Deutschland ist wieder vereint – oder?

Historischer Kontext

Wachsende Unzufriedenheit in der DDR

 

Die wirtschaftlichen Probleme der DDR wuchsen in den achtziger Jahren immer mehr. Die Staatsverschuldung stieg und Investitionen in Betriebe und Gebäudesanierungen blieben aus. Während im Westen der Lebensstandard hoch war und die Konsummöglichkeiten grenzenlos schienen, verfielen in der DDR die Innenstädte und viele Produkte waren nur schwer oder gar nicht erhältlich. Der Druck der staatlichen Überwachung und Repression war hoch. Das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) hatte ein enges Überwachungsnetz bis in die beruflichen und privaten Lebensräume hinein gesponnen. Trotzdem entstanden in den achtziger Jahren Gruppen die Kritik übten. Mit Slogans wie „Schwerter zu Flugscharen“ setzten sie sich für Abrüstung ein oder prangerten die Umweltzerstörung durch eine marode Industrie an. Den Kirchen war es gelungen relativ eigenständig und unabhängig vom Staat zu bleiben. Sie boten den kritischen und unzufriedenen Bürgern Raum sich auszutauschen und zusammen aktiv zu werden.

Materialvorschlag:

Schwerter zu Pflugscharen: Die Friedensbewegung der DDR

 

Die Friedliche Revolution

 

Ende der achtziger Jahre nahm die Unzufriedenheit der DDR-Bevölkerung mit dem sozialistischen Wirtschafts- und Gesellschaftssystem weiter zu. Die zunehmende ökonomische Krise und die Unmöglichkeit einer gesellschaftlichen Debatte über die Probleme in Staat und Gesellschaft frustrierten immer mehr Menschen. In der Sowjetunion kam 1985 Michael Gorbatschow an die Macht. Unter dem Motto Glasnost (Offenheit) und Perestroika (Umgestaltung) verfolgte er das Ziel Staat, Wirtschaft und Gesellschaft zu reformieren. Auch den osteuropäischen Ländern stellte er frei, Reformen umzusetzen. In den Beziehungen zu den USA setzte Gorbatschow auf Entspannung und Abrüstung, um so den Kalten Krieg zu beenden. Während Polen und Ungarn die ihnen von Moskau zugestandene Freiheit für eigene Reformen nutzen, lehnte die SED-Führung jegliche Veränderungen ab.

Bei den Kommunalwahlen im Mai 1989 erhält die Einheitsliste der SED-Diktatur angeblich 98 Prozent der Stimmen, doch Oppositionelle beobachteten die Wahlen genau und deckten zahlreiche Manipulationen auf. Sie demonstrierten öffentlich gegen die offensichtliche Wahlfälschung und erhielten immer stärkeren Zuspruch aus der Bevölkerung. Im Sommer brach eine große Ausreisewelle los. Die Bürger stellten über 120.000 Ausreiseanträge und Tausende flohen über Ungarn und Österreich in den Westen. Insgesamt verließen 1989 bis zum Mauerfall am 9. November fast 200.000 Menschen die DDR. Zur selben Zeit organisierten sich Oppositionelle und Unzufriedene in verschiedenen Bürgerrechtsgruppen wie dem „Neuen Forum“. Dort diskutierten sie über notwendige Veränderungen des politischen Systems. Im Anschluss an ein sogenanntes Friedensgebet, das Friedens- und Umweltgruppen seit 1981 regelmäßig in Leipzig abhielten, versammelten sich am Montag, den 4. September, fast 1000 Menschen vor der Kirche, um gegen die Zustände in der DDR zu protestieren. Trotz der Angst vor einer gewalttätigen Reaktion des Staates demonstrierten in den folgenden Wochen immer mehr Menschen. Am 9. Oktober zogen 70.000 Menschen durch Leipzig und forderten Meinungsfreiheit, politische Mitsprache und ein Ende der SED-Diktatur. Ihnen standen 8000 Sicherheitskräfte gegenüber. Aufgrund fehlender Einsatzbefehle und der großen Zahl an Demonstranten zogen diese sich jedoch zurück. Die friedlichen Demonstrationen wurden in der Bevölkerung als Sieg über die SED-Herrschaft empfunden. Auch in anderen Städten kam es zu immer größeren Demonstrationen. Anders als bei den Aufständen vom 17. Juni 1953 oder beim Prager Frühling 1968 hält sich die Sowjetunion militärisch zurück und lässt keine Panzer aufrollen. Die Menschen in der DDR profitierten von den neuen Freiheiten, die Gorbatschow allen osteuropäischen Staaten zugestand.

Das SED-Regime reagierte unentschlossen. Es gab Verhaftungen und teilweise Versuche Demonstrationen und Sitzblockaden gewaltsam von der Polizei auflösen zu lassen, zu einer Niederschlagung der gesamten Proteste kam es allerdings nicht. Kurz nach den Feierlichkeiten zum 40. Jahrestag der DDR zwang die SED den Generalsekretär Erich Honecker zum Rücktritt. Sein Nachfolger Egon Krenz sollte mit der Ankündigung von Reformen die Herrschaft der SED retten. Die Demonstrationen und Proteste nahmen trotzdem weiter zu.

Am 9. November gab der Berliner SED-Funktionär Günther Schabowski bekannt, dass Reisen über die DDR Grenze in den Westen jetzt möglich seien. Daraufhin strömten Tausende Menschen an die Grenzübergänge nach Westberlin. Um 22 Uhr öffneten die überforderten Grenzsoldaten ohne eindeutigen Befehl die Übergänge. Die Mauer war nach 28 Jahren gefallen.

Materialvorschläge:

Die Opposition in der DDR wächst

DDR-Zeitzeugen im Unterricht – Stimmen der Opposition

 

Der Weg zur Einheit

 

Der Fall der Mauer bedeutete auch für die SED das Ende ihrer absoluten Machtposition. Am 7. Dezember 1989 kam erstmals der „Runde Tisch“ zusammen. Vertreter der DDR-Regierung, SED-Organisationen, Oppositionsgruppen und Kirchen berieten dort gemeinsam über die Zukunft der DDR, freie Wahlen und eine neue Verfassung. Während viele Mitglieder des „Runden Tischs“ für einen Fortbestand einer demokratisch und wirtschaftlich reformierten DDR eintraten, forderte eine Mehrheit der Demonstranten auf den Straßen nicht mehr nur Reformen, sondern eine Wiedervereinigung des geteilten Deutschlands. Die Hoffnung auf eine baldige Wiedervereinigung hatte unter anderem Bundeskanzler Helmut Kohl geweckt, der im Bundestag ein „Zehn-Punkte-Programm“ für den Weg zur Einheit vorgestellt hatte. Viele Oppositionelle in der DDR, aber auch Parteien im Westen, wie die SPD, reagierten kritisch auf die Forderung nach einer schnellen Wiedervereinigung.

Bei den ersten freien Wahlen in der DDR am 18. März 1990 gewann die „Allianz für Deutschland“, ein Bündnis aus CDU, Demokratischem Aufbruch (DA) und Deutscher Sozialer Union (DSU) mit 48 Prozent der Stimmen. Die Mehrheit der Wähler stimmte damit für eine baldige Deutsche Einheit. Damit war das Ende der DDR besiegelt.

Die erste demokratisch gewählte Regierung der DDR mit ihrem Ministerpräsidenten Lothar De Maizière hatte die Aufgabe den Beitritt der DDR zur Bundesrepublik vorzubereiten. Die ersten großen Schritte in Richtung Wiedervereinigung waren die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion. Damit galten große Teile der Wirtschafts- und Rechtsordnung der Bundesrepublik auch in der DDR. Durch die Währungsunion wurde die D-Mark zum offiziellen und einzigen Zahlungsmittel. Die Umwandlung der DDR-Planwirtschaft in eine soziale Marktwirtschaft erwies sich als schwierig. Viele Betriebe in der DDR waren veraltet und konnten in einer Marktwirtschaft nicht konkurrenzfähig produzieren. Die Zahl der Arbeitslosen in der DDR stieg dadurch rasant an und auch nach der Wiedervereinigung blieb die wirtschaftliche Situation lange Zeit schwierig.

Die Deutsche Einheit konnte nur mit Zustimmung der Siegermächte des Zweiten Weltkriegs erfolgen. Vertreter von Sowjetunion, USA, Großbritannien, Frankreich, der Bundesrepublik und der DDR verhandelten von Mai bis September 1990. Großbritannien und Frankreich sowie andere europäische Staaten befürchteten, dass ein wiedervereintes Deutschland durch seine Größe und Wirtschaftskraft die Stabilität in Europa gefährden könnte. Um solchen Sorgen entgegenzutreten garantierte die Bundesrepublik die Unverletzlichkeit der bestehenden Grenzen, und sicherte zu die Bundeswehr zu verkleinern. Mit der Unterzeichnung des sogenannten Zwei-plus-Vier-Vertrags gewährten die Siegermächte Deutschland volle Souveränität. Das Ende der deutschen Teilung war ebenso eng verbunden mit den weltpoltischen Entwicklungen des Ost-West-Konflikts, wie ihr Anfang 41 Jahre zuvor.

Innenpolitisch besiegelte der Einigungsvertrag die Wiedervereinigung. Der Vertrag umfasste fast 900 Seiten und regelte unzählige Anpassungen in Justiz, Verwaltung, Verkehr, Post und Bildung. Nur so konnten das politische und rechtliche System der Bundesrepublik auf Ostdeutschland übertragen werden. Am 20. September stimmten die Parlamente der Bundesrepublik und der DDR dem Vertrag zu. Am 3. Oktober 1990 hörte die DDR auf als Staat zu existieren. Fünf neue Bundesländer im Osten traten der Bundesrepublik bei. Damit war Deutschland 41 Jahre nach der doppelten Staatsgründung wieder ein Staat.

Materialvorschläge:

Die letzte Regierung der DDR: der Beitritt - Sekundarstufe I

Die Deutsche Einheit 1989/1990

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