Nach Kriegsende waren der Zusammenbruch der Wirtschaft und die Auflösung staatlicher Strukturen das größte Problem für die Bewältigung des Alltags der Bevölkerung. Die Sicherung der eigenen Existenz stand für die Menschen im Vordergrund. Das Interesse an einer Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Vergangenheit war in der Bevölkerung dementsprechend gering. Die Aufarbeitung der Verbrechen der NS-Zeit lag daher zunächst vollständig in der Hand der Siegermächte USA, Sowjetunion, Großbritannien und Frankreich. Im August 1945 schufen sie einen Internationalen Militärgerichtshof, der in Nürnberg tagen sollte. Das Gericht war zuständig für die Verurteilung von Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Verbrechen gegen den Frieden. Am 20. November begann das Gericht mit seiner Arbeit. Im Hauptprozess wurden führende nationalsozialistische Politiker und Militärs angeklagt. Die Verhandlungen dauerten fast ein Jahr. Am Ende des Hauptprozesses fällte das Gericht 22 Urteile: zwölf Angeklagte verurteilte das Gericht zu Tode, drei zu lebenslänglichen und vier zu kürzeren Haftstrafen. Drei Angeklagte wurden freigesprochen. Neben den Verurteilungen erreichten die Alliierten durch die Prozesse aber auch, dass viele Deutsche und die gesamte Weltöffentlichkeit das ganze Ausmaß der Verbrechen vor Augen geführt bekamen.
Materialvorschlag:
Nürnberger Prozesse
Die Alliierten beschlossen auf der Potsdamer Konferenz eine umfassende Entnazifizierung Deutschlands. Sie verbaten die NSDAP und ihre Unterorganisationen und hoben alle NS-Gesetze auf. Nachdem in den Nürnberger Prozessen viele Hauptkriegsverbrecher verurteilt worden waren, sollte sich auch die deutsche Bevölkerung mit ihrer Verantwortung für die NS-Zeit auseinandersetzen. In einem ersten Schritt wurde in den Westzonen die öffentliche Verwaltung entnazifiziert. Die Besatzungsmächte ließen Mitglieder der SS und andere hohe NSDAP-Funktionäre verhaften. Zusätzlich entließen sie mehr als 500.000 Beamte. 1946 richteten die westlichen Alliierten in ihren Besatzungszonen sogenannte „Spruchkammern“ ein. Jeder Deutsche über 18 Jahren musste einen Fragebogen ausfüllen und umfassend Auskunft über seine berufliche und politische Vergangenheit geben. Die Spruchkammern teilten die Menschen dann in Hauptschuldige, Belastete, Minderbelastete, Mitläufer oder Entlastete ein. Wer zu einer der ersten drei Gruppen gehörte, musste mit einer Bestrafung rechnen. Die Verfahren stellten sich allerdings als wenig effektiv heraus. Oft fehlten belastende Dokumente und viele Beschuldigte ließen sich durch entlastende Aussagen von Verwandten und Freunden reinwaschen. Zudem wurden viele zum Teil schwer belastete Personen aus Industrie und Wirtschaft nicht verurteilt, weil sie als wichtig für den Wiederaufbau angesehen wurden. 1950 stellte die Bundesrepublik alle Verfahren ein. Auch in der öffentlichen Verwaltung achteten die Behörden bei der Neubesetzung der Stellen oft wenig auf die politische Vergangenheit der Bewerber. Viele ehemalige NS-Anhänger und Teile der NS-Elite verblieben dadurch in ihren Ämtern, sodass bis Ende der 1950er Jahre viele von ihnen in soziale und politische Führungspositionen aufsteigen konnten.
Die Regierung der Bundesrepublik thematisierten die Verbrechen der NS-Zeit bis weit in die sechziger Jahre kaum. Wenn, dann geschah dies meist, wenn ein gewisser politischer Nutzen daraus geschlagen werden konnte: Christlich-konservative Politiker betonten den Widerstand aus konservativen christlichen Kreisen gegen das NS-Regime und verschwiegen dabei den kommunistischen Widerstand. Zudem bezogen die Regierungen eine antitotalitäre Haltung und konnten so mit Blick in den Osten vor der Verführungskraft durch totalitäre Ideologien warnen, wodurch man sich gleichzeitig gegen die nationalsozialistische Diktatur der Vergangenheit und gegen die sozialistischen Diktaturen des Ostblocks positionierte.
Auch ein Großteil der westdeutschen Bevölkerung verdrängte die NS-Zeit und ihre eigene Verstrickung darin. Man versteckte sich in der Rolle des vermeintlichen Opfers nationalsozialistischer Verführung. Die eigene Täterschaft wurde nicht thematisiert oder problematisiert. Auf Zustimmung trafen nur die Prozesse und Maßnahmen gegen bekannte Gesichter des Nationalsozialismus, da dadurch die eigene Schuld auf die Verurteilten abgeschoben werden konnte.
Auch die Ermordung der über sechs Millionen Juden, der Holocaust, war bis weit in die 1950er Jahre kaum im Bewusstsein der meisten Bundesbürger. Erst als zwischen 1963 und 1965 die Frankfurter Auschwitz Prozesse gegen das Lagerpersonal geführt wurden, rückte der Völkermord in seinem ganzen Ausmaß in die Wahrnehmung der Bundesbürger. Eine nachhaltige Veränderung in Erinnerung und Aufarbeitung der NS-Vergangenheit setze dann in den siebziger und achtziger Jahren ein, als die Nachkriegsgeneration einen neuen kritischen Umgang mit der NS-Vergangenheit der Elterngeneration durchsetzte.
Materialvorschläge:
Entnazifiziert? Umgang mit der NS-Vergangenheit
Entnazifizierung
Die Sowjetunion führte in ihrer Besatzungszone ein eigenes Entnazifizierungsprogram durch. Allerdings waren davon nur Mitglieder der NSDAP betroffen. Dafür ging man wesentlich härter gegen die verdächtigten Personen vor. Insgesamt entfernte die sowjetische Besatzungsmacht über eine halbe Millionen Menschen aus den Behörden und der Verwaltung. Sie verhaftet zudem über 150.000 Menschen und internierte sie in Straflager. Ein Großteil der Beamten in der Verwaltung, Polizei und Justiz waren von der Entnazifizierung betroffen. Anders als in der Bundesrepublik war damit der Einfluss ehemaliger NS-Anhänger im neuen Staat geringer. Durch die Neubesetzung vieler wichtiger Stellen sicherte die Sowjetunion ihren Einfluss ab. Neben den staatlichen Strukturen betraf die Entnazifizierung in der SBZ aber vor allem die Industrie sowie die Großgrundbesitzer. 1948 verkündete die Sowjetunion ein erfolgreiches Ende der Entnazifizierung.
In der DDR war Antifaschismus Teil des Selbstbildes des Staates. Die Hauptverantwortung für den Krieg und die Verbrechen des Nationalsozialismus schob die SED im Sinne der Ideologie einer kleinen Gruppe Faschisten (Nationalsozialisten) und ihren vermeintlichen kapitalistischen Hintermännern, den Großgrundbesitzern und Unternehmern, zu. Die Opfer des kommunistischen Widerstands gegen die Nationalsozialisten rückten in den Vordergrund des öffentlichen Gedenkens. Andere Opfergruppen der nationalsozialistischen Rassenpolitik, wie Juden, Sinti und Roma sowie Homosexuelle, spielten im Gedenken keine Rolle.
Die Bundesrepublik war neben dem Antifaschismus ein zentraler Bezugspunkt der NS-Aufarbeitung in der DDR. Die Existenz der Bundesrepublik ermöglichte der SED-Führung das Erbe des Nationalsozialismus auszulagern: Die DDR war in ihrer Selbstwahrnehmung der antifaschistische deutsche Staat, während in der Bunderepublik der Hitlerfaschismus seine Fortsetzung finden würde. Die Notwendigkeit einer weiteren Verfolgung von NS-Verbrechern bestand dieser Logik zufolge in der DDR nicht mehr. Vielmehr versuchte die SED, wann immer es möglich war, die Bundesrepublik international zu diskreditieren: Mit teils echten, teils gefälschten Beweisen sollten deutsche Politiker in Verbindung mit Verbrechen der NS-Zeit gebracht werden. Auch die Strafverfolgung oder Vertuschung von NS-Verbrechen eigener Bürger richtete sich immer danach, ob dadurch die eigene antifaschistische Haltung gestärkt und die der Bundesrepublik untergraben werden konnte.
Die Teilhabe der Bevölkerung an den Verbrechen wurde in der DDR ausgeblendet: Hitler als Handlanger des kapitalistischen und imperialistischen Systems habe die Menschen verführt. Diese Haltung setzte sich auch in der Bevölkerung fest. Die Schuld und eigenen Verstrickungen konnten so verdrängt werden.
Während in der Bundesrepublik in den siebziger und achtziger Jahren durch die Nachkriegsgeneration ein neuer und kritischer Umgang mit der NS-Vergangenheit gefunden wurde, verharrte die DDR in ihrem staatlichen Antifaschismus. Eine Aufarbeitung und öffentliche Auseinandersetzung mit dem Holocaust fand nie statt.
Materialvorschlag:
Verfolgung von NS-Verbrechen in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) und in der DDR
Die Schuldfrage in der Nachkriegszeit