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L'Étranger: Fragen an den Text

Unterrichtseinheit

Der weltberühmte Roman "L'Étranger" von Albert Camus wird bundesweit in vielen Französisch-Leistungskursen behandelt. Bisher wird die unterrichtliche Auseinandersetzung mit dem Text jedoch häufig darauf reduziert, eine Konkretisierung von Camus laienphilosophischer These über die Absurdität des Lebens zu sein. Dabei wirft der Roman noch eine Vielzahl anderer Fragen auf.In dieser Unterrichtseinheit erhalten die Lernenden die Gelegenheit, eigene Fragen an den Text zu stellen. Sie lernen Camus nicht nur als Philosophen, sondern als enttäuschten, linken Intellektuellen und modernen Schriftsteller kennen. Die Unterrichtseinheit versucht, einige Perspektiven aufzuzeigen, die dazu beitragen können, den Unterricht zu Camus' Roman stärker als bisher auf die Füße einer sorgfältigen fachwissenschaftlichen Fundierung zu stellen. Fachdidaktische Auseinandersetzung mit dem Roman Mit dem Aufsatz von Lieselotte Steinbrügge (Steinbrügge 2008) liegt eine hervorragende fachwissenschaftliche und fachdidaktische Auseinandersetzung mit dem Roman vor. Steinbrügge hat in ihrer Studie fast alle bis 2008 in Deutschland erschienenen fachdidaktischen Unterrichtsvorschläge zum Roman analysiert. Ihre Analyse ist bis heute noch nicht hinreichend auf ihre Konsequenzen für eine fachlich fundierte Unterrichtsgestaltung ausgewertet worden. Fachdidaktische Kritik von Steinbrügge Die drei grundlegenden Kritikpunkte von Lieselotte Steinbrügge an den bisher erschienenen Unterrichtsvorschlägen werden hier ausführlicher beschrieben. Ablauf der Unterrichtseinheit Ablauf der Unterrichtseinheit "L'Étranger" Die verschiedenen Phasen aus dem tabellarischen Ablaufplan werden auf dieser Seite noch einmal detaillierter beschrieben. Fachkompetenz Die Schülerinnen und Schüler können erklären, wieso der Roman heute von vielen algerischen und arabischen Leserinnen und Lesern abgelehnt wird. gegen welche Weltbilder und Wertvorstellungen der Roman sich richtet und welche Desillusionierungsprozesse erklären können, dass der Romanheld allen Werten gegenüber indifferent geworden ist. dass der Roman keine Schöpfung eines vereinzelten genialen Schriftstellers ist, sondern als Element der literarischen Moderne gelesen werden kann. Sozialkompetenz Die Schülerinnen und Schüler nehmen unterschiedliche Bedürfnisse von Leserinnen und Lesern wahr. sind aufmerksam gegenüber möglichen Interaktionspartnern aus arabischen frankophonen Ländern und nehmen Anteil an ihrem Wohlergehen, indem sie die Bedeutung ernst nehmen, die die Geschichte kolonialer Unterdrückung, Ausbeutung und Gewalt noch heute in diesen Ländern hat. Medienkompetenz Die Schülerinnen und Schüler lernen Online-Videoarchive wie zum Beispiel Youtube oder Dailymotion als Ort kennen, an denen historische Bild- , Film- und Textquellen recherchiert werden können. Fehlende koloniale Logik Die Fachdidaktik habe nicht zur Kenntnis genommen, dass sich hinter dem Mord am Strand eine koloniale Logik verbirgt: "Dass (...) 'keine logische Beziehung zwischen Fiktion und Kolonialgeschichte' existiert, wie ... behauptet, ist allerdings nicht richtig. (...) Dass die Wahl des Autors ... auf l'arabe fiel, dürfte sehr wohl etwas mit dem Unterbewusstsein des Kolonisten zu tun haben" (81). Konzentration auf Sinngebung Der Roman sei bislang mit Schülerinnen und Schülern nicht als Abkehr vom realistischen Erzählen gelesen worden, in dessen Zentrum ein Anti-Held steht, der Sinngebung radikal verweigert. Stattdessen würde im Französisch-Unterricht stets das Handeln des Protagonisten auf dessen Sinn befragt, was der eigentlichen Bedeutung des Romans entgegenlaufe: "L'Etranger ist kein realistischer Roman. Eine Schülerin hat dies im Chat auf einer Internetseite richtig erkannt: 'Meursault - un être qui manque de vraisemblance, même pour un personnage fictif'. Eine Lektürehaltung, die sich dieser Erkenntnis verschließt, muss am Text scheitern"(82). "An keiner Stelle wird den Schüler/innen das Wissen vermittelt, gegen welche Weltbilder sich der Roman richtet. Dabei wäre gerade dies wichtig für das Verständnis und die Voraussetzung, um einen kritischen Zugang zu L'Etranger zu finden"(83). Inkarnation des absurden Helden Sie kritisiert drittens, dass die Versuche, Meursault mithilfe von kurzen Auszügen aus Le Mythe de Sisyphe als Inkarnation des absurden Helden zu lesen, nicht dazu angetan seien, "die Philosophie des Absurden zu erläutern und die - seltsam einsilbigen - Ausführungen zu diesem Thema in den Unterrichtsmaterialien sprechen eine verwirrende Sprache", sodass die Schülerinnen und Schüler diese Aufgabe nur unter Rückgriff auf für sie leer bleibende Worthülsen, die noch dazu häufig am Text nicht zu belegen sind, bewältigen dürften. Die Tatsache, dass "in aktuellen ethischen Diskussionen Le Mythe de Sisyphe, der Essay, in dem die philosophischen Grundgedanken von L'Etranger explizit ausformuliert sind, keine Rolle mehr [spiele] und kein Klassiker [sei], der zum Lektürekanon des Ethik- oder Philosophieunterrichts gehören würde" (85) lege zudem nahe, auf eine Parallellektüre der beiden Texte konsequent zu verzichten. Die folgenden von Steinbrügge ausgewählten fragwürdigen Zitate aus Unterrichtshandreichungen führen in diesem Sinne einen recht überzeugenden Beweis: "La conscience qu'il a acquise de lui-même lui permet à la veille de sa mort de quitter son attitude passive pour transformer l'absurdité subie en revendication qui donne sens à sa vie" oder "Il a une conception fataliste du monde, mais est à la hauteur de sa souffrance et maîtrise la mort". Steinbrügge, Liselotte (2008): L'Etranger von Albert Camus. Über die Haltbarkeit eines Schulklassikers, in: Lendemains, Bd. 33 (Nr.130-131); 77-93. Anregungen für die Einstiegsdiskussion Die Lernenden sammeln und diskutieren ihre spontanen Fragen und erarbeiten erste mögliche Antworten. Hierfür bekommen sie zusätzlich Fragen zur Hand, die zu einer ersten Einstiegsdiskussion Anregungen geben können (Arbeitsblatt M1). Dieser Einstieg ist auch deshalb wichtig, um einen offenen Blick für die Lektürehaltung der Lernenden zu bewahren und um sie als Subjekte eines Lernprozesses und nicht als Objekte einer Belehrung zu behandeln. Bezug zu Heinrich Böll Letztlich folgt dieser Einstieg einer Idee von Heinrich Böll: "Die Zurückversetzung in die Zeit der Entstehung, in die politische, gesellschaftliche, weltpolitische und innenpolitische Situation geschieht sehr selten. Die Zeitlichkeit eines Autors, auch wenn er Goethe oder Hölderlin heißt, müsste aber das erste sein, das man zu vermitteln versucht, bevor man anfängt, ihn auszulegen, zu interpretieren ... Aber die erste Reaktion jedes lesenden Schülers und Studenten müsste spontan sein."(Heinrich Böll, In Leserbriefen wird sensibler reagiert, in: Hoven, Herbert (Hg.) (1985): Literatur und Lernen, Darmstadt, 160). Algerische Rezeption als Einstieg Als Einstieg in die gelenkte Analyse lesen die Lernenden einen kurzen Auszug aus einer kritischen algerischen Rezeption des Romans und erarbeiten Antworten auf die folgenden Fragen: Welche Argumente werden in kritischen Rezeptionen vorgebracht, um die These zu stützen, dass es sich bei Camus' "L'Etranger" möglicherweise um einen rassistischen Roman handelt? Welche Elemente des Romans erweisen sich bei einer kritischen Lektüre möglicherweise als Widerspiegelungen der kolonialen Gewalt? Hierzu sehen die Lernenden zunächst Auszüge aus der Reportage "L'ennemi intime" sowie aus dem Spielfilm "La bataille d'Alger" und lesen eine Reihe von Sachtexten. Im Anschluss erstellen Sie eine Tabelle, in deren linker Spalte Elemente der kolonialen Gewalt notiert werden. In einem nächsten Schritt notieren sie in der rechten Spalte mögliche Widerspiegelungen des Gewaltverhältnisses im Roman. Wie kann erklärt werden, dass ein Intellektueller wie Camus, der die Armut der algerischen Bevölkerung in sozialkritischen Reportagen kritisiert, im Roman den Arabern nur die Rolle von namenlosen Opfern gibt? Einsatz unterschiedlicher Medien Wichtig ist in dieser Phase des Unterrichts, möglichst viele unterschiedliche Medien einzusetzen, um den Lernenden den Gegenstand der Kritik, das französische Kolonialsystem, anschaulich zu machen. Hier kann eine medienpädagogisch fundierte Herangehensweise den Schülerinnen und Schülern vermitteln, dass Online-Videoarchive eine Quelle historischer Dokumente von unschätzbarem Wert darstellen. Auf Videoplattformen wie www.youtube.com oder www.dailymotion.com finden sich eine Vielzahl von Videodokumenten, zum Beispiel die Spielfilme La Bataille d'Alger (von Gillo Pontecorvo, sorti en 1966) oder L'ennemi intime (von Florent Emilio Siri, France Maroc 2007, 102 Minutes) oder Dokumentarfilme wie L'ennemi intime von Patrick Rotmann (aus dem Jahr 2002, produziert für France 3). Teilweise sind die Videos französisch untertitelt. Gerade die ersten Minuten des Dokumentarfilms von Rotmann sind hoch interessant. Dort findet sich die Aussage eines ehemaligen Soldaten, der seit seinem Einsatz in Algerien noch immer ein so großes Bedrohungsgefühl hat, dass er nicht ohne Pistole schlafen kann. Parallelen zu Meursault sind hier unübersehbar, stellt sich doch die Frage, wieso er eine Pistole an den Strand mitnimmt, an dem er den mit einem Messer spielenden aber letztlich wehrlosen Araber tötet. Die Antwort von Schülerinnen und Schülern, die den Beginn des Dokumentarfilms gesehen haben, könnte lauten: "Weil sich Meursault von den Algeriern bereits Ende der 30er Jahre so bedroht fühlt, wie französische Soldaten in der Hochzeit des Algerienkrieges und Jahre danach". Es gilt, mit den Schülerinnen und Schülern einen Weg zu finden, die online zugänglichen Bild- , Film- und Textquellen zu sichten und zu präsentieren. Hierfür ist sicher mindestens eine Doppelstunde vorzusehen. Schwerpunkt auf Rezeption des Romans Die Idee, im Unterricht von der Rezeption des Romans auszugehen, folgt einer kritischen Anmerkung von Günter Grass zum Literaturunterricht: "Literatur in deutschen Schulen ist ... eigentlich immer ein Alptraum gewesen ... es herrscht die Interpretationssucht ... es ist im Grunde eine Aufforderung zum Opportunismus, weil die Schüler unter Leistungsdruck versuchen herauszuhören, welche Interpretation ist denn die des Lehrers. Es gibt keine hundertprozentigen Lösungen ... wenn man anfängt, bestimmte Vorgänge, Entwicklungen ... deutlich zu machen ... auch nach Hintergründen fragt: Wie ist eigentlich ein Roman wie 'Der Stechlin' ... entstanden? ... Das wäre doch interessant, setzt ein bisschen Arbeit voraus, ein paar Rezensionen ausgraben ist nicht so schwierig. Wie ist dieser Roman aufgenommen worden?" (Günter Grass, Von morgens bis abends mit dem deutschen pädagogischen Wahn konfrontiert, in: Hoven, Herbert (Hg.) (1985): Literatur und Lernen, Darmstadt, 150f.). Anwendung Im Sinne einer als Anwendung von Wissen verstandenen Kompetenzorientierung kann das Gerichtsverfahren simuliert werden, bevor der zweite Teil gelesen wird. Hier bietet sich an, die Anklage eines rassistisch motivierten Mordes zum Ausgangspunkt zu nehmen, da das Vorwissen aus den Unterrichtsstunden hier verwendet werden kann. Im Vergleich mit diesem sozialkritisch gewendeten Gerichtsverfahren wird den Lernenden beim Lesen des zweiten Teils des Romans umso deutlicher werden, dass das Opfer im Gerichtsprozess keine Rolle mehr spielt. Anregungen für diese Phase finden sich in der Unterrichtseinheit L'Etranger: Est-ce que Meursault aurait pu se sauver? Gelenkte Lektüre Die Schülerinnen und Schüler lesen den zweiten Teil des Romans und arbeiten die Anklagepunkte heraus, die dort erhoben werden. Hier wäre wichtig, darauf hinzuweisen, die Reaktion von Meursault auf die gegen ihn erhobenen Anklagepunkte stichpunktartig zu notieren. Deutlich wird im zweiten Teil nämlich zweierlei: Dass die im ersten Teil verschwundenen Werte (Meursault beurteilt sein Handeln nicht nach Wertmaßstäben, er lebt in den Tag hinein und macht die Erfahrung, dass man auch ohne Wertmaßstäbe ein gutes Leben führen kann) plötzlich mit großer Macht auftauchen und sich gegen den Protagonisten wenden. Dass der Protagonist, obwohl er in Lebensgefahr schwebt, dennoch jede Auseinandersetzung mit den Wertvorstellungen der anderen verweigert. In diesem Sinn verweigert er konsequent und radikal jede Wertsetzung und beharrt auf seiner Freiheit als Individuum. Reaktion von Meursault auf Wertsetzungen Anhand von zentralen Textpassagen wird die Reaktion von Meursault auf Wertsetzungen noch einmal systematisch betrachtet: sa réaction face à la mort de sa mère sa réaction face à la demande en mariage de Marie sa réaction face à la violence de Sintès a réaction face à l'accusation sa réaction face à la tentative de l'aumônier de lui parler de Dieu sa réaction face à la vie de l'arabe sa réaction face à sa propre mort sa réaction face à la chaleur et au soleil Spiegelstruktur des Romans Deutlich wird hier die absolute Indifferenz von Meursault gegenüber allen traditionellen Werten der bürgerlichen Gesellschaft: 1. Familie, 2. Liebe, 3. Gewaltverbot, 4. Rechtssystem, 5. Religion, 6. Leben und 7. Tod. Nur die Naturgewalt Sonne hat noch einen Einfluss auf sein Handeln beziehungsweise der Zufall, dass es an diesem Tag gerade so unerträglich heiß war. Zudem wird die "Spiegelstruktur des Romans", die Polarisierung in einen wertfreien ersten Teil und einen traditionell wertenden zweiten Teil, verdeutlicht. Erarbeiten von Erklärungen In den folgenden Stunden erarbeiten die Lernenden Erklärungen dafür, warum Camus Meursault als eine allen etablierten Wertvorstellungen gegenüber indifferente Figur gestaltet hat. Zunächst führt dies zu einer ideengeschichtlichen, ideologiekritischen Erklärung, indem die Lernenden den Desillusionierungsprozess der europäischen Linken in den 30er Jahren erarbeiten (M4). Hier wird deutlich, dass positive Wertsetzungen und politische Hoffnungen in die sozialistische Arbeiterbewegung, die UDSSR oder die französische Republik durch eine Reihe von Ereignissen so geschwächt worden sind, dass sicher geglaubte Werte sich plötzlich in ihr Gegenteil verkehrten. Aus der UDSSR, die zuvor die Werte "espérance" und "progrès" verkörperte, wurde in der öffentlichen Wahrnehmung eine "dictature", ein "pays courbé et terrorisé" und so weiter. Bezug zu Ideen von Peter V. Zima Dieser Ansatz folgt einigen Ideen von Peter V. Zima (Roman und Ideologie. Zur Sozialgeschichte des modernen Romans, München 1986), der den "Etranger" im Kontext anderer moderner Romane deutet: Wie Sartres "La nausée" (Paris 1938) verarbeite auch Albert Camus' "L'Étranger" (1939-40) die von den europäischen Intellektuellen der 20er und 30er als bedeutsam wahrgenommenen ideologischen Konflikte und die Krise der Sprache (Zima 1999, 156). Sie reagierten damit auf einen nachhaltigen kulturellen Wandel in Europa, der zunehmend als krisenhaft empfunden wird: Während im 19. Jahrhundert ein traditionelles Wertesystem zur Verfügung stand, an dem sich die Menschen orientierten, sei es durch die Propaganda- und Kriegsschlachten vor und nach dem 1. Weltkrieg zu einer Entwertung der Worte und Werte gekommen, die durch die immer deutlicher sichtbar werdende Sprache der Werbung und der Technisierung der Sprache und der Gesellschaft weiter beschleunigt worden sei. Begründung für die von Camus verwendete Sprache Schriftsteller und andere Intellektuelle beklagten die Ideologisierung des humanistischen Erbes, eine unglaubwürdig gewordene Kultur, die humanistische Rhetorik der Sozialdemokratie, die Zerstörung qualitativer (ästhetischer, ethischer und kognitiver) Werte durch den Tauschwert (vgl. Zima 1999, 145, 161). In der sprachlichen Situation, mit der es Camus und andere Schriftsteller und Intellektuelle Ende der 20er und 30er Jahre zu tun hatten, nach dem Ende des 1. Weltkrieges und kurz vor Beginn des 2. Weltkrieges, hätten die Weltanschauungen und "kollektiven Sprachen" (Zima 1999, 207) ihre Glaubwürdigkeit eingebüßt. In einer solchen Situation habe der Romancier auf die Übernahme einer "kranken Sprache" (Sartre ) verzichten wollen, die erkrankt sei, "weil ihre Wörter und die durch sie ausgedrückten Werte durch kommerziellen und ideologischen Mißbrauch "ausgehöhlt wurden"(Zima 1999, 207). Camus wolle die Menschen von der ideologischen (hegelianischen) Teleologie des "récits écrit à l'avance", ähnlich wie Nietzsche und später Bloch (siehe Ernst Bloch, Hegel und die Anamnesis, in: ders. Auswahl, Frankfurt 1967), Adorno und Althusser befreien. Erläuterung der Arbeitsmaterialien In den vorliegenden Materialien wird die Wertkrise hier, anders als Zima dies vorschlägt, auf politische Vorgänge bezogen. Denkbar wäre auch ein Einbezug von kultur- und sprachkritischen Texten, beispielsweise von Karl Kraus. Dann folgt eine biografische Erklärung, in der deutlich wird, dass Camus einen typischen Desillusionierungsprozess durchlaufen hat, den mit ihm viele andere Linksintellektuelle erleiden mussten, für die alle Werte, an die sie zuvor geglaubt hatten, plötzlich unglaubwürdig wurden. Anhand wichtiger Zitate aus Camus' Tagebüchern wird der Desillusionierungsprozess spürbar und erklärbar. Danach folgt eine literaturgeschichtliche Erklärung, indem Ähnlichkeiten zu anderen Texten der literarischen Moderne gesucht und beschrieben werden. Literatursoziologische Erklärung als Abschluss Abschließend erfolgt eine literatursoziologische Erklärung auf der Basis einiger Thesen von Lucien Goldmann, der Meursault mit Helden aus Romanen des 19. Jahrhunderts vergleicht und feststellt, dass Romane wie "L'Etranger" in realistischer Weise darstellen, dass die Menschen in der entwickelten, modernen, spätkapitalistischen Gesellschaft mehr und mehr ihre Handlungsfreiheit verlieren und den Dingen ähneln, die sie produzieren und die am Ende mächtiger werden, als die Menschen selbst. Abschluss In der letzten Phase blicken die Lernenden zurück auf die in der Einstiegsstunde gesammelten spontanen Fragen und prüfen kritisch, ob sie auf ihre Fragen differenziertere, fundiertere und befriedigendere Antworten formulieren können als zu Beginn des Unterrichts.

  • Französisch
  • Sekundarstufe II, Sekundarstufe I

Mort au musée ! Qui est l'assassin ?

Unterrichtseinheit

Diese Unterrichtseinheit regt dazu an, im Französischunterricht einen fiktiven Kriminalfall zu lösen. Dabei stellt sich allen Beteiligten die gleiche Frage wie dem Schriftsteller eines modernen Kriminalromans: Wie kann in einer immer komplexer werdenden Welt sichergestellt werden, dass Verbrechen aufgeklärt werden, Täter bestraft und nicht unschuldig Verdächtigte in die Mühlen der Justiz geraten?Der Kriminalroman gilt als "Trivialliteratur" und gerät als Gegenstand schulischen Unterrichts zuweilen unter Legitimationszwang. Wer diesen spürt, mag sich an André Gide halten, der Georges Simenon, den französischen Autor mit dem umfangreichsten Werk an Kriminalromanen, als "le plus grand romancier de tous, le plus vraiment romancier que nous ayons en littérature" bezeichnet hat. Gide verweist auf ein zentrales Merkmal eines jeden Kriminalromans: die notwendige Harmonie aller Bausteine, damit ein Rätsel ohne Widersprüche aufgebaut und gelöst werden kann. In Gides Definition des Kriminalromans drückt sich eine Verklärung des Fortschrittsoptimismus des 19. Jahrhunderts und des Vertrauens in naturwissenschaftliche Rationalität aus. In der Geschichte des Detektivromans realisiert sich dieser Optimismus in der Entlarvung der Täter. Kommunikation als Basis kriminologischen Erfolges Was in der Kriminalliteratur gelang, scheiterte zu häufig in der Realität, durch die "Modernisierung" der Gesellschaft wurde die Welt immer unübersichtlicher, Täter werden nicht mehr so leicht aufgespürt. Und so wurde auch in der Kriminalliteratur die Verbrechensaufklärung zunehmend schwerer. Im modernen Kriminalroman können Leserinnen und Leser nicht mehr davon ausgehen, dass der Täter gefunden und der Fall gelöst wird. Ein möglicher Ausweg aus der Unübersichtlichkeit der Beweislage besteht in der sorgfältigen Sicherung aller Aussagen von Zeugen und Verdächtigen. Um einen gerichtlich verwertbaren und eindeutigen Beweis für die Schuld eines Tatverdächtigen zu führen, müssen die möglichen Motive aller Verdächtigen ermittelt und ihre Alibis geprüft werden. Rollenspiel zeigt gesellschaftliche Utopie In der vorliegenden Unterrichtseinheit erwerben die Lernenden in einem komplexen Rollenspiel die Fähigkeit, in der Fremdsprache Zeugen- und Tatverdächtigenverhöre durchzuführen, aufmerksam zu beobachten und zu transkribieren und aus den Notizen Schlüsse über den Tathergang zu ziehen. Damit rekonstruiert das Rollenspiel eine funktionierende aufgeklärte Öffentlichkeit als Norm, die in der außerschulischen Wirklichkeit nicht mehr oder utopisch ausgedrückt noch nicht funktioniert. Durchführung Die Unterrichtseinheit ist so konzipiert, dass die Lernenden autonom anhand der Ablaufplanung arbeiten und am Ende die Ergebnisse zusammentragen. Die Schülerinnen und Schüler können am Ende der Sequenz sich selbstständig einen komplexen Arbeitsauftrag erschließen und in eigenen Worten erläutern (Material M1). in einer Fantasiereise Indizien beschreiben und Tatverdächtige benennen (M2). die sprachlichen Mittel (Lexik und Redemittel) des Wortfeldes "Polizei und Kriminalität" erarbeiten und in einem Lückentext an den richtigen Stellen einfügen (M3). Rollenkarten erstellen, um sich auf ein Rollenspiel vorzubereiten (M4). in einem Rollenspiel Alibis verabreden. in einem Polizeiverhör auf Fragen antworten. einem Gespräch (hier einem Polizeiverhör) auf Französisch aufmerksam folgen und eine Mitschrift von Gesprächen (in diesem Fall des Verhörs) anfertigen. die eigenen Mitschriften mit denen anderer vergleichen und auswerten, indem sie sich gut begründet auf einen Hauptverdächtigen einigen (M5). einen Polizeibericht schreiben, in dem das Verhör mit dem Hauptverdächtigen zusammengefasst wird (M6). verschiedene Polizeiberichte lesen, vergleichen und begründet kritisieren. Die Schülerinnen und Schüler lesen das Aufgabenblatt und erläutern in eigenen Worten die einzelnen Arbeitsschritte. Die Schülerinnen und Schüler erarbeiten im Plenum die Anzahl und Gestalt der Indizien, indem sie in einer Fantasiereise an unterschiedlichen Orten des Museums (dans le bureau, dans le couloir, aux toilettes ...) eine Spurensicherung unternehmen. Sie einigen sich auf eine Reihe von möglichen Verdächtigen, die es zu vernehmen gilt. Die Punkte, auf die sich die Lerngruppe einigt, werden auf einem Plakat gesichert, das während der Unterrichtseinheit für alle sichtbar ausgehängt wird. Das neue Wortfeld kennenlernen Die Schülerinnen und Schüler erarbeiten die sprachlichen Mittel des Wortfeldes Polizei und Kriminalität. Die einsprachige Wortliste wird laut vorgelesen, um die Aussprache zu fördern, abgeschrieben, um das orthografisch richtige Schreiben zu fördern, und schließlich erklärt oder übersetzt. Das neue Wortfeld nutzen Nachdem die Bedeutung der Wörter geklärt ist, füllen die Schülerinnen und Schüler mithilfe der Wörter einen Lückentext. Der zweite Teil des Lückentextes dient zugleich als Vorbereitung auf die Verhöre, denn es handelt sich auch um einige der Fragen, die die Polizistinnen oder Polizisten stellen werden. Die Lernenden bereiten sich zu zweit auf das Spielen ihrer Rolle vor, indem sie in Partnerarbeit eine Rollenkarte erstellen und sich so eine Identität geben. Eine Partnergruppe übernimmt die Rolle der Polizeibeamtinnen und -beamten. Während des anschließenden Rollenspiels treten die Schülerinnen und Schüler immer gemeinsam auf. Sie müssen sich darauf einigen, ob sie abwechselnd antworten oder ob nur eine oder einer oder eine der beiden Personen spricht und die oder der andere souffliert. Wer ist der Mörder? Die Schülerinnen und Schüler treffen sich im Plenum und ziehen eine Karte, die bestimmt, wer die Rolle der Mörderin oder des Mörders spielen muss. Die Mörderin oder der Mörder hält geheim, dass sie oder er diese Rolle spielen muss. In dieser Phase sollte die traditionelle Sitzordnung in der Lerngruppe aufgehoben werden, um Raum für eine freie Bewegung aller Schülerinnen und Schüler zu schaffen. Je mehr Bewegungsraum entsteht, desto leichter wird es den Lernenden fallen, Alibis zu verabreden. Absprache der Alibis Die Lernenden treffen sich im Klassenraum, stellen sich gegenseitig vor und verabreden Alibis (erfahrungsgemäß schaffen nicht alle Schülerinnen und Schüler durch Verabredungen, ein Alibi zu verabreden, was das Rollenspiel am Ende interessant macht, die Lehrkraft kann durch die Steuerung der Zeitdauer dieser Phase die Anzahl der guten Alibis erhöhen oder senken). Die Schülerinnen und Schüller sollten in dieser Phase ausdrücklich darauf hingewiesen werden, dass die Mörderin oder der Mörder keine falschen Verabredungen treffen, im Verhör aber lügen darf. Das Ziel des Verhörs ist es, das erlogene Alibi zu finden. Befragungen Es folgt nun die Phase der Zeugen- und Tatverdächtigenbefragungen. Jede Rolle ist doppelt besetzt. Dies hat zwei Vorteile. Erstens ist gesichert, dass bei Krankheit dennoch einer der beiden Tatverdächtigen seine Rolle vorspielen kann. Zweitens kann binnendifferenzierend in dem Tandem der schwächere aufgefordert werden, die Rolle zu spielen und der Stärkere den Auftrag erhalten, ihm Hilfestellung zu geben, wenn er nicht mehr weiter weiß. Alle Schülerinnen und Schüler beobachten alle Befragungen und halten die zentralen Aussagen in einem Protokollbogen fest. Glaubhaftes Spiel in erfundenen Identitäten Das Ziel der Verhöres ist es in erster Linie, herauszufinden, wer kein stichfestes Alibi hat und welches Alibi offensichtlich erlogen ist. Es hat sich jedoch gezeigt, dass es im Rollenspiel häufig nicht gelingt, das erlogene Alibi zu finden. Für das Gelingen des Rollenspiels ist dies jedoch in keiner Weise problematisch. Das Spiel in erfundenen Identitäten ist an sich schon eine motivierende Herausforderung, denn es geht im Rollenspiel um die Lust am theatralischen Spiel in Rollen, um das Bewältigen überraschender Situationen und nur unter anderem auch um das Finden von Tatmotiven. Nichts macht den Lernenden in der Regel mehr Spaß, als andere in Verdacht zu bringen und sich für sie Motive auszudenken. Die sich entwickelnden Verhörgespräche sind meiner Erfahrung nach immer unterhaltsam und lustig. Eine Zeitbeschränkung auf fünf Minuten pro Verhör ist sinnvoll, um den Zeitaufwand zu beschränken. Abschließend diskutieren die Schülerinnen und Schüler zunächst in Partnerarbeit, dann in Vierer-Gruppen, schließlich im Plenum, wer die Täterin oder der Täter sein könnte und begründen ihre Vermutungen anhand der von ihnen notierten Indizien und Aussagewidersprüche. Die Polizeiberichte können dann wiederum Gegenstand einer Auswertungsphase sein. Sie können im Klassenraum nach Hauptverdächtigen geordnet an verschiedenen Stellen "ausgehängt" und gelesen werden. In der abschließenden Diskussion kann die Gruppe versuchen, sich begründet auf eine Täterin oder einen Täter zu einigen. Als Abschluss gesteht die Täterin oder der Täter ihre/seine Tat und erläutert ihr/sein erfundenes Tatmotiv.

  • Französisch
  • Sekundarstufe I
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