Seit dem 8. Mai 1945 schwiegen in Deutschland die Waffen. Der Zweite Weltkrieg war in Europa zu Ende. Die Deutschen standen nach der totalen Niederlage vor einer unsicheren und ungewissen Zukunft. Hunderttausende hatten keine Wohnung und keinen Arbeitsplatz mehr. Die Versorgung mit Energie und Nahrungsmitteln war zusammengebrochen. In der frühen Nachkriegszeit stand für die meisten Menschen die Bewältigung ihres eigenen Alltags im Vordergrund. Bei der Bevölkerung in allen Besatzungszonen bestand der Wunsch nach einer Rückkehr zur Normalität, zu einem geregelten und sicheren Leben. Die Mischung aus dieser Sehnsucht und der Erleichterung darüber noch mal davongekommen zu sein in einem Krieg, der weltweit 60-70 Millionen Tote gefordert hatte, erleichterte den Übergang von der Diktatur des Nationalsozialismus zur Herrschaft der Besatzungsmächte. Da sich die politischen Vorstellungen zwischen den Westalliierten und der Sowjetunion stark unterschieden, zeichneten sich bereits früh unterschiedliche Entwicklungen in den Besatzungszonen ab.
Materialvorschlag:
Deutsche Teilung 1949 – zwei Perspektiven
Trotz Einwänden und zahlreichen Bemühungen deutscher Politiker ließ sich die doppelte Staatsgründung 1949 nicht abwenden. Zu starr waren bereits die Fronten des Kalten Krieges und zu sehr hatten sich die Westzonen und die Sowjetische Besatzungszone (SBZ) auseinanderentwickelt. Mit Gründung der Bundesrepublik entstand ein demokratischer Staat in Westdeutschland. Vor dem Hintergrund des Ost-West-Konflikts betrieb der erste Bundeskanzler der Bundesrepublik Konrad Adenauer eine enge Anbindung an den Westen. Die Sowjetunion und der Kommunismus dienten dabei als identitätsstiftendes Feindbild. Antikommunismus wurde zum gesellschaftlichen Grundkonsens. Die Zustimmung der Bevölkerung zur Bundesrepublik war in den 1950er Jahren groß. Dies lag aber nicht daran, dass die Menschen innerhalb weniger Jahre zu überzeugten Demokraten geworden waren. Studien zeigen, dass viele in ihrem politischen Verhalten passiv und pragmatisch blieben und sich ins Private zurückzogen. Die Zustimmung zur Bundesrepublik und damit auch die Legitimation des politischen Systems wuchsen vor allem dank der guten wirtschaftlichen Entwicklung.
Die DDR-Regierung führte die bereits in der SBZ begonnene Durchsetzung des kommunistischen Gesellschaftsprojekts fort, das eine klassenlose Gesellschaft anstrebte, in der es nur noch Gemeingüter geben sollte und die kulturellen und materiellen Bedürfnisse aller Menschen gleichermaßen erfüllt werden sollten. Ein Teil der Bevölkerung trug dieses Ziel mit in der Hoffnung auf eine friedliche und sozial gerechte Gesellschaft. Parallel zum Antikommunismus der Bundesrepublik war der Antifaschismus die abgrenzende und identitätsstiftende Staatsdoktrin. Relativ schnell wurde der Bevölkerung jedoch bewusst, dass weder eine wirkliche demokratische Mitbestimmung noch Opposition erwünscht war und, dass die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) in der DDR eine Diktatur errichtet hatte. Die Akzeptanz in der Bevölkerung schwand. Nach einer Erhöhung der Arbeitsnormen 1953 kam es zu Streiks, die am 17. Juni in einem spontanen Volksaufstand mündeten. Sowjetische Truppen beendeten den Aufstand gewaltsam und erstickten dadurch eine breitere Demokratiebewegung im Keim. Es wurde jedoch immer deutlicher, dass die SED ihre Herrschaft nicht durch eine breite Zustimmung der Bevölkerung legitimieren konnte. Die SED-Führung war zum Macherhalt auf das Militär, die Polizei und die Geheimdienste angewiesen. Insbesondere das Ministerium für Staatssicherheit sollte die Bevölkerung überwachen. Die sogenannte „Stasi“ perfektionierte über die Jahrzehnte ihre Überwachungsmethoden und wurde allgegenwärtig. In allen gesellschaftlichen Bereichen spionierte sie vermeintliche Feinde aus. Viele Oppositionelle und Regimekritiker verurteile die Justiz zu langjährigen Haftstrafen. Insbesondere aus der Bevölkerung rekrutierte Helfer, die ab 1968 inoffizielle Mitarbeiter (IM) genannt wurden, der Stasi dabei bis in den Alltag ihrer Mitmenschen vorzudringen und sie in allen Lebensbereichen zu überwachen.
Die Akzeptanz der jeweiligen Herrschaftsordnung und Wertesysteme in beiden deutschen Staaten waren bis in die 1960er Jahre gering. In der DDR wurde sie durch Überwachung und Zwang in der Bundesrepublik durch den wirtschaftlichen Erfolg kompensiert.
Materialvorschläge:
Geteiltes Deutschland
Der Volksaufstand vom 17. Juni 1953
Mielkes Apparat: das Ministerium für Staatssicherheit
In den 1960er und 1970er Jahren kam es in beiden deutschen Staaten zu gesellschaftlichen Veränderungen. In der Bundesrepublik entstand eine immer stärkere Zivilgesellschaft. Als 1966 eine große Koalition regierte und nur eine sehr kleine Opposition im Bundestag saß, bildeten linke Gruppen eine außerparlamentarische Opposition (APO). An vielen Universitäten wurden Studierende aktiv. Sie setzten sich kritisch mit den Werten und politischen Einstellungen der Elterngeneration auseinander und wollten in vielen Bereichen gesellschaftliche Reformen durchsetzen. Mit Willy Brandt kam 1969 ein Kanzler an die Macht, der diese Wünsche aufgriff und eine Reihe von Reformen umsetzte, die die Gesellschaft modernisierten und liberalisierten. Das politische Engagement in der Bevölkerung war während dieser Jahre stetig gewachsen. Die Menschen wollten als Bürger mitgestalten und sich in einer demokratischen Gesellschaft engagieren. Aus diesem Anspruch entstand eine Bürgergesellschaft, die in den 1980er Jahren die Umwelt- und Friedensbewegung hervorbrachte und sich neben dem Staat zum Träger und Gestalter der Demokratie entwickelte. Dies wurde möglich, da keine größeren gesellschaftlichen und politischen Gruppen die demokratische Grundordnung ernsthaft ablehnten. Die Legitimation für das politische System der Bundesrepublik war jetzt nicht mehr an wirtschaftliche Erfolge geknüpft, sondern bestand durch die aktive politische Mitgestaltung der Gesellschaft durch ihre Bürger.
In der DDR konnten sich Veränderungsversuche nur langsam durchsetzen. Als Walter Ulbricht, der Generalsekretär der SED, versuchte Reformen in der Wirtschafts- und Sozialpolitik umzusetzen, wurde er von Erich Honecker aus politischen Motiven ausgebremst. Als Honecker 1971 Ulbricht als Generalsekretär ablöste, begann er selbst vorsichtige Reformen durchzuführen. Durch wirtschafts- und sozialpolitische Maßnahmen wollte Honecker den Rückstand im Konsum und im Wohnungsbau aufholen und mit der Bundesrepublik beim Lebensstandard gleichziehen, um so die Herrschaft der SED zu legitimieren. Anders als in der Bundesrepublik duldete die SED-Diktatur keine politischen Bürgerbewegungen. Der Staat setzte auf Reformen von oben, um seine Zustimmung bei den Bürgern zu erhöhen. Für die Bevölkerung führte der Wechsel zu einer leichten ideologischen Entlastung. Eine dauerhafte Akzeptanz der SED-Diktatur konnte jedoch nicht erreicht werden. Nach wie vor garantierten das Militär, der Polizeiapparat und die Stasi die Macht der SED. Die anfängliche Dynamik unter Honecker erstarrte schnell in Stagnation und auch die wirtschaftliche Lage sowie die finanzielle Ausstattung des DDR-Staats wurden in den 1980er Jahren immer schwieriger. In der Bevölkerung wuchs der Wunsch nach Veränderung stetig.
Materialvorschlag:
Geteiltes Deutschland: Krisenmanagement
Die deutsch-deutschen Beziehungen waren auf politischer Ebene eng verbunden mit den internationalen Entwicklungen des Ost-West-Konflikts. Konflikte und Entspannung waren oft verbunden mit der Stimmungslage zwischen den Großmächten USA und Sowjetunion. Beide deutsche Staaten waren fest in die jeweiligen Militärbündnisse der Blöcke eingebunden: die Bundesrepublik war als Mitglied der NATO eng an die Seite der USA gebunden und die DDR als Teil des Warschauer Pakts fester Bestandteil des Ostblocks. Trotzdem verfolgten die Regierungen in beiden deutschen Staaten über die Jahrzehnte der Teilung eigene Wege, die Beziehungen zum Nachbarstaat zu regeln und zu verändern.
Lange Zeit gab es kaum offizielle diplomatische Kontakte zwischen beiden Staaten. Die Bundesrepublik sah sich legitimiert als einziger deutscher Staat Deutschland international zu vertreten. Der Staatssekretär im Auswärtigen Amt Walter Hallstein setzte 1955 durch, dass Staaten, die die DDR völkerrechtlich anerkannten, ein Abbruch der diplomatischen Beziehungen zur Bundesrepublik drohte. Diese sogenannte „Hallstein-Doktrin“ prägte bis zum Ende der 1960er Jahre die deutsch-deutschen Beziehungen. Die DDR bemühte sich hingegen stetig trotz Hallstein-Doktrin international Anerkennung zu erlangen.
Erst mit der sozial-liberalen Koalition unter Kanzler Willy Brandt änderte sich die Politik der Bundesrepublik gegenüber der DDR grundlegend. Unter dem Motto „Wandel durch Annäherung“ versuchte er nachbarschaftliche Beziehungen auf der Basis von Gleichberechtigung zu erreichen. Ziel war es, auf diesem Wege die DDR zu Zugeständnissen zum Beispiel im Bereich der Menschenrechte zu bewegen. Über die nächsten Jahre wurden in kleinen Schritten auf unterschiedlichen Gebieten die Beziehungen vor allem in praktischen Belangen geregelt. Dies betraf hauptsächlich die Bereiche Wirtschaft, Post und Verkehr. Ein wichtiger Schritt war dabei das 1971 unterzeichnete Vier-Mächte-Abkommen. Erstmals seit 1945 garantiert die Sowjetunion darin den ungehinderten Transitverkehr auf Straße, Schiene und zu Wasser zwischen der Bundesrepublik und West-Berlin. In Folge des Vertrages traten die Bundesrepublik und die DDR in direkte Verhandlungen und schlossen ein Jahr später einen Grundlagenvertrag, der die Beziehung zwischen beiden Staaten regelte.
Die konservativ-liberale Regierung unter Helmut Kohl hielt an den erreichten Entwicklungen fest. Die DDR war vor allem an einer wirtschaftlichen Zusammenarbeit und Devisen interessiert, die für die immer stärker in Schieflage geratene Wirtschaft dringend benötigt wurden. Einen späten Höhepunkt für die DDR bildete der Staatsbesuch 1987 von Erich Honecker in der Bundesrepublik. Er wurde in Bonn als gleichwertiges Staatsoberhaupt empfangen. Die Unabhängigkeit und Gleichberechtigung beider deutscher Staaten wurde somit öffentlich sichtbar belegt - drei Jahre vor dem Ende der DDR.
Materialvorschläge:
Deutsch-deutsche Beziehungen in den 1970er und 1980er Jahren
Mauerjahre: Entspannungspolitik