Neue Prüfungsformate für eine digitale Lernkultur
Fachartikel
Dieser Fachartikel greift aktuelle Entwicklungen zum Thema Prüfungsformate im Distanz-Unterricht auf und zeigt Möglichkeiten auf, wie diese in einem ersten Schritt hin zu einer Prüfungskultur im Sinne eines Arbeitens in einer Kultur der Digitalität im Unterricht implementiert werden können. Grundsätzliche Überlegungen Lehrkräfte sehen sich im Distanz- und Hybrid-Unterricht mit der Frage konfrontiert, wie zielführend es ist, in diesem Lehr- und Lernformat auf die bisher üblichen individuellen und schriftlich eingeforderten Tests, Klassenarbeiten und Klausuren zur Leistungsbewertung zu setzen. Lehrerinnen und Lehrer haben in den vergangenen zwei Jahren vielfältige Verfahren erprobt, unter anderem, online Tests über die an ihren Schulen eingesetzten Lernmanagement-Systeme schreiben zu lassen oder aber kleinschrittig vielzählige digitale Arbeitsergebnisse ihrer Schülerinnen und Schüler einzusammeln, zu korrigieren und zu bewerten. Gerade Letzteres ist mit einem hohen Korrekturaufwand verbunden. Die Diskussion über alternative Leistungsnachweise und Prüfungsformate , die auch mit digitalen Technologien bewältigt werden können, hat in diesem Kontext deutlich an Dynamik gewonnen. Welche Prüfungsformate eignen sich folglich grundsätzlich für den Distanz-Unterricht? Welche davon haben bestenfalls im Sinne eines Arbeitens in einer Kultur der Digitalität langfristig Bestand und fristen nicht nur in Zeiten der Pandemie ein Dasein als eine Art "Notlösung"? All diese Fragestellungen sollen in den folgenden Abschnitten beleuchtet werden. Prüfungsformate in einer Kultur der Digitalität Das Lehren und Lernen in einer Kultur der Digitalität fokussiert in einem stärkeren Maße eine Öffnung und Flexibilisierung der bislang in Schule vorherrschenden Prüfungsformate. Während Prüfungen nach wie vor, sofern das Pandemiegeschehen dies zulässt, grundsätzlich schriftlich, in Einzelarbeit und in der Schule von den Schülerinnen und Schülern absolviert werden, gerieten spätestens mit der Pandemie und den daraus resultierenden Schulschließungen andere, wenn auch nicht gänzlich neue Prüfungsformate , wieder stärker in das Blickfeld. Die Kultusministerkonferenz greift in der Ergänzung zur Strategie der Kultusministerkonferenz "Bildung in der digitalen Welt" diese Thematik auf und spricht sich für eine Prüfungskultur aus, in der in einem stärkeren Maße die sogenannten "4Ks" der "21st Century Skills" Kommunikation, Kollaboration, Kritisches Denken und Kreativität Berücksichtigung finden (KMK 2021: 13). Gemeint ist damit, dass künftig Prüfungen im Sinne eines kumulativen Assessments im zunehmenden Maße mitgedacht werden sollen, in denen die Schülerinnen und Schüler unter Nutzung digitaler Technologien ihren Lernprozess aktiv und selbstgesteuert reflektieren. Dies muss keineswegs in Einzelarbeit geschehen, sondern kann kollaborativ in Zusammenarbeit mit Mitschülerinnen und Mitschülern erfolgen. "Zukünftige Prüfungsformate beziehen daher auch verstärkt Kreativität, Kollaboration, kritisches Denken und Kommunikation mit ein. Notwendig ist dabei in diesem Zusammenhang beispielsweise die Entwicklung von Prüfungsformaten, die unter anderem die Kompetenzen bei der Fähigkeit zur kollaborativen Zusammenarbeit überprüfen. Insgesamt sind bisherige Prüfungsformen um offenere Formate zu erweitern." (KMK 2021: 13). Die Antwort auf die Frage, wie derartige Formate zukünftig konkret aussehen könnten, stehe noch aus und befinde sich in Kooperation mit den Landesinstituten und Universitäten in der Entwicklung (KMK 2021: 15). Ungeachtet dessen haben Lehrkräfte insbesondere während der Schulschließlungen bewiesen, wie sich die oben genannten Empfehlungen in Form von offeneren Prüfungsformaten und unter Berücksichtigung der derzeit geltenden Curricula in den Distanz-Unterricht integrieren ließen. Diesen Ideenreichtum gilt es nun aufzugreifen, ihn weiter auszubauen und künftig um neue Formate zu erweitern. Die folgenden Impulse erheben in sich keinen Anspruch auf Vollständigkeit, können jedoch eine Anregung dahingehend bieten, künftig offeneren Prüfungsformaten einen gleichberechtigten Platz neben den traditionellen Formaten einzuräumen. Von der Idee zur unterrichtlichen Praxis – mit ePortfolios Verstehensprozesse sichtbar machen Um auf metakognitiver Ebene Lern- und Verstehensprozesse sichtbar zu machen, eignen sich Verfahren, in denen den Schülerinnen und Schülern Raum gegeben wird, ihr Lernen und Arbeiten zu reflektieren und zu dokumentieren . Dies können Problemstellungen sein, mit denen sich die Schülerinnen und Schüler kritisch auseinandersetzen und für die sie einen Lösungsvorschlag entwickeln. Auch ist es denkbar, dass die Schülerinnen und Schüler im Sinne der Prozessorientierung gemeinsam im Unterricht Modelle bauen , mit digitalen Technologien Simulationen erstellen und den gemeinsamen Herstellungs- und Entwicklungsprozess festhalten . Zur Dokumentation eignen sich in hervorragender Weise ePortfolios oder (digitale) Lerntagebücher , die mit wenig Aufwand in die an der jeweiligen Schule verwendeten Lernmanagement-Systeme wie itslearning oder Moodle integriert werden können. Die Ergebnisse aus den Lerntagebüchern könnten, um die Korrekturlast für Lehrkräfte gleichmäßig zu verteilen, etappenweise von der Lehrkraft gesichtet werden. Vorstellbar ist auch, dass die Schülerinnen und Schüler eigene Schwerpunkte setzen und diese mündlich vorstellen. So könnten die Schülerinnen und Schüler hervorheben, welchen Herausforderungen sie bislang begegnet sind, wie sie planen diese zu überwinden und welches ihre nächsten Schritte im Rahmen des Projektes sind. Projekt- und Produktorientiertes Arbeiten Um den Empfehlungen der KMK Folge leisten zu können, eignen sich Aufgaben, die auf ein auswertbares Produkt abzielen. Der fremdsprachliche Unterricht beispielsweise zielt in jeder thematischen Einheit auf die sogenannte Lernaufgabe ab. Sie bündelt alle erworbenen Kompetenzen und führt zu einem bewertbaren Leistungsprodukt. Dies können im Anfangsunterricht zunächst kleinere Aufgabenformate wie ein über sich verfasster Steckbrief sein, die Beschreibung des eigenen Tagesablaufes oder das Vorstellen der eigenen Familie . Sehr gut eignen sich hierzu DSGVO-konforme Webtools , die kollaboratives Arbeiten unter den Schülerinnen und Schülern begünstigen und über die es möglich ist, sich gegenseitig ein Feedback zu erteilen. Natürlich sollten diese Webtools so ausgewählt werden, dass sie auch den Lehrkräften die Möglichkeit bieten, mit geringem technischen Aufwand Korrekturen vorzunehmen und den Schülerinnen und Schülern im Sinne der konstruktiven Unterstützung eine Rückmeldung zu erteilen. In der unterrichtlichen Praxis erwiesen sich kooperativ angelegte Tools wie Taskcards oder Minibooks als sehr hilfreich. Ein sehr umfangreiches Angebot bietet das Niedersächsische Landesinstitut mit Kits . Neben Etherpads , einem Teammapping-Tool, mit dem die Schülerinnen und Schüler gemeinsam Mindmaps entwickeln können, bietet die Seite auch unter anderem mit Excalidraw ein sehr zu empfehlendes Tool, mit dem die Schülerinnen und Schüler zur Veranschaulichung von Prozessen mit wenigen Klicks Diagramme oder Infografiken erstellen können. Als weitere Lernprodukte eignen sich selbst erstellte Videos oder Präsentationen . Dafür sind nicht zwingend aufwendige Programme nötig. Die Schülerinnen und Schüler können mit wenig Aufwand Aufnahmen mit ihren digitalen Endgeräten machen oder aber Präsentationen mit den gängigen "Bordmitteln" wie PowerPoint erstellen, bei denen sich die Folien mit wenigen Klicks wie ein Kurzfilm abspielen lassen. Ebenso können Schülerinnen und Schüler Podcasts oder ähnliche Audiomaterialien erstellen. Ein sehr einfaches und niederschwelliges Tool ist Vocaroo . Wer Interesse daran hat, mit seinen Schülerinnen und Schülern europaweit mit anderen Kolleginnen und Kollegen und deren Klassen zusammenzuarbeiten, dem bietet eTwinning Gelegenheit dazu. Im eTwinning-Portal können Lehrkräfte europaweit nach Partnerinnen und Partnern suchen und online Projekte durchführen. Auf diese Weise arbeiten die Schülerinnen und Schüler mit sich im Ausland befindenden Lernenden zusammen und machen die oben geforderten Kompetenzen Kommunikation, Kollaboration, Kritisches Denken und Kreativität in authentischen Lernsituationen erfahrbar. Weitere Informationen bietet die eTwinning-Seite. Literaturverzeichnis Kultusministerkonferenz (2021). Lehren und Lernen in der digitalen Welt. Ergänzung zur Strategie der Kultusministerkonferenz "Bildung in der digitalen Welt" .
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