Genderaspekte der Unterrichtseinheit "RCL Weltpendel"

"Geschlechtstypisiertes Verhalten bedeutet bei Mädchen unter anderem, sich von einem maskulin konnotierten Bereich wie Physik zurückzuziehen" (Kessels, 2002: 13). Mithilfe der Unterrichtseinheit "Breitengradabhängigkeit von g - RCL 'Weltpendel'" können Sie Jungen wie Mädchen gleichermaßen für Physik begeistern. Aus welchem Grund das so ist und was Sie als Lehrer oder Lehrerin tun können, um dies zu optimieren, erfahren Sie im Folgenden.

Geschlechtergerechte Unterrichtseinheit

In allen Schulformen erreichen Mädchen in Physik weniger gute Leistungen als Jungen, vor allem lassen sich in der Oberstufe "'substantielle Leistungsunterschiede' zwischen Schülerinnen und Schülern nachweisen" (Kessels, 2002: 16). Obwohl Mädchen im Allgemeinen ein geringeres Interesse an Physik haben als Jungen, gibt es doch einzelne Teilbereiche der Physik, für welche sich Mädchen nachweislich mehr als Jungen interessieren. Dazu gehören unter anderem Naturphänomene, die im üblichen Physikunterricht meist lediglich randständig behandelt werden (vergleiche Kessels, 2002: 20). Die Unterrichtseinheit "Weltpendel" beschäftigt sich mit einem Naturphänomen und kommt so den Interessen von Mädchen an Physik entgegen, ohne die Jungen zu benachteiligen.

Zielgruppe und Genderaspekte

Inhomogene Zielgruppe

Die Unterrichtseinheit RCL Weltpendel hat als Zielgruppe Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe II sowie Studentinnen und Studenten des Grundstudiums Physik, Geographie oder Geodäsie. Bei letzteren, den Studierenden, ist unter dem Genderaspekt von einer fachlichen Qualifikation und einer ausgeprägten Wissbegierde im Fach auszugehen, so dass Genderaspekte bezüglich der bereits vorhandenen Kompetenz in der Umsetzung der Lerneinheit eine untergeordnete Rolle spielen sollten. Auch bei Schülerinnen und Schülern ist davon auszugehen, dass in einem solch fortgeschrittenen Stadium das Interesse und Engagement bereits vorhanden ist und dass eine Segregation bereits erfolgte. Somit erreicht diese unter Gendergesichtspunkten betrachtet vorbildliche Lerneinheit leider nur diejenigen, die schon in Vorfeld ein ausgeprägtes Interesse für Physik aufweisen und daher voraussichtlich vorrangig Jungen, obwohl die Unterrichtseinheit gerade auch den Interessen von Mädchen entgegen kommt.

Fokussierung auf Schülerinnen und Schüler

Die weiteren Ausführungen beziehen sich auf die Zielgruppe der Schülerinnen und Schüler, da hier der Grundstein gelegt werden kann, um das Fach Physik auch zu studieren.

Stärkung des Selbstwertgefühls bei Mädchen

Viele Mädchen sind der Meinung, dass sie weder Begabung noch gute Leistungen in Physik aufweisen. Dies ist ein Grund dafür, dass ihr Interesse und Engagement für dieses Fach eher wenig ausgeprägt ist. Erreicht werden muss also durch die Lehrerinnen und Lehrer, dass das Fach Physik als genauso relevant für das Selbstwertgefühl angesehen wird wie zum Beispiel das Fach Deutsch oder Englisch und dass mit dem femininen Selbstkonzept dahingehend gearbeitet wird, dass auch Mädchen es für erstrebenswert halten, sich mit dem Gegenstand Physik zu befassen. Es ist erwiesen, dass die Zuschreibung zu einem Fach als männliche Domäne Auswirkungen auf die Leistungen hat. Wird also Physik als Jungenfach angesehen, erzielen Jungen bessere Leistungen, weil die Zuschreibung zum Fach ihrem Selbstkonzept entspricht (vergleiche Kessels, 2002: 80). So könnte das Ziel einer Intervention sein, die Mädchen darin zu bestärken, dass "Physik genauso zu ihnen 'passt' wie andere Schulfächer und dass ihnen gute Leistungen in diesem Fach ebenso erstrebenswert erscheinen wie in anderen Fächern" (Kessels, 2002: 27).

Die Chancen der Lerneinheiten

Bezug zu Naturphänomenen

Die Rätsel der Natur entdecken, fällt in den Interessensbereich beider Geschlechter. Einen Bezug zu Naturphänomenen herzustellen, bietet somit für Lehrerinnen und Lehrer die Chance, im Physikunterricht Mädchen und Jungen gleichermaßen anzusprechen und zu fördern.

Motivation

Uhlenbusch (1992) weist darauf hin, dass für den Physikunterricht insbesondere auch folgende Aspekte bedeutsam sein können für die Motivation:

  • Vermeiden von Negativ-Erlebnissen und Berücksichtigung affektiver Komponenten
  • Spielerisches Üben und Entdecken sowie freies Probieren in Schülergruppen
  • Praktisches Arbeiten und produktive Selbstständigkeit (Uhlenbusch, 1992: 119).

Interesse wecken

In der ersten Lerneinheit zum Themenkomplex RCL Weltpendel wird durch einen narrativen Einstieg - beispielsweise mit der Biografie des Entdeckers des Pendels - das Interesse am Thema geweckt. Verständlich für alle Schülerinnen und Schüler wird so ein Einstieg geschaffen, der mit positiven Erlebnissen, Motivation und Interesse am Weiterarbeiten einhergeht.

Gruppenarbeit

Die Konstruktion der Unterrichtseinheit sieht vor allem in der zweiten Lerneinheit Gruppenarbeit als wesentlichen Bestandteil vor. Die Gruppen werden angeregt die Aufgaben zu bearbeiten und haben die Möglichkeit der Präsentation ihrer Ergebnisse. So kann das "spielerische Üben und Entdecken" in Gruppen zur Erreichung der Lernziele beitragen.

Praktische Umsetzung

In der dritten Lerneinheit entwickeln die Schülerinnen und Schüler ein Pendel, mit dem die Erdbeschleunigung am jeweiligen Schulstandort bestimmt werden kann. So können sie das theoretisch Gelernte praktisch umsetzen und es werden Gelegenheiten geboten, das Gelernte nutzbar zu machen und so über das bloße Schullernen hinauszugehen. Über die Erdbeschleunigung am Schulstandort kann auch in der Pause mit Interesse debattiert werden.

Handlungsempfehlungen für Lehrerinnen und Lehrer

Ausgewogene Sitzordnung

Schon vor Beginn dieser Lerneinheit sollte darauf geachtet werden, dass sich die Geschlechter im Klassenraum gleichmäßig verteilen. Gerade im Physikunterricht sitzen Mädchen häufig am Rand oder in den letzten Reihen (vergleiche Benke/Stadler, 2008: 156). Achten Sie bei der Sitzordnung soweit wie möglich auf Ausgewogenheit im Geschlechterverhältnis.

Im Unterrichtsgespräch

Tendenziell ist es so, dass Mädchen eher offene Fragen stellen und ein breiteres Spektrum an Antwortmöglichkeiten öffnen. Jungen drücken sich häufig enger und spezifischer aus, verwenden tendenziell mehr Fachtermini und lassen seltener mangelndes inhaltliches Verständnis erkennen (vergleiche Benke/Stadler, 2008: 160). Gehen Sie auf die Fragen beider Geschlechter ein und ziehen Sie keine voreiligen Schlüsse über das Verständnis der Einheit aufgrund der Formulierungen der Fragen. Grundsätzlich gilt: Jede Frage hat ihre Berechtigung und verdient eine Antwort. Ermuntern Sie Ihre Schülerinnen und Schüler zu fragen und nehmen sie sich die nötige Zeit zur Beantwortung. Versuchen Sie, offenere Fragen zuzuspitzen, enge Fragen einzuordnen, bei Fachtermini nachzufragen, sie erläutern und definieren zu lassen, auch wenn sie mit großer Selbstverständlichkeit eingebracht werden. Das Gros der Schülerinnen und Schüler wird es Ihnen danken.

Kreativität der Jungen fördern

Bei der Anfertigung von Protokollen/Paper/Plakaten nach oder über die Unterrichtseinheit sind nicht nur die Kompetenzen von Mädchen angesprochen, auch Jungen können schreiben und kreativ gestalten. Die häufige Delegation von derartigen Aufträgen an Mädchen kann dazu führen, dass Jungen weniger Lernchancen haben, dass sie ihre verbale und schriftliche Kompetenz nicht trainieren und dass sie nicht zu Präzisierungen und tieferem Verständnis vordringen. Achten Sie auch hier auf Gleichberechtigung, steuern Sie stereotypen Interessen entgegen und schaffen Sie Geschlechtergerechtigkeit.

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