Lichtablenkung in der Nähe Schwarzer Löcher
Unterrichtseinheit
Schülerinnen und Schüler lernen die Begriffe Schwarzschildradius und "knife-edge-orbit" kennen. Mit einer Computersimulation untersuchen sie das Verhalten von Lichtstrahlen in der Nähe Schwarzer Löcher.Grundlage der Unterrichtseinheit ist ein vom Autor programmiertes und frei verfügbares Simulationsprogramm zur Allgemeinen Relativitätstheorie (ART). Es ermöglicht Simulationen zu verschiedenen Aspekten der Theorie, die Albert Einstein (1879-1955) im Jahr 1915 veröffentlichte und die ihm zu so großer Popularität verhalf. In der Unterrichtseinheit gehen die Schülerinnen und Schüler unter anderem der Frage nach, wie ein Schwarzes Loch aus der Nähe aussehen würde. Lehrpersonen finden im Bereich "Mein LO" detaillierte Lösungen zu den hier vorgeschlagenen Aufgaben. Zur Behandlung des Themas in der Schule eigenen sich auch die hervorragenden Computergrafiken und -animationen der Webseite "Tempolimit Lichtgeschwindigkeit". Phänomene der ART Neben der hier vorgestellten Simulation zur Lichtablenkung in der Nähe Schwarzer Löcher bietet die Simulation zu den Phänomenen der Allgemeinen Relativitätstheorie die Möglichkeit, drei wissenschaftsgeschichtlich wichtige Beobachtungen beziehungsweise Experimente für den "Beweis" der Allgemeinen Relativitätstheorie darzustellen und zu besprechen: die Relativitätstheorie: Lichtablenkung am Sonnenrand , die Relativitätstheorie: Die Periheldrehung der Merkurellipse und die Relativitätstheorie: Der Shapiro-Effekt bei der Reflexion an der Venusoberfläche. Nischen für die ART in der Schule Als Physiklehrer, der seit vielen Jahren in der Oberstufe unterrichtet, ist dem Autor durchaus bewusst, dass die Nischen für die Behandlung der Allgemeinen Relativitätstheorie im normalen Unterricht extrem rar geworden sind. Aber vielleicht bieten Arbeitsgemeinschaften (Physik, Astronomie), Projekttage oder die in Nordrhein-Westfalen geplanten Projektkurse der neuen Oberstufe Möglichkeiten, Aspekte der Allgemeinen Relativitätstheorie zu thematisieren und den Schülerinnen und Schülern eine Vorstellung davon zu vermitteln, mit welch faszinierenden Ideen Albert Einstein sich dem Phänomen der "Gravitation" genähert hat. Hintergrundinformationen Was ist der Schwarzschildradius? Was bedeutet "knife-edge-orbit" und wie sieht ein Schwarzes Loch aus der Nähe aus? Informationen zum Programm Das Programm "Phänomene der Allgemeinen Relativitätstheorie" ermöglicht den Vergleich der Vorhersagen von Einstein und Newton zur Gravitation. Hinweise zum Einsatz im Unterricht & Arbeitsblatt Die Simulationen können Vorträge per Beamer-Präsentation unterstützen und ermöglichen - mit entsprechenden Arbeitsaufträgen - Partnerarbeiten im Computerraum. Die Schülerinnen und Schüler sollen den Schwarzschildradius mithilfe der zweiten kosmischen Geschwindigkeit herleiten können. den Schwarzschildradius verschiedener Himmelskörper berechnen können. erfahren, dass Lichtstrahlen unter bestimmten Voraussetzungen ein Schwarzes Loch umkreisen können. mithilfe der Computersimulation das Verhalten von Lichtstrahlen in der Nähe Schwarzer Löcher spielerisch untersuchen und die angegebene Formel verifizieren können. mithilfe der Computersimulation verstehen lernen, wie ein Schwarzes Loch vor dem Hintergrund eines sternenübersäten Himmels für eine Beobachterin oder einen Beobachter aussehen würde. Thema Allgemeine Relativitätstheorie: Lichtablenkung in der Nähe Schwarzer Löcher Autor Matthias Borchardt Fächer Physik (Allgemeine Relativitätstheorie), Astronomie (Gravitation); Physik- und Astronomie-AGs, Projektkurse (neue Oberstufe NRW) Zielgruppe ab Klasse 10 Zeitraum mindestens 1 Stunde (je nach Vertiefung flexibel) Technische Voraussetzungen Präsentationsrechner mit Beamer; gegebenenfalls Computer in ausreichender Anzahl für Einzel- oder Partnerarbeit Edwin F. Taylor, John A. Wheeler Exploring Black Holes. Addison Wesely, Longman, Inc., 2000 Die sogenannte "zweite kosmische Geschwindigkeit" beschreibt die Mindestgeschwindigkeit, die eine Masse haben muss, um dem Schwerefeld eines Himmelskörpers vollständig entweichen zu können. Diese Fluchtgeschwindigkeit lässt sich mithilfe der Formel berechnen. Dabei bedeutet R der Radius der Oberfläche des Himmelskörpers, von dem man startet. Nun kann man sich vorstellen, diesen Radius (bei gleich bleibender Masse) stetig schrumpfen zu lassen. Es ist leicht einzusehen, dass dadurch die Fluchtgeschwindigkeit ebenfalls steigen muss. Interessant ist die Frage, bei welchem Radius die absolute Grenzgeschwindigkeit, die Lichtgeschwindigkeit c = 3 • 10 8 Meter pro Sekunde, erreicht wird. Würde man den Himmelskörper noch stärker zusammenpressen, könnte selbst Licht nicht mehr von seiner Oberfläche entweichen. Damit wäre ein Zustand erreicht, der im Allgemeinen als "Schwarzes Loch" bezeichnet wird. Der oben beschriebene kritische Radius wurde erstmals von dem deutschen Ingenieur Karl Schwarzschild (1873-1916) im Jahr 1916 aus den Gleichungen der Allgemeinen Relativitätstheorie berechnet. Daher spricht man auch vom "Schwarzschildradius". In dieser Unterrichtseinheit berechnen die Schülerinnen und Schüler nach der Herleitung des Schwarzschildradius diesen Wert für Sonne und Erde. Wie verhalten sich nun Lichtstrahlen, die weit entfernt vom Schwarzen Loch starten, seinem Schwarzschildradius jedoch sehr nahe kommen? Interessanterweise kann der Lichtstrahl vollständig vom Schwarzen Loch eingefangen werden. Dabei spielt ein spezieller Stoßparameter eine entscheidende Rolle, der sich aus der Formel ergibt (etwas einfacher: b KE ≈ 2,6 R S ). Lichtstrahlen, die genau bei diesem seitlichen Abstand starten und auf das Schwarze Loch zulaufen, werden dieses auf einer Umlaufbahn ewig umkreisen (Abb. 1, Mitte). Kleine Variationen dieses Parameters bewirken bereits ein anderes Verhalten: Ist b kleiner als b KE , stürzt das Licht in das Schwarze Loch (Abb. 1, links). Ist b größer als b KE , umrundet der Lichtstrahl den Kollapsar einige Male, um sich dann wieder von diesem zu entfernen (Abb. 1, rechts). Die Umlaufbahn des Stoßparameters b KE wird treffend auch mit dem Begriff "knife-edge-orbit" beschrieben. Wie würden wir ein Schwarzes Loch visuell vor dem Hintergrund eines sternenübersäten Himmels wahrnehmen? Je näher die Lichtstrahlen am Kollapsar vorbeilaufen, desto stärker werden sie gekrümmt. Beobachterinnen und Beobachter werden also in der Nähe eines Lichtkreises den umgebenden Himmel mehrfach und völlig verzerrt wahrnehmen. Außerdem erscheint der schwarze Fleck, den der Kollapsar vor dem Himmel abgibt, etwa 2,6-mal so groß wie nach dem Schwarzschilddurchmesser zu erwarten wäre. Diese Phänomene untersuchen die Lernenden mithilfe der Simulation. Sie verändern den Stoßparameter, beobachten das Verhalten der Lichtstrahlen und zeichnen in Screenshots die Sehstrahlen ein, die den schwarzen Bereich begrenzen (Abb. 2). Auf der Webseite "Tempolimit Lichtgeschwindigkeit" finden Sie faszinierende Grafiken und Computeranimationen, die zeigen, wie ein Schwarzes Loch aus der Nähe aussähe. Auf den Abbildungen sind die oben simulierten Strahlenverläufe gut wiederzuerkennen, insbesondere die verzerrte, mehrfache Abbildung des gesamten Himmels innerhalb eines Kreisrings. Tempolimit Lichtgeschwindigkeit Hier finden Sie Ideen und Materialien von Ute Kraus und Corvin Zahn: Visualisierung der Speziellen und Allgemeinen Relativitätstheorie sowie Modellexperimente. Die in dieser Unterrichtseinheit eingesetzte Simulation wurde mithilfe der Programmiersprache Delphi erstellt. Die EXE-Datei ist nach dem Herunterladen direkt ausführbar. Eine Installation ist somit nicht erforderlich. Die Simulation berechnet die Bahnen von Objekten, die sich in Gravitationsfeldern von Sternen bewegen. Dabei kann man wählen, ob die Bahnkurven nach Newton oder Einstein dargestellt werden sollen. Die klassische Herleitung für den Schwarzschildradius liefert erstaunlicherweise dasselbe Ergebnis wie die relativistische Herleitung. Man sollte sich aber darüber im Klaren sein, dass der Schwarzschildradius eigentlich durch die Relativitätstheorie beschrieben wird. Abb. 3 (Platzhalter bitte anklicken) zeigt einen Screenshot aus der Simulation zur Lichtablenkung in der Nähe Schwarzer Löcher. Die Schülerinnen und Schüler verändern den Stoßparameter und beobachten dabei das Verhalten des Lichtstrahls. Eine wichtige Intention der Simulation ist die Beschäftigung mit den drei historischen Beweisen für die Richtigkeit der Allgemeinen Relativitätstheorie: Shapiro-Verzögerung von Radarimpulsen bei der Reflexion an der Venusoberfläche Lichtablenkung am Sonnenrand Periheldrehung der Merkurbahn Schwarzer Löcher und Neutronensterne Zudem kann die Lichtablenkung in der Nähe von Schwarzen Löchern und Neutronensternen simuliert werden. Dabei kann untersucht werden, wie eine Beobachterin oder ein Beobachter ein Schwarzes Loch oder einen Neutronenstern vor einem sternenübersäten Himmel wahrnehmen würde. Relativistische Berechnungen Grundlage für die Programmierung war das Buch "Exploring Black Holes" von Taylor und Wheeler (siehe Zusatzinformationen). Die beiden bekannten Astrophysiker entwickeln darin auf didaktisch sehr ansprechende Art Ideen, wie die Teilchenbahnen relativistisch berechnet werden können. Sie vermeiden dabei konsequent den Formalismus der Tensoralgebra und formulieren mathematische Beziehungen in rein differenzieller Form, wobei die Bewegungen in der Umgebung eines Zentralkörpers in Polarkoordinaten beschrieben werden. Dadurch lassen sich die Inkremente d? und dr einer Bewegung in der Nähe einer symmetrischen, nicht rotierenden Zentralmasse mithilfe der Energie- und Drehimpulserhaltung sowie der Schwarzschildmetrik entwickeln. Es ergeben sich schließlich die folgenden Formeln (vergleiche Abb. 4): Dabei gelten die Beziehungen und und Die drei Größen werden allein durch die Anfangsbedingungen festgelegt (L = Drehimpuls, E = Energie, R S = Schwarzschildradius). Die Inkremente d? und dr werden im Programm als iterative Größen in ein Euler-Cauchy-Verfahren eingebunden. So lassen sich die Bahnkurven stückweise berechnen. Da die Simulationszeiträume nicht sehr groß sind, liefert dieses Verfahren recht genaue Ergebnisse, und man kann auf komplizierte und programmiertechnisch aufwendige Methoden, wie zum Beispiel das Runge-Kutta-Verfahren, verzichten. Didaktische "Überhöhung" der Sonnenmasse Die Effekte der Allgemeinen Relativitätstheorie sind in der Umgebung der Sonne zu klein, um die Unterschiede zur Newtonschen Physik auf dem Computerbildschirm erkennen zu können. Daher wurde die Masse der Sonne in der Simulation (Shapiro-Verzögerung, Lichtablenkung am Sonnenrand, Periheldrehung der Merkurbahn) um den Faktor 10.000 überhöht. So wird zum Beispiel aus einer Winkeländerung von 1,75 Bogensekunden eine deutlich sichtbare Abweichung von fast fünf Grad. Dies sollte man den Schülerinnen und Schülern bei der Nutzung des Programms stets deutlich machen, um den Trugschluss zu vermeiden, die Newtonsche Gravitationsphysik versage bereits in der Nähe der Sonne - das tut sie nämlich ganz und gar nicht. Nur bei extremen Massen oder bei sehr kleinen Abständen zum Massenzentrum weicht sie deutlich von den Vorhersagen der Allgemeinen Relativitätstheorie ab. Unterstützung von Lehrervorträgen und Schülerreferaten Lehrpersonen können die Simulation per Beamer-Präsentationen nutzen, um im Rahmen eines Lehrervortrags einer Klasse oder einem Kurs Aussagen der Allgemeinen Relativitätstheorie vorzustellen. Diese Möglichkeit kann natürlich auch von Schülerinnen und Schülern bei Referaten genutzt werden. Partnerarbeit im Computerraum Auch die Nutzung der Simulationen im Zusammenhang mit Arbeitsblättern und vorgegebenen Aufgabenstellungen zu den Aspekten der Allgemeinen Relativitätstheorie (Lichtablenkung, Periheldrehung, Shapiro-Verzögerung, Schwarze Löcher) gelingt gut. Das hier angebotene Informations- und Arbeitsblatt sowie die Lösungen der Aufgaben vermitteln einen Eindruck, wie man sich in der Schule dieser komplexen und nicht alltäglichen Thematik nähern kann. Die Simulation ermöglicht dabei eine direkte Veranschaulichung der Ergebnisse aus den Berechnungen. Auch am heimischen Computer können die Lernenden mithilfe des kostenfreien Programms "experimentieren".
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Physik / Astronomie
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Sekundarstufe II