Neustart nach Corona: aktuelle Trends in Schule und Bildung
Am 19. August 2020 luden die Eduversum GmbH und die Stiftung Jugend und Bildung zum virtuellen Kamingespräch. In einem Impuls-Vortrag ging Richard Heinen, Vizepräsident der Stiftung, auf die Frage ein, was wir und die Schulen aus der Zeit vor den Sommerferien gelernt haben. Daraus leitet er ab, was wir in Zukunft – insbesondere im Hinblick auf die Entwicklung von Lernszenarien und Lernmaterialien – tun müssen.
Impuls-Vortrag: Wegweisende Aspekte in Schule und Bildung
Eine Lehrkraft alleine kann den Unterricht nicht verändern und digitaler machen. Das ist eine Aufgabe für die gesamte Schule. Zu dieser Erkenntnis ist Richard Heinen bei seiner Tätigkeit am Lehrstuhl für Mediendidaktik und Wissensmanagement an der Universität Duisburg/Essen gelangt, wo er sich intensiv mit der Gestaltung von Lernszenarien beschäftigt hat. Heute entwickelt und berät er mit der learninglab GmbH Schulen. In diesem Impuls-Vortrag weist er aktuelle Probleme des deutschen Schulsystems auf und erläutert, was dieses braucht, um zukunftsfähig zu sein.
Lernzeit versus Unterrichtszeit
Das IFO-Institut hat in einer Studie festgestellt, dass Kinder seit Beginn der Corona-Pandemie deutlich weniger Lernzeit haben als vor Corona. Auch wenn das Ergebnis der Studie zunächst dramatisch klingt, lohnt sich ein Blick in die Auswertung: Während "Lernzeit" vor Corona mit der Zeit innerhalb des Schulgebäudes und der Zeit zum Lernen am Nachmittag gleichgesetzt wurde, beruft sich das IFO-Institut bei der Frage nach der Lernzeit seit Beginn der Pandemie ausschließlich auf die Aussage der Schülerinnen und Schüler, die selbst angegeben haben, wie viel Zeit sie nun mit Lernen verbringen. Die Fragen, die man sich bei dieser Studie stellen kann, lauten jedoch: Um wen geht es bei dieser Studie? Die Kinder? Die Eltern? Die Wirtschaft? Die Normalität?
Digitalisierungsdruck an Schulen
Niemand hat mit dieser radikalen Veränderung der Schulen und des Lernens gerechnet, die alle völlig unvorbereitet getroffen hat. Dies hat zu einem enormen Druck in den Schulen geführt. Die Lösung für diesen Druck war zunächst die Digitalisierung des Unterrichts und der Schulen. Digitale Medien allein verändern Schulen und Unterricht jedoch nicht automatisch. Die Schulen müssen auch wissen, wie die Technik anzuwenden ist und dies stets unter Berücksichtigung der Bedürfnisse der Schülerinnen und Schüler.
Schulpflicht oder Schulgebäude-Pflicht?
Die Schulgebäude waren in großen Teilen Deutschlands bis zu den Sommerferien geschlossen. Eine Schulpflicht gab es dennoch. Nun dürfen die Schulgebäude wieder öffnen, und dennoch sollten wir uns die Frage stellen: Möchten wir mit der Öffnung der Schulgebäude auch, dass sich der Unterricht wieder nahezu ausschließlich in den Schulgebäuden abspielt, oder haben wir in der Zeit der Schulgebäude-Schließungen nicht gelernt, dass es auch anders geht? Sollte Unterricht nicht generell viel hybrider und offen für neue Formate sein?
Hybride Lernszenarien entwickeln
Laut Richard Heinen sollte der Lernort zukünftig nicht mehr derart entscheidend sein. Vielmehr sollte Unterricht so digital gestaltet sein, dass ein Umschwenken auf Distanzlernen bruchlos möglich ist. Dafür muss Schule als Team gestaltet werden; es bedarf offener Formate für selbstregulierendes Lernen und eines Verständnisses der Lehrkraft als Lernbegleitung.
Das Lernmaterial der Zukunft
Das Lernmaterial der Zukunft wird nach Einschätzung von Richard Heinen zukünftig nicht linear, sondern eher in Form eines "Baukasten"-Prinzips gestaltet werden. Es ist differenzierter und themenorientiert angelegt und fördert entdeckendes sowie produktives Lernen. Schülerinnen und Schüler sollen interessengeleitet und selbstgesteuert mit Lernmaterialien arbeiten können.