Historischer Kontext

Zwei deutsche Staaten entstehen

Im Jahr 1949 kam es zur doppelten Staatsgründung. Mit Gründung der Bundesrepublik entstand ein demokratischer Staat in Westdeutschland. Vor dem Hintergrund des Ost-West-Konflikts betrieb der erste Bundeskanzler der Bundesrepublik Konrad Adenauer eine enge Anbindung an den Westen. Die Sowjetunion und der Kommunismus dienten dabei als identitätsstiftendes Feindbild. Die Zustimmung der Bevölkerung zur Bundesrepublik war in den 1950er-Jahren groß. Viele Menschen blieben in ihrem politischen Verhalten jedoch passiv und pragmatisch und zogen sich ins Private zurück. Die Zustimmung zur Bundesrepublik und damit auch die Legitimation des politischen Systems wuchsen vor allem dank der guten wirtschaftlichen Entwicklung. 

Die DDR-Regierung führte die bereits in der SBZ begonnene Durchsetzung des kommunistischen Systems fort, das eine klassenlose Gesellschaft anstrebte, in der es nur noch Gemeingüter geben sollte und die kulturellen und materiellen Bedürfnisse aller Menschen gleichermaßen erfüllt werden sollten. Ein Teil der Bevölkerung trug dieses Ziel mit in der Hoffnung auf eine friedliche und sozial gerechte Gesellschaft. Der Antifaschismus diente als abgrenzende und identitätsstiftende Staatsdoktrin. Relativ schnell wurde der Bevölkerung jedoch bewusst, dass weder eine wirkliche demokratische Mitbestimmung noch Opposition erwünscht war und, dass die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) in der DDR eine Diktatur errichtet hatte. 

Die Akzeptanz der jeweiligen Herrschaftsordnung und Wertesysteme in beiden deutschen Staaten waren bis in die 1960er Jahre gering. In der DDR wurde sie durch Überwachung und Zwang in der Bundesrepublik durch den wirtschaftlichen Erfolg kompensiert. 

 

Die DDR zu Beginn der 1950er-Jahre

Die Besatzungsmächte versuchten früh die Situation zu stabilisieren und zugleich ihre eigenen Wirtschaftsvorstellungen durchzusetzen. Die Sowjetunion begann früh, ihre planwirtschaftlichen Vorstellungen in ihrer Besatzungszone umzusetzen. Dazu wurden bis 1948 landwirtschaftliche und industrielle Großbetriebe sowie Banken verstaatlicht. In einer sozialistischen Planwirtschaft regelt nicht der Markt Angebot und Nachfrage, sondern eine zentrale staatliche Behörde. Sie kontrolliert und steuert alle wirtschaftlichen Entwicklungen. Der Staat ist Besitzer der meisten Unternehmen. 

Die SED setzte den von der Sowjetunion begonnenen Aufbau der sozialistischen Planwirtschaft fort. Die Enteignungen von Unternehmern gingen weiter. Die verstaatlichten Betriebe wurden in Volkseigenen Betriebe (VEB) umgewandelt und auch die Bauern mussten ihre Selbstständigkeit aufgeben und sich zu landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften zusammenschließen (LPG). Diese Umwandlungen geschahen meist nicht freiwillig, sondern unter staatlichem Druck und Repressalien. Die Regierung steuerte die gesamte Wirtschaft nach sowjetischem Vorbild. Die SED legte in Fünfjahresplänen genau fest, welche Betriebe welche Mengen produzieren, und welche Preise, Löhne und Arbeitszeiten gelten sollten. Die Pläne regelten auch die Verteilung von Aufträgen, Rohstoffen und Investitionen auf die verschiedenen Wirtschaftszweige und Betriebe. Anfangs stand der Aufbau einer Schwerindustrie im Mittelpunkt der Fünfjahrespläne. 

Die Wirtschaftsleistung in Ost und West entwickelte sich schon früh unterschiedlich. 1950 lag die wirtschaftliche Produktivität in der DDR bereits ein Drittel hinter der der Bundesrepublik. Die Ursachen dafür waren vielfältig: Die hohen Reparationen an die Sowjetunion belasteten die Wirtschaft. Vor allem waren es aber die Folgen der Einführung der Planwirtschaft, die die Wirtschaftsentwicklung beeinträchtigten. Viele Menschen und Unternehmen verließen die DDR Richtung Westen und schwächten damit die Wirtschaftsentwicklung in der DDR. Bis 1961 flohen ca. 2,7 Millionen Menschen aus der DDR. Immer wieder waren innenpolitische Maßnahmen wie die Enteignung von Unternehmern, erzwungene Kollektivierung und politische Verfolgung ein Anlass für Menschen die Flucht in den Westen anzutreten. Auch die 1952 errichteten Sperranlagen konnten die Abwanderung nicht aufhalten. Besonders die Flucht vieler junger und gut ausgebildeter Menschen bereitete der Wirtschaft der DDR zunehmend Probleme. Ein großer Nachteil der Planwirtschaft war, dass sie nur langsam und unzureichend auf Veränderungen und unvorhergesehene Entwicklungen reagieren konnte. 

 

Der Volksaufstand 1953

Die Akzeptanz in der Bevölkerung schwand und die DDR-Bürgerinnen und Bürger wurden unzufriedener. Im Juni 1952 beschloss die SED den „Aufbau des Sozialismus“ und verschärfte ihre Maßnahmen. Doch die wirtschaftliche Lage verschlechterte sich weiter und die Versorgungslage wurde brisanter. Als Reaktion verkündete die SED am 14. Mai 1953 eine Erhöhung der Arbeitsnormen, um die Produktion zu erhöhen. Die ersten Arbeiter in Ost-Berlin riefen am 16. Juni 1953 zum Streik auf und forderten die Rücknahme der Normerhöhung. 

Innerhalb kürzester Zeit breitete sich die Streikbewegung aus und die Arbeiter riefen einen Generalstreik aus. Der Arbeiterstreik gegen die Erhöhung der Arbeitsnormen entwickelte sich zu einem Volksaufstand. Am 17. Juni 1953 protestierten eine Million Menschen in über 700 Städten und Gemeinden in der DDR gegen das kommunistische Regime. Sie bestreikten über 1.000 Betriebe und erstürmten über 250 öffentliche Gebäude. Sämtliche sozialen Gruppen waren an den Aufständen beteiligt: Bau- und Industriearbeiter, Bauern, Facharbeiter, Akademiker und ihre Angehörigen. Sie forderten politische und persönliche Freiheiten wie freie Wahlen, die Wiedervereinigung, den Rücktritt Walter Ulbrichts sowie die Freilassung politischer Häftlinge. 

Die SED war nicht in der Lage die sich am 17. Juni ausbreitenden Proteste zu kontrollieren und ihre Macht eigenständig zu sichern. Bereits in den Mittagsstunden trafen die ersten sowjetischen Truppen in Berlin ein, um die Aufstände niederzuschlagen. Die sowjetische Regierung verhängte den Ausnahmezustand und übernahm in weiten Teilen der DDR die Regierungsgewalt. Gemeinsam mit der Volkspolizei schlug sie den Aufstand militärisch nieder und erstickte dadurch eine breitere Demokratiebewegung im Keim. 15.000 Menschen wurden festgenommen, 50 starben. In der DDR galt der Aufstand als „faschistischer Putschversuch“, der Bundesrepublik hingegen diente er als „legitimatorischer Schub“ für die eigene Demokratie. 

  

Nach dem 17. Juni 1953

In den folgenden Wochen kam es immer wieder vereinzelnd zu Ausschreitungen und Protesten und es gelang der SED nur langsam, die Situation in der DDR zu stabilisieren. Nach der Niederschlagung des Aufstands wurden u.a. die Arbeitsnormen wieder gesenkt und die Löhne der Arbeitenden erhöht. Es wurde jedoch immer deutlicher, dass die SED ihre Herrschaft nicht durch eine breite Zustimmung der Bevölkerung legitimieren konnte. Die SED-Führung war zum Macherhalt auf das Militär, die Polizei und die Geheimdienste angewiesen. Insbesondere das Ministerium für Staatssicherheit sollte die Bevölkerung überwachen. Die sogenannte Stasi perfektionierte über die Jahrzehnte ihre Überwachungsmethoden und wurde allgegenwärtig. In allen gesellschaftlichen Bereichen spionierte sie vermeintliche Feinde aus. Viele Oppositionelle und Regimekritiker verurteile die Justiz zu langjährigen Haftstrafen. 

Während des Volksaufstands von 1953 kämpften die Bürgerinnen und Bürger in der DDR für ihre Freiheiten. Die Massenaufstände um den 17. Juni 1953 waren revolutionäre Volksbewegungen für demokratische Werte und Ideale. Die Forderungen nach demokratischer Teilhabe, nationaler Selbstbestimmung, aber auch nach sozialen Verbesserungen standen im Mittelpunkt. Es handelte sich nicht um eine kleine regionale Protestbewegung, „die Dynamik und historische Bedeutung des Aufstands […] ist nicht zuletzt dem Umstand geschuldet, dass die Erhebung nicht nur Großstädte erfasste, sondern gleich einem Flächenbrand über das gesamte Territorium der DDR erstreckte“