivation, sich über Online-Informationsangeboten mit dem Thema auseinander zu setzen. Sie lernen, das Internet nicht nur als Spaß-Medium zum Mailen, Chatten oder wahllosen Surfen, sondern gezielt als Informationsquelle zu nutzen. Andererseits bieten Online-Angebote interaktive Elemente wie Wissenstests, Tests zum Drogenkonsum oder anonyme Beratung, die besser auf individuelle Fragen und Gewohnheiten der Jugendlichen eingehen können als jedes Schulbuch. Ausgewählte Projekte Die Technik der neuen Medien ermöglicht sogar Einblicke, die weit über die Grenzen des Klassenraums hinausgehen, zum Beispiel bis hin zur Videokonferenz aus der Endoskopie der Thoraxklinik Heidelberg, der größten Lungenfachklinik Deutschlands. Und auch die Hemmschwelle, Probleme in der anonymen Online-Beratung des Portals www.drugcom.de zu besprechen, ist geringer als bei einem Gespräch mit Mitarbeitern der Drogenberatung, bei dem nicht nur die gesamte Klasse, sondern auch die Lehrerin oder der Lehrer zuhören. Rauchprävention der Thoraxklinik Heidelberg: Per Videokonferenz in den OP Die Thoraxklinik Heidelberg hat ein spezielles Rauch-Präventionsangebot für Schulen entwickelt. Rauchprävention mit drugcom.de: Anonym, individuell, unverkrampft Das Projekt der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung bietet täglich eine anonyme Online-Beratung durch Drogen-Experten. Fazit Die rauchfreie Schule ist ein wichtiges Signal, aber keine Garantie für einen Rückgang der Zahl jugendlicher Raucher. Zu einem gesamtgesellschaftlichen Bewusstseinswandel gehört mehr. Rauchprävention in Schule und Familie Bewirkt die rauchfreie Schule einen Imagewandel? Langsam gleitet das Endoskop die Luftröhre hinab in den Tunnel aus feucht schimmerndem Gewebe, vorbei am Gaumenzäpfchen, an den Stimmbändern, hinunter bis in die Bronchien, wo sich dichte Fäden aus gelb-braunem Schleim spannen. Die dunkle Narbe, die die Entfernung des Lungentumors hinterlassen hat, ist hier noch gut zu erkennen. 120 Schülerinnen und Schüler sind live dabei. Nicht im Operationssaal, sondern 300 Meter entfernt im Vortragssaal der Thoraxklinik Heidelberg, der größten Lungenfachklinik Deutschlands. Live dabei: Rauchspuren Im Rahmen der Rauchprävention lädt die Thoraxklinik Heidelberg Schulklassen ein, über moderne Videokonferenztechnik die Untersuchung von Patienten aus der Endoskopie mitzuerleben. 90 Prozent der Patienten in der Thoraxklinik sind oder waren Raucherinnen oder Raucher. Aus diesem Grund hat die Klinik ein Programm entwickelt, das Jugendliche überzeugen soll, gar nicht erst mit dem Rauchen zu beginnen (Primärprävention). Nach einem einführenden Vortrag zum Thema Rauchen wird eine Endoskopie live in den Hörsaal übertragen, bei der die Schülerinnen und Schüler ihre Fragen direkt an den untersuchenden Arzt stellen können. Fast 20.000 Jugendliche haben die Veranstaltungen seit Juni 2000 bereits besucht, und die Anmeldefristen für Schulklassen sind lang. Authentizität wirkt Den Erfolg erklärt sich Michael Ehmann von der Thoraxklinik durch die Authentizität des Informationsangebotes: "Die Konfrontation mit einer authentischen Situation macht die Wirkung aus. Die Schülerinnen und Schüler erleben keine didaktisierte, sondern eine reale Situation. Die 30-minütige Live-Sequenz beeindruckt sie sichtbar, und beim anschließenden Gespräch mit Patienten aus unserer Klinik wird deutlich, dass die Krankheitsgeschichten sie auch berühren." Wenn ein 52-jähriger Patient von seinem hühnereigroßen Lungentumor berichtet, wenn er erzählt, dass die Metastasen bis in seine Wirbelsäule reichen und er vier Tage pro Woche in der Chemotherapie verbringt, bekommt die statistische Wahrscheinlichkeit, nach der jeder zweite Raucher an den Spätfolgen seiner Sucht erkrankt, ein Gesicht. Die Konsequenzen erkennen Die Heidelberger Mediziner wollen nicht moralisieren. Unverblümt gesteht Prof. Dr. Peter Drings, dass auch er einmal geraucht hat. Aber das ist lange her. Warum er aufgehört hat, muss er den Jugendlichen nach seinem Vortrag und den OP-Bildern nicht mehr erklären. Wer weiterrauchen will, soll es tun, aber sich gleichzeitig der Konsequenzen für seine Gesundheit bewusst sein. Drings betont: "Wer täglich eine Schachtel Zigaretten raucht, 'verzichtet' im Durchschnitt auf acht Lebensjahre. Die Hälfte der Raucher haben eine geringere Lebenserwartung als Nichtraucher. Rauchen ist für 30 Prozent der krebsbedingten Todesfälle verantwortlich. 90 Prozent der Patienten mit Lungenkrebs waren Raucher. Und je früher zur Zigarette gegriffen wird, desto größer das Krebsrisiko. Die meisten Tabaktoten sind keine besonders starken Raucher, aber sie haben sehr früh begonnen." Nicht zu spät kommen Dass die Raucher unter den jugendlichen Besuchern auch nach dem Klinikbesuch erst einmal weiter zur Zigarette greifen, ist den Medizinern bewusst. Stichprobenartige Umfragen in Schulklassen haben jedoch gezeigt, dass besonders die Nichtraucher durch den Klinikbesuch in ihrem Verhalten bestärkt werden. Und in einigen Klassen haben Jugendliche nach einigen Wochen (erst einmal) mit dem Rauchen aufgehört. Das Konzept der Primärprävention scheint aufzugehen. Auch 2005 bauen die Mediziner der Thoraxklinik daher ihr Informationsangebot aus. Sie wollen im OP einfach nicht immer zu spät kommen. Wer stellt sich schon gerne gegen den Star der Klasse, der scheinbar selbstsicher und unbeirrbar behauptet: "Ich rauche, weil es einfach Spaß macht, aber wenn ich will, kann ich jederzeit aufhören." Und auch die Mädchen-Clique kann in der Pause ziemlich zickig werden, wenn eine "Streberin" bekennt, bislang keine einzige Zigarette geraucht zu haben. Allgemeine Diskussionen zum Thema Rauchen sind in den meisten Schulklassen kein Problem. Wenn es aber um den eigenen Zigarettenkonsum, die persönlichen Gründe für das Rauchen oder Nicht-Rauchen geht, erreicht die Debatte einen sensiblen Punkt. Je nach Altersgruppe, Klassenklima und dem Verhältnis zur Lehrkraft ist es für Jugendliche schwer, ihre Erfahrungen mit Zigaretten offen zu thematisieren. Peergroups sind pressure groups Allzu persönliche Fragen der Lehrkraft schüchtern ein oder fordern Selbstdarsteller heraus, denn Peergroups üben in vielen Klassen Druck aus (daher auch die Bezeichnung pressure groups). Sie lassen Nichtraucher gerne als uncoole "Langeweiler" oder "Streber" dastehen. Selbsttests im Internet, betreute Chats oder Foren können in diesem Zusammenhang die Auseinandersetzung mit dem eigenen Verhalten oder Drogenkonsum fördern und gut in den Unterricht einbezogen werden. Informationen, Test und Chats Das Internetportal www.drugcom.de informiert über die Wirkung und Abhängigkeitspotenziale von über 150 Drogen und verschiedenste Suchtformen. Im "druglex" sind Alkopops, Cannabis, Ecstasy und Zigaretten ebenso vertreten wie Beruhigungsmittel, Appetitzügler, Kaffee oder "Magic Mushrooms". In acht Online-Tests können Jugendliche ihr Wissen zu Drogen wie Cannabis, Speed, Kokain oder Nikotin testen. Die Besonderheit des Informationsangebotes ist die tägliche Online-Beratung. Im Gruppenchat oder per E-Mail können Jugendliche hier ihre Fragen zum Drogenkonsum loswerden. Die Online-Beratung findet in einem geschützten Beratungsraum statt. Bei besonders schwierigen Fällen versucht das Team, den Kontakt zu den Fragenden aufrecht zu erhalten, zum Beispiel mit der Anregung, sich doch an einem bestimmten Tag noch einmal zu melden und sich dann weiter auszutauschen. Anonym, aber ehrlich Dr. Peter Tossmann von www.drugcom.de unterstreicht die Attraktivität der Online-Beratung für Jugendliche: "Es ist ein professionelles, aber niedrigschwelliges Angebot, wenn man anonym per E-Mail oder Chat Fragen stellen kann. Die User sind unzweifelhaft offener, denn es gibt keinen Grund, die Unwahrheit zu sagen. Der soziale Hintergrund, der Druck einer Clique spielt hier keine Rolle." Jugendliche und junge Erwachsene wenden sich an die Online-Beratung mit Fragen, die für sie subjektiv relevant sind, aber wegen derer sie den Gang zur Drogenberatung oder zum Arzt noch scheuen. Ob es normal ist, nach drei Wochen ohne Nikotin noch Entzugserscheinungen zu spüren oder ob andere gesundheitliche Probleme mit dem Drogenkonsum zusammenhängen können, sind typische Fragen im Zusammenhang mit dem Rauchen. Kein Ersatz für ärztliche Beratung Die Online-Beratung kann die persönliche Beratung nicht ersetzen, aber eine erste Anlaufstelle für individuelle Fragen sein. Darüber hinaus will sie Jugendliche, die offensichtlich Probleme mit - meist illegalen - Drogen haben motivieren, den Schritt zur Drogenberatung oder zum Arzt zu wagen. Im Rahmen eines schulübergreifenden Unterrichtsprojekts hat ein Lehrer den Chat bei www.drugcom.de bereits zum Informations- und Meinungsaustausch unter den Schülerinnen und Schülern genutzt. Zuvor hatte er mit dem Betreuerteam des Forums abgesprochen, wann seine Klasse in das Forum gehen könnte. Die Mär vom harmlosen Genussmittel Dringende Fragen zum Thema Rauchen sind in der Online-Beratung eher selten. Meist betreffen sie Cannabis, Ecstasy und andere illegale Drogen. Ein möglicher Grund: "Die Jugendlichen nehmen Zigaretten weniger als Droge, sondern als Genussmittel wahr. Die Bereitschaft, den eigenen Zigarettenkonsum zu problematisieren ist daher geringer als beim Konsum von Drogen, deren Rauschwirkung sie ganz massiv spüren," so Tossmann. Um das eigene Rauchverhalten kritischer einschätzen zu lernen, entwickelt das Portal derzeit ein Online-Modul nach dem Vorbild von "Check your drinking". Anfang 2005 soll der interaktive Test online sein. Schule ohne Rauch Ob in dreißig Jahren in Deutschland immer noch 140.000 Menschen pro Jahr an den Folgen ihres Nikotinkonsums sterben, hängt unter anderem vom Image der Zigarette und von der Überzeugungskraft der aktuellen Rauchprävention ab. Die rauchfreie Schule ist ein erster Weg, den Zigarettenkonsum zumindest am Vormittag einzuschränken. Wenn der Qualm komplett vom Schulgelände verbannt wird, gilt das Verbot aber nicht nur für Raucherecken auf dem Hof, die Schüler-Toiletten und versteckte Winkel im Fahrradkeller. Auch die Raucherinnen und Raucher im Lehrerzimmer müssen wohl oder über Vorbild sein und ihre Entzugserscheinungen am Vormittag in den Griff bekommen. Die rauchfreie Schule hat Signalwirkung, ist jedoch noch lange kein Garant für einen Rückgang der Zahl rauchender Jugendlicher. Der lange Weg zum Imagewandel Ob sie den Gruppenzwang in der Freizeit einschränken kann, bleibt abzuwarten. Und dass Eltern ihren Kindern schlecht das Rauchen vorwerfen können, wenn sie selbst regelmäßig zur Zigarette greifen, versteht sich von allein. Verbote haben letztlich eine begrenzte Wirkung. Sie greifen, wenn bei Verstößen unangenehme Konsequenzen drohen. Sie lösen aber auch einen enormen Erfindungsreichtum aus, wie sie sich umgehen lassen. Viel wirksamer als das Verbot wäre da ein allgemeiner Imagewandel. Den kann die Schule allein nicht bewirken. Aber es ist gut, dass sie sich nicht um ihre Verantwortung drückt. Die Eltern, die Werbebranche, die Gesundheitspolitik, die Tabakindustrie und natürlich alle Nichtraucher wie Raucher haben ihre eigene. Wenn es eines Tages hieße: "Nikotin, Mundgeruch, Bluthochdruck, Raucherlunge - wie uncool", wären Verbote überflüssig.
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Politik / WiSo / SoWi
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Sekundarstufe I