Lange wurden Grenzen nur als Trennlinien zwischen Herrschaftsgebieten verstanden und untersucht. Eine Grenze ist allerdings mehr als eine Linie, die Herrschaftsbereiche voneinander trennt und Menschen in verschiedene Gruppen einteilt. Sie ist ein Raum, der ganze Gebiete umfasst und prägt. Experten sprechen heute daher oft von „Grenzgebieten“ und „Grenzregionen“, deren Bewohner in ihrem alltäglichen Leben von der Grenze beeinflusst werden. Dabei bedeuten Grenze und Teilung nicht vollständige Beziehungslosigkeit zwischen den Gebieten, sondern immer auch Verflechtungen und Beziehungen, die über die Grenzen hinaus reichen. Grenzregionen können so zu Kontaktzonen werden.
Die Grenzräume der innerdeutsche Grenze waren dabei sowohl wichtige Räume der deutschen Teilungsgeschichte als auch der internationalen Politik im Ost-West-Konflikt. Eine nähere Auseinandersetzung mit diesen Grenzräumen ermöglicht die Verbindung individueller regionaler Schicksale mit dem weltpolitischen Geschehen.
Während des Krieges besetzten die Alliierten Deutschland aus zwei Richtungen und schufen so bereits vor Kriegsende ein Grenzgebiet zwischen den beiden Hauptkontrahenten der Alliierten, den USA und der Sowjetunion. Durch die Einrichtung von vier Besatzungszonen und die Festlegung neuer Außengrenzen auf der Potsdamer Konferenz, entstanden in Deutschland zahlreiche neue Innen- und Außengrenzen. Während die drei westlichen Alliierten immer stärker kooperierten, nahm die Grenze zur Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) immer mehr den Charakter einer innerdeutschen Grenze an. Die Sowjetunion schloss 1946 die Grenze zu den drei Westzonen und mit der doppelten Staatsgründung 1949 wurde aus einer provisorischen Zonengrenze eine feste innerdeutsche Grenze, die beide Staaten voneinander trennte.
Die Regierung der in der SBZ entstandenen DDR versuchte ihre Herrschaft im neugegründeten Staat zu festigen. Aus diesem Grund errichtete sie ab 1952 Sperranlagen an der innerdeutschen Grenze und machte sie so unpassierbar. Rund um die Grenze entstand ein fünf Kilometer breites Sperrgebiet, das nur über Kontrollpunkte zu betreten war. Über 50.000 Menschen, die in Grenznähe lebten, aber als politisch unzuverlässig galten, wurden vertrieben und dazu gezwungen sich im Hinterland anzusiedeln. Trotzdem befanden sich immer noch 300 Ortschaften mit rund 200.000 Einwohnern im direkten Grenzgebiet. Sie standen unter besonderer Beobachtung der Staatsicherheit. Jeden, der bei dem Versuch die Grenze zu überqueren aufgegriffen wurde, verurteilte die DDR-Justiz wegen „versuchter Republikflucht“ zu einer Haftstrafe.
Während sich Bundesrepublik immer enger an die USA und den Westen band, war die DDR fest an die Sowjetunion und den sogenannten Ostblock gebunden. Mit der zunehmenden Verschärfung des Konflikts zwischen beiden Blöcken wurde die innerdeutsche Grenze zu einer Grenze, die verfeindete Systeme trennte.
Materialvorschlag:
Leben im Grenzgebiet der DDR (Sek I und II)
Zwischen 1949 und 1961 flohen ca. 2,7 Millionen Menschen aus der DDR. Immer wieder waren innenpolitische Maßnahmen wie die Enteignung von Unternehmern, erzwungene Kollektivierung und politische Verfolgung ein Anlass für Menschen die Flucht in den Westen anzutreten. Auch die 1952 errichteten Sperranlagen konnten die Abwanderung nicht aufhalten. Ein Grund dafür waren die offenen Sektorengrenzen in Berlin. Jeden Monat flohen Tausende nach Westberlin und von dort weiter in die Bundesrepublik. Besonders die Flucht vieler junger und gut ausgebildeter Menschen bereitete der Wirtschaft der DDR zunehmend Probleme. Mit dem Einverständnis der Sowjetunion ließ die SED am 13. August 1961 alle Grenzübergänge nach Westberlin schließen und eine Mauer quer durch die Stadt entlang der Sektorengrenze errichten. Damit war die einzige offene Grenze zwischen der DDR und der Bundesrepublik geschlossen, zahlreiche familiäre und freundschaftliche Beziehungen zwischen den Bewohnern beider Staaten wurden erschwert oder getrennt. Die Flucht aus der DDR wurde nach dem Mauerbau schwieriger. In den folgenden Monaten ließ die SED die Grenzanlagen immer weiter ausbauen, bis sie ein fast unüberwindliches Hindernis darstellten.
Die Politiker der Bundesrepublik wurden vom Bau der Mauer überrascht und standen der neuen Situation machtlos gegenüber. Auch die Reaktion der Westmächte beschränkte sich auf verbale Proteste – niemand wollte das Risiko eines militärischen Konflikts eingehen. Die Teilung Deutschlands war damit zementiert.
Materialvorschläge:
Der Bau der Berliner Mauer im August 1961
Die Reaktion des Westens auf den Bau der Mauer
Durch die doppelte Staatsgründung 1949 entstanden zwar zwei getrennte Staaten, die persönlichen Beziehungen zwischen den Bewohnern beider Staaten rissen dadurch jedoch nicht ab. Besonders in Berlin gehörten bis zum Mauerbau vielfältige Verbindungen über die Grenze hinweg zum Alltag. Auch nach dem Bau der Mauer brachen die Verbindungen nie vollständig ab. Eine totale Isolierung beider deutscher Berlinteile hat es nie gegeben. Die Menschen versuchten, familiäre und freundschaftliche Kontakte aufrechtzuerhalten. Viele von ihnen sandten beispielsweise zu bestimmten Anlässen sogenannte Westpakete an ihre Freunde und Verwandten in der DDR. Der Inhalt der Pakete bestand häufig aus Kleidung, Süßigkeiten, Kaffee und anderen Genussmitteln, die in der DDR nur schwer oder gar nicht zu erhalten waren. Im Gegenzug schickten einige DDR-Bürger als Dank ein Ostpaket in die Bundesrepublik.
War es für Menschen deutlich schwieriger geworden die Grenze zu überqueren, stellte dies für die Funkwellen der Fernseh- und Radiosender der Bundesrepublik kein großes Problem dar. Fast in der gesamten DDR konnten die Menschen Westfernsehen und Radio empfangen. So konnten sie sich einen Eindruck über das Leben und die Konsumwelt in der Bundesrepublik verschaffen und durch die Nachrichten die westliche Perspektive zu aktuellen Themen erhalten.
Auch auf der politischen Ebene gab es immer wieder den Bedarf sich auszutauschen und Regelungen für verschiedene praktische Probleme zu finden. Dazu zählten beispielsweise der Interzonen-Handel, wissenschaftliche Kontakte, Verwandtenbesuche und der Transitverkehr. Über die Jahre wurden zahlreiche Regelungen gefunden, die auch Besuche ermöglichten: So durften Weihnachten 1963 Westberliner ihre Verwandten im Ostteil Berlins besuchen, ab 1964 durften Rentner aus der DDR jedes Jahr für vier Wochen Verwandte in der Bundesrepublik besuchen und seit Juni 1973 konnten die Bewohner grenznaher Städte und Kreise in der Bundesrepublik zu Tagesreisen in die DDR einreisen.
Materialvorschläge:
Das geteilte Berlin
Die deutsche Teilung: Leben im Grenzgebiet
Auch nach dem Mauerbau versuchten Menschen aus der DDR zu fliehen. Die Motive dafür waren vielfältig. Einige flohen, weil sie sich im Westen ein besseres Leben und mehr Chancen erhofften, andere, weil sie politisch verfolgt wurden und dem Leben in einer Diktatur entfliehen wollten. Ein Fluchtversuch war für jeden dieser Menschen ein erhebliches Risiko: Stacheldraht, Minen und Selbstschussanlagen stellten eine tödliche Gefahr dar. Zudem erhielten die Grenzsoldaten der DDR die Anweisung Fluchtversuche mit Waffengewalt zu stoppen. Bis zur Öffnung der Grenzen 1989 kamen viele Menschen auf der Flucht ums Leben. 327 Tote lassen sich heute zweifelsfrei belegen. Da die DDR die Fluchttoten nicht zentral erfasste, gehen Experten von einer insgesamt noch höheren Opferzahl aus. Wer bei der Flucht verhaftet wurde, musste mit einer langen Haftstrafe rechnen.
DDR-Bürger, die dieses Risiko nicht eingehen wollten, stellten einen Ausreiseantrag. Vor allem nach dem Beitritt der DDR zur UNO 1973 und der Unterzeichnung der Schlussakte der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) 1975 stieg die Zahl der Ausreiseanträge. Die Antragsteller beriefen sich dabei auf das dabei festgeschriebene Recht auf Freizügigkeit. Die Genehmigung dauerte allerdings oft Jahre und ging meist mit familiären, persönlichen und beruflichen Repressalien durch die DDR-Behörden einher.
Materialvorschläge:
Die Flucht aus der DDR nach dem Mauerbau
Der Schießbefehl in der DDR
Ausreise aus der DDR