Unterrichten von daheim: Wie geht das überhaupt?
Maria Koch ist Lehrerin für die Fächer Musik und Pädagogik an einem Gymnasium in Nordrhein-Westfalen. Im ersten Beitrag unseres neuen Blogs "Digitale Schule" berichtet sie von ihrer ersten Unterrichtswoche aus dem Homeoffice.
Die Schulschließungen wegen der Coronavirus-Pandemie haben uns alle - Schulleitungen, Lehrerkollegien, Schülerinnen und Schüler sowie deren Eltern - eiskalt erwischt. Unterricht, wie wir ihn bisher kannten, kann nicht mehr stattfinden. Stattdessen sind wir seit Beginn der letzten Woche alle gefordert, binnen kürzester Zeit Formen des "Remote-Unterrichtens" zu entwickeln und umzusetzen - und das, obwohl die Digitalisierung noch gar nicht in jeder Schule und jeder Familie angekommen ist.
Was helfen kann, ist der Austausch mit Kolleginnen und Kollegen sowohl an der eigenen Schule und im eigenen Bundesland als auch darüber hinaus. Überall entstehen gerade kreative Lösungen für den Unterricht aus dem Homeoffice. Gerne berichte ich hier, welche Lösungsansätze ich momentan für meine Fächer Musik und Pädagogik erprobe - vielleicht kann der eine oder die andere daraus etwas für den eigenen Unterricht mitnehmen.
Mein Unterrichtsalltag im Homeoffice
Wie sieht mein Unterrichtsalltag im Homeoffice aus? Vor allem suche ich gerade für alle Klassenstufen, in denen ich meine Fächer Musik und Pädagogik unterrichte, digitales Unterrichtsmaterial, das die Schülerinnen und Schüler selbstständig bearbeiten können. Außerdem suche ich nach Tools für die digitale Kommunikation mit meinen Lerngruppen.
Online-Kommunikation mit meinen Lerngruppen
Mit meinen Oberstufenschülerinnen und -schülern kommuniziere ich sowohl über die schul.cloud (eine datenschutzkonforme Messenger-Lösung) als auch per E-Mail, da die schul.cloud leider momentan häufig überlastet ist – ich bin schließlich nicht die einzige Lehrerin, die derzeit nur auf dem digitalen Weg mit ihren Lerngruppen kommunizieren kann. Meine Pädagogik-Lerngruppen haben von mir beispielsweise Arbeitsaufträge zu einer pädagogischen Theorie zugeschickt bekommen, die wir gerade im Unterricht behandeln, sowie Lernhinweise, Quellentipps et cetera. Natürlich stehe ich meinen Schülerinnen und Schülern für Rückfragen jederzeit per E-Mail zur Verfügung.
Vor allem für meinen Pädagogik-Leistungskurs suche ich gerade nach einer Möglichkeit, einen Video-Chat durchzuführen. Hierfür habe ich zum Beispiel die Tools Zoom, Google Hangouts und Microsoft Teams im Blick, wobei letzteres eine Anmeldung (derzeit kostenlos!) durch die Schule benötigt, um sie nutzen zu können.
Suche nach digitalem Unterrichtsmaterial
Auch in meinem Fach Musik ist es mir wichtig, die Schülerinnen und Schüler sinnvoll zu beschäftigen und ihnen die Möglichkeit zum Ausbau ihres musikalischen Allgemeinwissens zu bieten. Musik-Unterricht in der Schule dreht sich immer um Musik, enthält meist musikpraktische Elemente, Höranalysen und Gestaltungsaufgaben. Damit im Fach Musik der digitale Unterricht ganz ohne Lehrkraft nicht zur "Arbeitsbeschaffungsmaßnahme" verkommt, arbeite ich bei allen Materialien und Aufgaben, die ich meinen Musik-Kursen schicke, beispielsweise Dokumentationen zu Musikgrößen, Bands, Kulturen et cetera ein. Die Auseinandersetzung mit Live-Mitschnitten von Konzerten auf YouTube ist auch enthalten, damit meine Schülerinnen und Schüler sich einen umfassenden Eindruck von der Musik verschaffen können. Mit viel Zeitaufwand habe ich Fragebögen dazu erstellt, sodass auch eine Sicherung des Erlernten stattfinden kann.
Darüber hinaus suche ich nach Online-Angeboten, die eine spielerische und interaktive Auseinandersetzung mit Musik ermöglichen. Im Themendossier "H5P: Interaktive Übungen im Unterricht" auf Lehrer-Online sind zum Glück schon einige interaktive Übungen für den Musik-Unterricht enthalten.
Ungewissheit und viele offene Fragen
Die Ungewissheit, ob und wie es nach den Ferien mit dem Unterricht weitergeht, treibt uns sicher alle um – Lehrerinnen und Lehrer, Schülerinnen und Schüler und natürlich auch deren Eltern. Die bundesweiten Schulschließungen sind einfach eine noch nie dagewesene Situation und Herausforderung, mit der – zumindest an meiner Schule – viele überfordert scheinen.
Das frage ich mich als Lehrerin
Aus dem Homeoffice kann ich kaum nachhalten, ob meine Schülerinnen und Schüler die Aufgaben, die ich ihnen schicke, überhaupt erledigen – und ob sie das alleine tun oder welche Hilfsmittel sie dabei verwenden. Das wirft für mich die Frage auf, wozu die Aufgaben dann überhaupt gut sind. Wir Lehrerinnen und Lehrer dürfen sie nämlich nicht bewerten.
Diese Probleme sehe ich bei meinen Schülerinnen und Schülern
Besonders in der aktuellen Situation zeigt sich, dass die Kinder und Jugendlichen ganz unterschiedliche Unterstützungssysteme zu Hause haben – was einen unmittelbaren Einfluss darauf hat, ob und wie viel sie vom derzeitigen ausschließlich digitalen Unterricht mitnehmen: Die einen arbeiten sicherlich ganz eifrig mit ihren Eltern, andere bekommen keinerlei Hilfe – nicht zuletzt, weil viele Eltern schließlich selbst aus dem Homeoffice arbeiten müssen. Außerdem fehlt häufig die technische Ausstattung, oder sie ist zumindest nicht darauf ausgelegt, dass die gesamte Familie gleichzeitig darauf zugreifen und damit arbeiten muss. Und schließlich sehen manche Schülerinnen und Schüler die Schulschließungen wegen der COVID-19-Pandemie sicher auch als eine Art Ferienzeit.
So funktioniert die Elternarbeit
Die Eltern meiner Schülerinnen und Schüler reagieren leider häufig gar nicht auf meine E-Mails. Wenn ich sie doch erreiche, sagen sie mir, dass sie ihre Kinder natürlich versuchen bestmöglich zu Hause zu unterstützen. Das artet allerdings häufig darin aus, dass sie das Unterrichtsmaterial, das ich ihren Kindern schicke, mit ihnen gemeinsam bearbeiten. Selbstständiges Arbeiten findet dann leider kaum statt.
Viele Familien sind momentan verständlicherweise vollkommen überlastet: Mit der Doppelbelastung ihrer eigenen Arbeit und den fehlenden Betreuungsmöglichkeiten für ihre Kinder bekommen sie derzeit viel aufgehalst. Die Frage einiger Eltern, ob denn Unterricht via Webcam, wie etwa Musikschulen oder Nachhilfe-Institute ihn derzeit teilweise anbieten, nicht auch von unserem Gymnasium angeboten werden könnte, kann ich leider trotzdem nur verneinen: Anders als viele Nachmittagsangebote arbeiten wir im schulischen Bereich eben nicht in Eins-zu-eins-Betreuung oder Kleingruppen, sondern mit Klassenstärken von teilweise mehr als 30 Schülerinnen und Schülern. Da scheitert der Video-Chat häufig bereits am Datenvolumen...
So versucht meine Schule mit der derzeitigen Situation umzugehen
Der Informationsfluss seitens meiner Schulleitung läuft von Beginn der Corona-Krise an leider nur sehr schleppend oder unbefriedigend. Ob ein offizieller Elternbrief mit Hinweisen zum digitalen Unterricht in der Zeit bis zu den Osterferien verschickt wurde, ist uns Lehrkräften nicht bekannt. Unsere einzige Anweisung lautet schlicht: Verschickt Material an alle Klassen und für alle Fächer für den ausgefallenen Zeitraum.
Von anderen Schulen wurde mir über ein deutlich strukturierteres Vorgehen berichtet. Viele Schulen haben auch bereits vor Corona über eine sicher laufende digitale Kommunikationsplattform und Lern-Management-Systeme verfügt. Das wurde an meiner Schule leider bisher versäumt.
Zusammenarbeit und Stimmung im Kollegium
Die Stimmung in meinem Kollegium ist individuell sehr unterschiedlich: Die einen sind panisch, andere sehr entspannt. Ich persönlich bin sehr verunsichert. Gehe ich meiner Verpflichtung ausreichend nach? Was könnte ich noch weiter leisten? Wie geht es nach dem 19. April weiter, und wann erfahren wir davon?
Wie meine Kolleginnen und Kollegen mit der derzeitigen Situation umgehen, weiß ich leider nicht, da ich ja nun für mich alleine am heimischen Schreibtisch arbeite. Lediglich in der Musik-Fachschaft haben wir bisher unser Unterrichtsmaterial miteinander geteilt. Ein Problem, das ich derzeit noch habe, ist, dass nach wie vor nicht alle Klassenlehrerinnen und Klassenlehrer uns Fachlehrkräften die E-Mail-Verteiler ihrer Klassen zur Verfügung gestellt haben... Ansonsten zeigt sich in der jetzigen Situation mehr noch als sonst im Lehrerzimmer, dass der Austausch mit den "engsten" Kolleginnen und Kollegen gut funktioniert, während man von anderen kaum etwas mitbekommt.
Wie geht es wohl Kolleginnen und Kollegen an anderen Schulen und in anderen Teilen Deutschlands in dieser Ausnahmesituation? Wie gehen ihre Schulleitungen damit um? Welche Lösungswege haben sich bereits bewährt? Ich freue mich auf Anregungen und Tipps in der Kommentarspalte und wünsche allen Leserinnen und Lesern alles Gute sowie vor allem Gesundheit!!