"Sportlehrer, man, hast du es gut!"
Sport-Unterricht. Im Allgemeinen kann man vermuten, dass es Sportlehrkräfte ganz einfach haben: kaum Vor- und Nachbereitung, keine ewigen Klausur-Kontrollen, Bewegung – eine rundum entspannte und zugleich gesunde Sache. Nur fehlt bei dieser Betrachtungsweise die chaotische Komponente: die Kinder. Eine Turnhalle ist groß. Da kann viel passieren. Und es passiert. Nicht immer ist das etwas Gutes. Laut ist es dabei immer. Das ist nicht zu verhindern. Und das wäre auch nicht im Sinne des Erfinders.
Justin ist ein Leichtgewicht. Er flitzt beinahe die Kletterstange hoch. Oben angekommen, wagt er einen Blick nach unten und stellt erschrocken fest, dass die gewonnene Höhe durchaus angsteinflößender Natur ist. Er lässt vor Schreck die Stange los und fällt aus gut drei Metern in die Tiefe. Ich kann ihn auffangen und Schlimmeres verhindern. Fast zeitgleich spielt Manni mit Emilia Fangen um das Tor auf der anderen Hallen-Seite. Und schwupps, Manni verfängt sich im Netz und stürzt. Das kann er gut. Das macht er gerne. Ole läuft indes aus Versehen rückwärts über Chantals Füße, die gerade ihre Schuhe für das Klettern an der Stange ausziehen wollte. Aua. Das tut natürlich weh. Aber: immer positiv bleiben. Trösten. Aufmuntern. Anspornen. Weiter geht's.
Was ich über den Sportunterricht mit kleinen Klassen gelernt habe: Rennen, Klettern und Spiele mögen alle Kinder. Musik sowieso. Und das kann man nutzen:
Zur Erwärmung lasse ich in der Halle gerne laute Musik laufen. Da fetzen alle los. Da gibt es kein Halten mehr. Einige rennen zwar ruhig und zielstrebig ihre Runden, die meisten Kinder toben aber wild tanzend durch die Halle. Das kann man so machen. Hauptsache Bewegung. Anschließend folgt in der Regel eine Übung. Aber Obacht: nicht zu lange, sonst läuft man Gefahr, dass man seine Stimme verliert, weil man quer durch die Halle rufen muss. Da freuen sich die Stimmbänder. Den Abschluss bildet eine Spielform. Am Anfang des Schuljahres war "Tiger im Zoo" DAS Spiel. Dabei legt man zwei Fängerinnen und Fänger fest, die sich an einem Hallen-Ende im Tor positionieren und "gaaaaanz zahme Tiger sind, die gestreichelt werden wollen." Die restlichen Kinder streicheln die Tiger und mimen das Fotografieren der Tiere nach. Safari-Feeling pur. Und dann: "ACHTUNG, DIE TIGER SIND LOS!" Und zack, die Tiere werden wild und fangen nun die anderen Kinder quer durch die Halle. Wer berührt wird, wird nun selbst zum Tiger und das Spiel beginnt von vorne. In der Grundschule ist das ein Selbstläufer.
Mittlerweile hat sich ein anderes Spiel die Pole Position erobert: der Sprungkreis. Hierfür stellt man sich in die Mitte eines aus Kindern bestehenden Kreises, hat ein Seil mit einem Gummiring am Ende in der Hand und schwingt dieses im Kreis über den Boden. Die Kinder müssen im richtigen Moment springen, um so dem Ring auszuweichen. Paart man dieses Spiel mit Musik, so wechseln sich Tanz und Sprung ab. Die nachfolgenden Unterrichtsstunden verlaufen in der Folge garantiert diszipliniert und ruhig, weil die Kinder völlig aus der Puste sind. Uneingeschränkte Empfehlung für unausgelastete Kinder. Beschleunigter Zuwachs an grauen Haaren und angeschlagene Stimmbänder bleiben aber meist dennoch nicht aus, weil bei der Übung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit dann doch wieder etwas passiert. "Sportlehrer, man, hast du es gut!"
Ja, das habe ich wirklich. Es ist eben alles eine Frage der Methode sowie der nötigen Gelassenheit. Und belastbarer Stimmbänder.
Alle Namen der Schülerinnen und Schüler wurden geändert.