Leben in Ost und West

Historischer Kontext

Neue Rollen? - Frauen im geteilten Deutschland

 

Der Nationalsozialismus hatte ein Frauenbild propagiert, von dem sich das wirkliche Leben vieler Frauen bereits während des Krieges immer weiter entfernt hatte. Frauen sollten als treu sorgende Mütter und Hausfrauen ihren Männern zur Seite stehen und durch die Geburt möglichst vieler Kinder ihren Beitrag zum Erhalt der Gemeinschaft leisten. Doch durch die Abwesenheit vieler Männer, die im Krieg kämpften und starben, übernahmen sie immer mehr vormals männliche Aufgabenbereiche. Auch in der unmittelbaren Nachkriegszeit standen Frauen vor der Herausforderung das alltägliche Überleben zu organisieren, sich um die Kinder zu kümmern und Geld zu verdienen.

Mit der doppelten Staatsgründung 1949 setzte sich in beiden deutschen Staaten ein anderes Rollenverständnis durch. In der DDR galt die Gleichberechtigung von Frau und Mann als wichtiges politisches Ziel. Frauen waren von Anfang an juristisch gleichgestellt. Der Staat schuf Rahmenbedingungen, die die Berufstätigkeit von Frauen ermöglichen sollten: Mütter konnten einen Schwangerschaftsurlaub von 26 Wochen bei vollem Lohn in Anspruch nehmen und im ganzen Land wurden Kindergärten und Kinderkrippen eingerichtet. Dadurch war in der DDR eine Mehrheit der Frauen berufstätig. Allerdings bestand im Privaten die klassische bürgerliche Rollenverteilung fort: Haushalt und Kindererziehung galten weiterhin als Aufgabenbereich der Frau. Dadurch entstand für Frauen mit Familien eine Doppelbelastung von Beruf und Haushalt. Außerdem war der Lohn von Frauen häufig geringer und die Aufstiegschancen schlechter. Allerdings gelangten im Vergleich zur Bundesrepublik wesentlich mehr Frauen in höhere Positionen.

In der Bundesrepublik etablierte sich früh wieder das Ideal der Hausfrau und Mutter, die ihrem berufstätigen Mann ein schönes Heim bereiten sollte. Erst 1958 trat nach langer Verzögerung das Gleichberechtigungsgesetz in Kraft. Es sollte die im Grundgesetz festgeschriebene Gleichberechtigung der Geschlechter umsetzen. In der gesellschaftlichen Realität ändert sich jedoch zunächst wenig. Erst Ende der sechziger Jahre entstand eine starke Frauenbewegung, die sich für eine Gleichberechtigung in der Ehe und im Arbeitsleben einsetzte. Doch trotz stetiger Fortschritte bestand das traditionelle Rollenbild lange fort. Aufgrund schlechter Bezahlung und unzureichender staatlichen Kinderbetreuungsangeboten war nur ein geringer Anteil der Frauen berufstätig: 1990 waren gerade einmal etwas mehr als 32 Prozent der Frauen berufstätig – in der DDR waren es über 73 Prozent.

Materialvorschlag:

"Was soll ich denn machen?" – Frauen in der DDR

 

Jugend in der Nachkriegszeit und den 1950er Jahren

 

Jugendliche reagieren meist schnell und unverstellt auf Veränderungen und Entwicklungen. Ihre Perspektive ist daher oft ein guter Indikator für politische und soziale Entwicklungen.

Die Jugendlichen in den fünfziger Jahren hatten als Kinder die Schrecken des Krieges miterlebt. Sie mussten früh mithelfen, die als Soldaten im Krieg kämpfenden Väter zu ersetzen und waren oft selbst als Flakhelfer in den letzten Kriegsmonaten im Einsatz. Die Erfahrungen dieser Jahre ließen sie früh reifen und unabhängig werden. Nach Kriegsende mussten sie in beiden Staaten erst wieder in die Rolle von Kindern hineinfinden.

Im Westen wuchs eine Generation Jugendlicher heran, die aufgrund ihrer Erfahrungen im Nationalsozialismus jeglicher Ideologie vorsichtig gegenüberstand und sich eher aufs Private und berufliche Fortkommen konzentrierte. Da viele Männer im Krieg gestorben waren, standen Berufsanfängern viele berufliche Möglichkeiten und ein schneller Aufstieg offen. Viele erreichten schnell einen gewissen Wohlstand im Zuge des Wirtschaftswunders. Durch die Westbindung der Bundesrepublik hatte die anglo-amerikanische Kultur eine große Anziehungskraft auf die Jugendlichen. In der Mitte des Jahrzehnts führte die Amerikanisierung zu einem ersten Generationskonflikt, als Rock- und Popmusik sich immer mehr ausbreiteten und Konservative sowie Kirchen vor einem drohenden Sittenverfall warnten.

In der frühen DDR sollten die Jugendlichen möglichst schnell für den Aufbau des Sozialismus begeistert und entsprechend ideologisch geschult werden. Zu diesem Zweck war bereits 1946 in der sowjetischen Besatzungszone (SBZ) die Freie Deutsche Jugend (FDJ) gegründet worden. Die Jugendorganisation des Staates sollte neben den Schulen dazu dienen, die Jugendlichen zu einer „sozialistischen Persönlichkeit“ zu erziehen. Die Mitgliedschaft in der FDJ war keine Pflicht, wer sich weigerte musste jedoch in der Schule und der Universität mit Nachteilen rechnen und galt als politisch verdächtig. Auch in der DDR gab es für angepasste Jugendliche in den fünfziger Jahren gute Aufstiegsmöglichkeiten, da durch die Folgen des Krieges und durch Enteignungen, Verstaatlichung und rigorose Entnazifizierung viele Fachkräfte in Haft saßen oder in den Westen geflohen waren. Rockmusik gelangte über westliche Radiosender und bestehende Kontakte über die Grenze hinweg auch in die DDR. Die SED-Führung verurteilte die neue Musik jedoch, da sie aus dem kapitalistischen Westen kam. Um der Begeisterung der Jugendlichen für diese neue Musik etwas entgegen zu setzen, förderte die SED eine ideologisch kontrollierte DDR-Rockmusik. Es gab aber auch DDR-Bands und Liedermacher, die versuchten unabhängig zu bleiben und die mit ihren Texten Kritik am System übten. Die Behörden versuchten entsprechende Lieder umgehend zu verbieten und ihre Verbreitung zu verhindern. Die Musiker mussten mit Auftrittsverboten rechnen. Solche Repressionen führten jedoch auch zu einer Politisierung von Jugendlichen, sodass über Rockmusik sich auch in der DDR eine kritische Jugendszene aufbaute.

Materialvorschläge:

Zeitzeugeninterview - Rolf Wiese: "FDJ-Verwirrung"

Zeitzeugeninterview - Jo Leinen: "Jugend in den 50er und 60er Jahren in der Bundesrepublik"

 

Jugend im Aufbruch

 

In beiden deutschen Staaten waren die Jugendlichen der sechziger Jahre die erste Generation, die den Nationalsozialismus und den Krieg nicht miterlebt hat.

Die Jugendlichen der Bundesrepublik wuchsen in einem zunehmenden Wohlstand auf, den der wirtschaftliche Aufschwung und der Sozialstaat ermöglicht hatten. Mit den dadurch gewonnenen Freiheiten begannen andere Werte und Vorstellungen eine wichtigere Rolle zu spielen. Die biederen Moralvorstellungen, das Streben nach einem arbeitsamen Leben mit bescheidenem Wohlstand und die traditionellen Vorstellungen von Familie und Ehe stießen bei immer mehr jungen Menschen auf Ablehnung. Zudem suchten die Jugendlichen eine aktive Auseinandersetzung mit der Elterngeneration und ihrer Rolle während der NS-Zeit. Mit Rockmusik, provozierender Kleidung und langen Haaren versuchten sich die Jugendlichen von der alten Generation abzusetzen. Ende der sechziger Jahre politisierte sich der Protest der Jugendlichen an den Universitäten und Schulen. Der Widerstand gegen den Vietnamkrieg der USA und die bürgerlich-kapitalistische Gesellschaft spielte für viele Studenten eine immer wichtigere Rolle. Ideologisch orientierten sie sich an neuen marxistischen Ideen und Strömungen.

Es kam zu großen Demonstrationen und Auseinandersetzungen mit der Polizei, auf deren Höhepunkt ein Westberliner Polizist den Studenten Benno Ohnesorg erschoss. Der Polizist wurde nach falschen Aussagen und Manipulationen der Polizei freigesprochen, was einen Teil der Studenten zunehmend radikalisierte.

Dabei waren bei weitem nicht alle Jugendlichen politisch radikal eingestellt. Eine große Mehrheit wollte einfach eine Liberalisierung und Modernisierung der Gesellschaft, ohne dabei gleich das gesamte wirtschaftliche und gesellschaftliche System abzuschaffen.

Die Regierung des Bundeskanzlers Willy Brandt setzte die Forderungen nach einer Liberalisierung, mehr Mitbestimmung und sozialen Reformen teilweise um. Die Proteste der 68er bestärkten die Menschen in dem Glauben sich aktiv in die Gesellschaft einbringen zu können und auch als junge Menschen Veränderungen zu bewirken. In den achtziger Jahren entstanden davon inspiriert vielfältige soziale Bewegungen, wie die Umwelt- und Friedensbewegung, sowie viele lokale Bürgerinitiativen.

Die neue Jugendbewegung mit ihrem Zweifel an den Werten der Eltern und ihrem Bedürfnis nach Freiraum und Selbstbestimmung erreichte auch die DDR. Rock- und Popmusik nach amerikanischem Vorbild wurden immer beliebter und auch modisch richtete sich der Blick der Jugendlichen in den Westen. In gewissen Grenzen tolerierte die SED die neue Orientierung der Jugendlichen, solange sie keine Kritik am DDR Staat übten und das politische System in Zweifel zogen. Um dem veränderten Lebensgefühl der jungen Generation Rechnung zu tragen und die SED-Herrschaft zu festigen, setze der neue Generalsekretär der SED Erich Honecker in den siebziger Jahren auf eine wirtschaftliche Neuausrichtung, um die Konsumbedürfnisse der Bevölkerung besser zu erfüllen.

Eine Generationsrevolte wie in der Bundesrepublik fand in der DDR nicht statt. Zu stark war der Druck staatlicher Repressionen. Zwar gab es auch in der DDR zahlreiche junge Menschen, die mit der Reformbewegung in der Tschechoslowakei sympathisierten, die SED-Diktatur unterdrückte jedoch sämtliche öffentliche Äußerungen dazu. Das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) schreckte nicht davor zurück auch Jugendliche zu überwachen und unter Druck zu setzen. Mit der Androhung eines Schulausschlusses, dem Entzug der Studienerlaubnis oder sogar Haft sollten kritische Jugendliche zum Schweigen gebracht werden.

In den achtziger Jahren entwickelte sich auch in der DDR unter den Jugendlichen immer mehr Widerstand gegen die Verhältnisse im SED-Staat. Den Kirchen kam dabei eine wichtige Rolle zu: Sie hatten als einzige große Organisation in der DDR eine gewisse Autonomie, konnten eigenständige Entscheidungen treffen und eigene Zeitungen und andere Publikationen herausgeben. Die Kirchen boten aktiven jungen Menschen einen schützenden Raum um sich auszutauschen und zu organisieren. Im Umfeld der Kirchen entstand eine kritische Umwelt- und Friedensbewegung. Auch wenn die Jugendlichen nicht der Hauptträger der friedlichen Revolution 1989 waren, war jedoch die wachsende Unzufriedenheit der Jugendlichen eine wichtiger Bestandteil der friedlichen Proteste.

Materialvorschläge:

Kirche, Pop und Sozialismus – Die Rolle der Kirchen in der DDR

Jugendopposition und Jugendkulturen

Zeitzeugeninterview - Kurt Winter: "Nachkriegsgeneration"