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Erfurt und die Suche nach Ursachen

Unterrichtseinheit

Der Amoklauf des Gymnasialschülers Robert Steinhäuser in Erfurt, bei dem 16 Menschen ums Leben kamen, ist der tragischste in der Geschichte der Bundesrepublik und hat im ganzen Land Trauer und Entsetzen hervorgerufen.Die Opfer der Bluttat sind nun beerdigt und schnelle Forderungen der Politiker etwa nach einer Verschärfung des Waffengesetzes oder der Heraufsetzung der Volljährigkeit auf 21 Jahre stehen im Raum. Doch die Fragen nach den Ursachen solcher Gewalttaten bleiben. Sie sind weitaus schwieriger zu beantworten als mit einem verschärften Waffengesetz, sind doch die Gründe für eine derartige Tat sehr komplex. Erfurt wurde schnell zum Thema der inneren Sicherheit - was derzeit ohnehin den Nerv der Bevölkerung trifft. Nun stellt sich die Frage: Welchen Nutzen haben höhere Altersgrenzen für Volljährigkeit und Waffenbesitz oder die Zensur von Gewaltdarstellungen in Medien und Videospielen für die Prävention von Gewalt wirklich? Fortsetzung Die Schülerinnen und Schüler sollen aus dem Text herausarbeiten, welche Erklärungen für das Attentat in Erfurt in der Öffentlichkeit diskutiert werden und welche Lösungen die Politik vorschlägt. die Lösungsvorschläge verschiedenen Politikfeldern zuordnen und bewerten, ob es sich bei den diskutierten Maßnahmen eher um Ursachen- oder Folgenbekämpfung handelt. sich mit dem Konzept von jugendschutz.net auseinandersetzen und seinen Sinn diskutieren. einen Maßnahmenkatalog für ihre Schule entwickeln und diesen nach Prüfung, mit der Bitte um Stellungnahme, an das Bundesbildungsministerium mailen. sich den Pressespiegel auf der Homepage von "Counterstrike" anschauen und die Selbstdarstellung der Betreiber kritisch hinterfragen. zum Abschluss der Unterrichtsreihe bei jetzt.de einen Forumsbeitrag zu einem der dort veröffentlichten Artikel schreiben. Die Opfer der Bluttat sind nun beerdigt und schnelle Forderungen der Politiker etwa nach einer Verschärfung des Waffengesetzes oder der Heraufsetzung der Volljährigkeit auf 21 Jahre stehen im Raum. Doch die Fragen nach den Ursachen solcher Gewalttaten bleiben. Sie sind weitaus schwieriger zu beantworten als mit einem verschärften Waffengesetz, sind doch die Gründe für eine derartige Tat sehr komplex. Erfurt wurde schnell zum Thema der inneren Sicherheit - was derzeit ohnehin den Nerv der Bevölkerung trifft. Nun stellt sich die Frage: Welchen Nutzen haben höhere Altersgrenzen für Volljährigkeit und Waffenbesitz oder die Zensur von Gewaltdarstellungen in Medien und Videospielen für die Prävention von Gewalt wirklich? Fortsetzung des Basisartikels Der Amoklauf in Erfurt hat nicht nur die "große" Politik auf den Plan gerufen, über mögliche Lösungsmöglichkeiten für die wachsende Gewaltbereitschaft Jugendlicher nachzudenken, sondern erzeugte auch bei jungen Menschen einen enormen Kommunikationsbedarf. Diese Unterrichtseinheit soll SchülerInnen zum einen dazu anregen, sich mit den verschiedenen Ursachen und Lösungen für solche Gewaltausbrüche zu beschäftigen, zum anderen, sich mit der Durchführbarkeit von Maßnahmen an ihrer zu Schule auseinander zu setzen. Ziel ist, dass die SchülerInnen zum einen in der Politik diskutierte Vorschläge kritisch hinterfragen, zugleich aber auch zu erfahren, wie schwer es ist, Maßnahmen selbst in kleinsten Organisationen (hier: ihre eigene Schule) umzusetzen. Dazu sollten die SchülerInnen zunächst den Basisartikel lesen. Zum weiteren Verlauf der Unterrichtsreihe bieten sich entweder die Artikel von jetzt.de an, oder, je nach Schwerpunktwahl, die Artikel zu Ursachen und Lösungen (siehe Linksammlung). Katrin Schaumann ist Mitarbeiterin von politik-digital Fortsetzung I Nicht nur die Grünen und die Union sprachen sich dagegen aus, auch in der Jugendforschung gilt seit Jahrzehnten der gegenteilige Trend: Jugendliche reifen immer früher heran und sind früher verantwortungsbereit. Hat die Politik überhaupt die Pflicht und Befugnis regulierend einzugreifen? Oder müsste sie nicht an ganz anderen Politikfeldern wie der Arbeitsmarkt-, Bildungs-, Sozial- und Familienpolitik ansetzen, um wirksam etwas gegen Leistungsdruck, Versagensangst und Perspektivendlosigkeit von Jugendlichen zu unternehmen? Ahnungslosigkeit Ein Schüler wird von der Schule suspendiert und die Eltern wissen nichts davon. Er ist im Besitz gefährlicher Waffen, doch die Behörden merken nichts. Am 26. April geht er, bewaffnet mit einer Pump Gun und einer Pistole, in seine alte Schule und tötet 13 Lehrer, zwei Schüler und einen Polizisten, bevor er sich selbst in einem Klassenraum erschießt. Eine Schule ist traumatisiert und mit ihr ein ganzes Land, das sich entsetzt fragt, was da schief gelaufen sein mag und wie und warum Kinder zu kühl kalkulierenden Mördern werden. In diese Hilflosigkeit hinein stellten die Politiker schnelle Forderungen auf. Der Kanzler berief die Intendanten der Fernsehanstalten ins Kanzleramt und fast keiner wagte in der momentanen Wahlkampfzeit einzugestehen, dass solche Taten auch in Zukunft nicht gänzlich ausgeschlossen werden können. Schnell wurde der Zusammenhang zwischen Medien und Gewalt in den Mittelpunkt der Diskussion gerückt, also die Frage nach Gewaltdarstellung im Fernsehen und die möglichen Folgen von Gewalt verherrlichenden Computerspielen, die der Schüler Robert Steinhäuser offenbar gespielt hat. Die Union nutzte die Gunst der Stunde und schob der Bundesregierung umgehend die Verantwortung zu, da sie nicht rechtzeitig gehandelt und Gewalt verherrlichende Video- und Computerspiele nicht verboten habe. Distanzierung Die vom Bundeskanzler zum Gespräch geladenen Verantwortlichen von Funk und Fernsehen distanzieren sich von der Tat in Erfurt und lehnen einen Zusammenhang mit der von ihnen verfolgten Programmpolitik und dem Amoklauf ab. Der Intendant der ARD, Fritz Pleitgen, betont, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk durch seine Präsentation von Gewalt in Nachrichten, Fernsehspielen und Spielfilmen, Gewalt als Konfliktlösung eindeutig ablehne und ächte. Das Fernsehen habe vielmehr die Aufgabe, eine gesellschaftliche Debatte über Gewalt anzustoßen, die es mit dem Zeigen solcher Bilder wahrnehme. Ein Beispiel dafür sei die Kriegsberichterstattung, wenngleich er hierbei eine Art "Gratwanderung" erkennt. Gewaltszenen können und sollen nach Meinung Pleitgens schockieren, müssen aber gleichzeitig so gezeigt werden, dass sie ein Negativbeispiel für Gewaltgebrauch sind und sollen die Entstehung und die Hintergründe von Gewalt verdeutlichen. Demnach wird es auch in Zukunft keine Eindämmung von Gewaltszenen im Fernsehen geben, wenngleich die Verherrlichung oder Verharmlosung von Gewalt vermieden werden soll. Auswirkungen sind unterschiedlich Ein direkter Zusammenhang zwischen Gewaltbildern im Fernsehen und dem Amoklauf von Erfurt lässt sich ohnehin nicht so einfach herstellen. Denn das Problem ist, dass sich Gewaltbilder auf die jeweiligen Nutzer ganz unterschiedlich auswirken können und man somit schlecht eine pauschale Wirkung festmachen kann. Es gibt Tausende von Jugendlichen, die ähnliche Spiele auf ihrem Computer haben, wie der Amokläufer von Erfurt sie hatte, und doch werden sie nicht zu Mördern oder sind in irgend einer Art verhaltensauffällig. Doch gibt es eben auch Fälle, in denen Kinder aggressiv oder übermäßig ängstlich werden und gegenüber Gewaltszenen abstumpfen. Zu Amokläufern werden auch sie nicht, da sind sich die Wissenschaftler weitgehend einig. Drehbuch und ... Wie und wann jedoch aus dem Spiel tödlicher Ernst wird, ist auch wissenschaftlich kaum zu beantworten. Es gibt zwar zahlreiche Studien zur Wirkung Gewalt verherrlichender Spiele, diese kommen jedoch zu sehr unterschiedlichen und widersprüchlichen Ergebnissen. Unbestritten ist lediglich, dass bei häufigem Spielen Gewöhnungseffekte an (virtuelle) Gewalt eintreten können. Der Schritt zu realer Gewalt bleibt dennoch groß. Unumstritten ist auch, dass Medien und Videospiele wie der sogenannte Ego-Shooter Counter Strike, bei dem man in einem Labyrinth von Raum zu Raum läuft und die Gegner exekutiert, quasi ein Drehbuch für einen Amoklauf abgeben. Aber auch diese drastische Form der Fiktion stellt für die jugendlichen Spieler in der Regel kein Abgrenzungsproblem zur Wirklichkeit dar. Die Frage, ob dies bei dem Amokläufer von Erfurt anders war und in diesem Einzelfall eine von dem Spiel ausgehende Kausalität bestand, wird letztendlich nicht zu beantworten sein. Dennoch: Gewalt in den Medien wird immer wieder als Erklärungsmuster für erschütternde und unerklärlich Gewaltausbrüche in der Gesellschaft herangezogen werden. Durchführung eines Amoklaufs Der Fall Steinhäuser, wie auch vergleichbare Amokläufe Jugendlicher in anderen Ländern, hinterlässt demnach viele unbeantwortete Fragen und ein Gefühl der Hilflosigkeit. Man sucht die Gründe daher auch im sozialen Umfeld der Jugendlichen, doch auch hier ist es im Fall Steinhäuser schwierig, Schlüsse zu ziehen, kam er doch aus einer scheinbar intakten Familie. Bleibt das Versagen in der Schule, dem die Suspendierung kurz vor dem Abitur folgte. Dass man in Thüringen beim Abbruch eines Schulabschlusses nicht wie in anderen Bundesländern den nächst niedrigeren erhält, ist eine mögliches Motiv. Dass die Eltern monatelang keine Ahnung vom Schulabbruch ihres Sohnes hatten und sich auch in der ehemaligen Schule anscheinend niemand mehr für die prekäre Situation des entlassen Schülers interessierte oder engagierte sind weiter Anhaltspunkte für den Verlauf der Tragödie. Doch auch sie können letztendlich nicht erklären, was im Einzelfall zum Überschreiten der Schwelle von Verzweiflung, Rachegefühlen und Gewaltvorstellungen zur Durchführung eines Amoklaufs führt. Fortsetzung II Um Jugendschutz kümmern sich Internet-Provider selten, nur wenige bieten eine "Kindersicherung" an. Zwar können Eltern mit einer speziellen Filtersoftware (z.B. bei www.netnanny.com; www.surfwatch.com) ihre Kinder vor Web-Seiten mit pornografischem oder gewaltverherrlichendem Inhalt schützen, doch gibt es diese Programme nur auf englisch und sie müssen zudem laufend aktualisiert werden. Hinzu kommt, dass die Kinder sich meist besser mit dem Computer auskennen als ihre Eltern, zumal diese oft überhaupt nicht wissen, welche Spiele ihr Nachwuchs spielt und welche Seiten im Internet er sich ansieht. Ein Verbot von gewaltverherrlichenden Computerspielen und Videos, wie es der bayerische Innenminister Günter Beckstein fordert, ist schwer realisierbar. Denn es bestünde weiterhin die Gefahr, dass Jugendliche sich Gewalt-Spiele illegal aus dem Internet ziehen oder sich Kopien von Freunden besorgen. Meist wissen die Jugendlichen genau, wo sie Spiele und Videos bekommen können. Brauchen wir Schützenvereine? Die Diskussion um Gewaltprävention hat neben der Frage um die Mitschuld und die Wirkung der Medien auch den Zugang zu und den Umgang mit Waffen allgemein in den Mittelpunkt gerückt sowie die Frage nach Sinn und Zweck von Schützenvereinen. Robert Steinhäuser war Mitglied in zwei Schützenvereinen. Die Gefahr durch Sportschießen und vor allem die damit verbundene Verbreitung von Waffen in der Bevölkerung stehen daher seit Erfurt in einem ganz anderen Licht. Bund und Länder hatten sich darauf verständigt, das eben erst novellierte Waffengesetz erneut zu ändern und wieder deutlich zu verschärfen. Ob diese Maßnahmen allein ausreichen, ist allerdings fraglich, immerhin ist die Bundesrepublik ein Land, das ohnehin über eines der restriktivsten Waffengesetze der Welt verfügt; das Problem sind weniger die legalen, als vielmehr die illegalen Waffen. Gleichwohl vermittelt ein verschärftes Waffengesetz den Eindruck, einen Beitrag zur Gewaltprävention geleistet zu haben. Task-Force Gewaltfreie Schule Weiter reichende Forderungen stellen allerdings auch Politiker wie der saarländische Ministerpräsident Peter Müller oder Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn, die eine neue Schulkultur anregt, in der die Zusammenarbeit von Lehrern, Eltern und Schülern gestärkt werden soll. Sie schlägt zudem eine "Task-Force Gewaltfreie Schule" vor. Gänzlich schützen kann man sich vor Taten wie in Erfurt nicht. Doch Bulmahn wünscht sich ein Klima an Schulen, in dem SchülerInnen lernen, Konflikte zu erkennen und selbst zu lösen. Die durch Erfurt ausgelöste bildungspolitische Diskussion darüber, wie dies genau zu bewerkstelligen sei, hat wohl gerade erst begonnen. Arbeiten Sie die wichtigsten Aussagen aus dem Text und gliedern Sie diese in Themenbereiche, die Sie vertiefen möchten. Welche Erklärungen für die Tat werden in der Öffentlichkeit diskutiert? Welche Reaktionen und Lösungen schlägt die Politik vor? Diskutieren Sie, inwieweit Sie die Lösungsvorschläge für sinnvoll befinden, um ähnliche Taten in Zukunft auszuschließen. In welchen Politikfeldern müsste noch gehandelt werden, um grundlegende gesellschaftliche Ursachen zu bekämpfen? Welches politische Handeln ist näher an den Symptomen von Gewalt, welches orientiert sich eher an den Ursachen? Erarbeiten Sie einen Maßnahmenkatalog. Prüfen Sie diesen, indem Sie Kosten und Umsetzungsmöglichkeiten in ihrer Schule prüfen. Senden Sie diesen Maßnahmenkatalog (wenn möglich mit den Ergebnissen, der von Ihnen durchgeführten Prüfung) an das Bundesbildungsministerium und bitten dort eine zuständige ReferentIn um Stellungnahme. Die SchülerInnen sollten die Website jugendschutz.net besuchen und diskutieren, ob sie das Konzept der Site für sinnvoll befinden. Links

  • Politik / WiSo / SoWi
  • Sekundarstufe II

Interview: Computerspiele aus Sicht des Medienpädagogen

Fachartikel

Über Sinn, Unsinn und mögliche Gefahren von Computerspielen äußert sich Gerrit Neundorf, Leiter des Instituts für Computerspiel e. V. in Erfurt.Der Sozialpädagoge und Jugendschutzsachverständige aus Thüringen erläutert in diesem Interview, dass Computerspiele einen großen Nutzen für den Unterricht haben können, wie man sie einsetzen kann und wo Lehrerinnen und Lehrer Anregungen und Hilfestellungen finden. Gleichzeitig ruft er dazu auf, Schülerinnen und Schüler als Experten zu sehen und sie als solche in den Unterricht einzubinden. Eine wettbewerbsartige Herangehensweise an den Einsatz von Spielen im Unterricht wie sie die eSport Schulmeisterschaft umsetzt, scheint hilfreich zu sein.

  • Informatik / Wirtschaftsinformatik / Computer, Internet & Co.
  • Primarstufe, Sekundarstufe I, Sekundarstufe II, Spezieller Förderbedarf, Berufliche Bildung

Bildung im Bundestagswahlkampf 2002

Unterrichtseinheit

Weder Arbeitslosigkeit noch Steuerreform oder gar die Umweltpolitik bestimmten das Wahlkampfgeschehen vor der Sommerpause und der Jahrhundertflut. Das PISA-Debakel, das Erfurter Blutbad und die Klagen der Wirtschaft und Universitäten über zu wenig Studenten führten dazu, dass die Bildungspolitik das wichtigste Thema der ersten heißen Wahlkampftage wurde.Ausgehend von der PISA-Studie und deren Ergebnissen lassen sich schulische Aufgaben, Defizite und deren Ursachen heraus arbeiten - eventuell mit Einsatz des Internets. Sicher erkennen die SchülerInnen schnell, warum das Thema im Bundestagswahlkampf derart präsent ist. Einstieg Ausgehend von der PISA-Studie und deren Ergebnissen lassen sich schulische Aufgaben, Defizite und deren Ursachen heraus arbeiten - eventuell mit Einsatz des Internets. Sicher erkennen die SchülerInnen schnell, warum das Thema im Bundestagswahlkampf derart präsent ist. Abgrenzen verschiedener Meinungen Die Einstellungen der politischen Parteien zum augenscheinlichen "Wahlkampfthema Nummer 1" sind in den Wahlprogrammen, die wiederum auf den Websites der Parteien einzusehen sind, zu entdecken. Diese können in Relation zu den grundsätzlichen Einstellungen der Parteien gesetzt werden. Recherche einer Diskussionsgrundlage Die Kulturhoheit der Länder spricht dagegen, dass Bildungspolitik Wahlkampfthema wird. Dennoch werden Stimmen laut, die Bildung zur Bundesaufgabe machen wollen. Eine Diskussion kann auf Basis der im Internet gewonnenen Informationen geführt werden.Die SchülerInnen sollen das Thema Bildung als politische Dimension begreifen. die unterschiedlichen Einstellungen der Parteien erkennen und beurteilen. selbstständig im Internet nach weiter gehenden Informationen suchen. Bildung als kulturhoheitliche Aufgabe der Länder verstehen und zu bundespolitischen Fragestellungen abgrenzen. Gerhard Schröder (SPD) erkannte dies und gab, eine Premiere in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, am 13. Juni 2002 als erster Bundeskanzler eine Regierungserklärung zum Thema "Bildung" ab. In ihr bezeichnete er die Bildungsfrage als "die soziale Frage des 21. Jahrhunderts". Stritten sich in der Vergangenheit die Parteien heftig um den richtigen Weg in der Bildungspolitik, sind sie in diesen Tagen programmatisch wesentlich näher beisammen. Niemand bezweifelt beispielsweise, dass Bildung die Voraussetzung für Wirtschaftswachstum und gesellschaftliche Weiterentwicklung ist. Doch nach der Erfurter Bluttat finden auch Forderungen nach einer Rückbesinnung auf traditionelle Erziehungswerte ihren Platz in einigen Wahlprogrammen. Diese Unterrichtseinheit wurde in Kooperation mit politik-digital und Wahlthemen erstellt. Weiterführende Beiträge, Informationen sowie interaktive Angebote für den Unterricht finden Sie bei: Als eine erste Reaktion auf PISA beschloss die rot-grüne Bundesregierung, den Bundesländern in den nächsten Jahren rund vier Milliarden Euro zur Einrichtung von 10.000 Ganztagsschulen zur Verfügung zu stellen. Darüber hinaus forderte Schröder eine "nationale" Bildungsreform. Kulturhoheit der Länder Damit löste er eine Welle der Empörung bei Länderregierungen und Opposition aus, denn die Bildungspolitik fällt im Wesentlichen in den Kompetenzbereich der Bundesländer. Artikel 30 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland regelt, dass die Zuständigkeiten für das Bildungswesen und die Kultur bei den Ländern liegen (Kulturhoheit der Länder). Kultusministerkonferenz Zur Koordination der einzelnen Länderpolitiken treffen sich die 16 Kultusminister regelmäßig in der so genannten Kultusministerkonferenz (KMK). Die KMK hat laut ihrer Geschäftsordnung die Aufgabe, "Angelegenheiten der Kulturpolitik von überregionaler Bedeutung mit dem Ziel einer gemeinsamen Meinungs- und Willensbildung und der Vertretung gemeinsamer Anliegen" zu behandeln, doch eine bundesweit einheitliche Bildungspolitik existiert damit noch lange nicht. Bildung als Wahlkampfthema In der Vergangenheit wurde das föderale Bildungssystem nicht grundsätzlich in Frage gestellt, doch nach dem miserablen PISA-Abschneiden wagte sich die rot-grüne Bundesregierung an dieses Thema. Doch Widerspruch kam prompt und war zu Wahlkampfzeiten unmissverständlich. Wahlkampf ohne viele Gegensätze Im Wahlkampf thematisieren alle Parteien die Bildungspolitik und setzen dabei ihre Akzente nur geringfügig anders. Sie sind sich in der Diagnose weitgehend einig und auch die Rezepte der Parteien erscheinen, wie die angeführten Beispiele zeigen, recht ähnlich. Die WählerInnen müssen schon ganz genau hinschauen und die Aussagen der Parteien miteinander vergleichen, um die Unterschiede zu erkennen und ihre Wahlentscheidung zu treffen. Ganztagsbetreuung Die SPD setzt mehr Erwartungen in eine verbesserte ganztägige Betreuung. Die bereits erwähnten vier Milliarden Euro waren dabei ein erster Schritt. Bildungsministerin Edelgrad Bulmahn (SPD) verwies in der Bundestagsdebatte nach Schröders Regierungserklärung zur Bildungspolitik darauf, dass die rot-grüne Bundesregierung "die Trendwende eingeleitet und den Etat in nur vier Jahren um 21,5 Prozent auf 8,8 Milliarden Euro erhöht" habe. ...früh beginnen In dem SPD-Leitantragsentwurf "Bildung entscheidet über unsere Zukunft" stellt der Parteivorstand seine Vorschläge für die Zukunft vor. Wichtige Kernpunkte sind dabei die möglichst früh einsetzende Förderung von Bildungspotenzialen, eine neue Lehr- und Lernkultur an den Schulen, die gezielte Förderung des lebenslangen Lernens und ein besserer Umgang mit den neuen Medien. Eltern und fremde Kulturen integrieren Auch der Koalitions- und Regierungspartner der SPD, Bündnis 90/Die Grünen, legt einen Schwerpunkt der politischen Arbeit auf das Bildungsthema. Als Reaktion auf die PISA-Studie forderten Niombo Lomba, Mitglied des Bundesvorstands, und Sybille Volkholz, Sprecherin der Bundesarbeitsgemeinschaft Bildung, dass u.a. die Zusammenarbeit zwischen Lehrern und Eltern verbessert werden, "fremde Kulturen" besser integriert und die Schulen insgesamt mehr Autonomie erhalten müssten. Gerechtigkeit Auch Joschka Fischer, grüner Spitzenkandidat und amtierender Außenminister, äußerte sich Ende Juni 2002 zum Thema Bildung. Er sprach sich dagegen aus, Bayern als "Vorbild für die Bildungspolitik" zu nehmen. Er halte es lieber mit Finnland, das bei PISA sehr gut abschnitt. Bildung sei für ihn mehr denn je eine Frage der Gerechtigkeit. Die Grünen setzen sich außerdem noch für kleinere Klassen und eine bessere Lehrerausbildung ein. Föderalismus... Für die CDU/CSU ist der föderale Wettbewerb um das beste Bildungskonzept das "Zukunftsmodell zur Qualitätsverbesserung", so die baden-württembergische Kultusministerin Annette Schavan und der Kanzlerkandidat Edmund Stoiber in einer gemeinsamen Erklärung. Trotzdem fordern sie, dass "vergleichbare Bildungsstandards zwischen allen 16 Ländern für alle Schularten" vereinbart werden sollen. Denn nur so könnten die "dramatischen Leistungsunterschiede" innerhalb Deutschlands wirksam bekämpft werden. ...versus Zentralismus Gleichzeitig spricht sich die CDU/CSU aber gegen einen "Zentralismus" bei pädagogischen Konzepten und dem Fächerkanon aus. Statt dessen soll ein neun Punkte umfassender "Qualitätspakt Bildung" Deutschland wieder in die internationale Bildungsspitze führen. Darunter versteht die CDU/CSU u.a. eine bessere Integration ausländischer Jugendlicher, mehr Selbständigkeit für die Schulen sowie mehr Respekt für die Arbeit der Lehrerinnen und Lehrer. Der Ausbau von Ganztagsschulen, die nach Ansicht der CDU/CSU nicht "generell zu einer Verbesserung der Qualität" beitragen, soll "bedarfsorientiert" erfolgen. Kinderbetreuung Für die FPD und ihren Kanzlerkandidaten Guido Westerwelle steht nicht nur die Zahl "18" im Mittelpunkt des Wahlkampfes, denn die Bildung sei "unser wichtigster Rohstoff", so eine Wahlkampfsite der FDP. In ihrem Positionspapier "Familien stärken - Kinderbetreuungsangebot ausbauen" schreiben sie, dass die "Kinderbetreuung der zentrale Schlüssel für die Vereinbarkeit von Familie und Erwerbsarbeit" sei. Abschaffung der Kultusministerkonferenz PISA habe "gezeigt, wie entscheidend für die soziale Chancengerechtigkeit die Förderung des Sprachvermögens und der Lernmotivation im Vorschulalter" sei. Daher spricht sich auch die FPD an erster Stelle für den gezielten Ausbau der ganztägigen Betreuung ein und fordert vor allem mehr Wettbewerb zwischen den Einrichtungen. Außerdem tritt sie für die Abschaffung der Kultusministerkonferenz ein und "fordert unabhängige Qualitätssicherungsagenturen, die als Stiftung oder GmbH geführt werden". Chancengleichheit Auch die PDS positioniert das Thema ganz oben auf der politischen Prioritätsliste: "Bildung braucht jeder Mensch für ein reiches selbstbestimmtes Leben", heißt es auf einer Wahlkampfsite der PDS. Für sie steht die "Chancengleichheit" beim Bildungszugang an erster Stelle. PISA habe nach Meinung der PDS nachgewiesen, dass "der Zusammenhang von sozialer Herkunft und Bildungserfolg in Deutschland besonders stark ausgeprägt" sei. Gebührenfreiheit Daher brauche das Bildungswesen Strukturen, die "individuelle Förderung im Rahmen integrierter Bildungsformen" möglich machen. Die PDS will, dass niemand aus finanziellen Gründen auf Bildung verzichten müsse. Daher fordern sie"Gebührenfreiheit beim Bildungszugang und einen "Existenz sichernden Unterhalt von der Kita bis zur Weiterbildung". Problematisch erscheint der Umstand, dass die Bildungs- und Schulpolitik im Bundestagswahlkampf derart offensiv thematisiert wird, denn Bildungspolitik ist primär Sache der Bundesländer. Insofern stehen alle Versprechungen und Vorhaben, die jetzt von den Parteien im Wahlkampf publiziert werden, in Konflikt mit dem föderalen Aufbau des deutschen Bildungswesens. Bildung bleibt Ländersache? Welche Ankündigungen letztlich konkret vor Ort umgesetzt werden, hängt also nicht unbedingt mit dem Abschneiden bei der Bundestagswahl zusammen. Dafür sind die 16 Länderregierungen zuständig, die sich bislang mit Erfolg gegen eine Zentralisierung der Bildungspolitik gewehrt haben.

  • Politik / WiSo / SoWi
  • Primarstufe, Sekundarstufe I

Die Geschichte der SED

Unterrichtseinheit

Über vier Jahrzehnte herrschte die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) über die Menschen in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR). Scheinwahlen und ein Parlament ohne Einflussnahme sollten Demokratie vortäuschen. Doch in Wirklichkeit kontrollierte und regelte die Partei in ihrem Alleinvertretungsanspruch die gesamte Gesellschaft in der ehemaligen DDR.Die Unterrichtseinheit behandelt die Gründung und den Machtausbau der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED), die sich nur mit Hilfe der sowjetischen Besatzungsmacht und der Zwangsvereinigung von KPD und SPD gründen konnte. Neben der engen Verflechtung zwischen Partei und Staat und der Herausbildung autoritärer Strukturen sollen auch Machtausbau und Machtsicherung nachvollziehbar gemacht werden. Dazu zählten die Verfolgung Andersdenkender und der Aufbau regimetreuer Massenorganisationen sowie die Duldung von Parteien ohne Macht und Einfluss. Vertiefend geht die Unterrichtseinheit auf die Bedeutung der Wahlen als scheindemokratisches Feigenblatt ein. Im Zeitgeschichtlichen Forum Leipzig können sich die Schülerinnen und Schüler zudem mit dem Schicksal jugendlicher Oppositioneller eingehender beschäftigen. Modularer Aufbau Die Unterrichtseinheit ist modular aufgebaut. Insbesondere das Vertiefungsmodul Wahlen, das auch Vergleiche zur Bundesrepublik Deutschland enthält, kann ohne die übrigen Module in den Unterricht integriert werden. Die Materialien sind so konzipiert, dass sie sowohl als Vorbereitung für den Besuch des Lernortes Zeitgeschichtliches Forum Leipzig dienen, als auch unabhängig davon genutzt werden können. Vorbereitung Zur Vorbereitung auf die Unterrichtseinheit sollten folgende Dinge bereitgestellt werden: ein Lehrkraft-Computer und mehrere Computer für die Lernenden mit Microsoft Office (oder einem anderen Office-Programm), Internet-Anschluss, Sound-Karte, Real-Player oder Windows-Media-Player, Lautsprecherboxen. Didaktisch-methodische Hinweise Die Schülerinnen und Schüler erarbeiten sich die Geschichte der SED mit Hilfe von unterschiedlichen Quellen aus dem Internet. Fachkompetenzen Die Schülerinnen und Schüler setzen sich mit einem wichtigen Teil der jüngeren deutschen Geschichte auseinander. bekommen ein differenziertes Bild über die Wirkmechanismen einer Diktatur. arbeiten die Unterschiede zwischen freiheitlich-demokratischen und autoritären Gesellschaftssystemen heraus. Medienkompetenz Die Schülerinnen und Schüler erarbeiten sich ein historisches Thema eigenständig und mit Hilfe von Quellenmaterial. lernen den Umgang mit verlässlichen und fachlich relevanten Seiten im Interne – insbesondere gilt es, nicht zuerst auf Wikipedia zurückzugreifen, sondern andere Quellen zu finden. üben einen verantwortungsvollen Umgang mit Materialien aus dem Internet ein. Dazu gehört die Achtung der Urheberrechte (Bilder, Texte), das richtige Zitieren, die Angabe von Quellen und das Vemeiden von Copy-and-Paste Praktiken. bewerten, analysieren und kommentieren im Internet angebotenes Quellenmaterial zur Geschichte der DDR. recherchieren Zeitzeugenberichte, Biographien und persönliche Dokumente eigenständig. Aufstieg und Machtsicherung Zunächst soll es vor allem um die frühe Zeit des vom Stalinismus geprägten Gesellschaftssystems gehen. In einem ersten Schritt steht die Zwangsvereinigung von KPD und SPD zur SED im Mittelpunkt. In einem zweiten Schritt werden Machtausbau und Machtsicherung der SED beleuchtet, die ihre politischen Gegner ausschaltete und jeden Protest oder Widerstand rücksichtslos verfolgte. Gleichzeitig baute sie ein sozialistisches Gesellschaftssystem nach sowjetischem Vorbild auf. Dazu gehörte die Gründung von Massenorganisationen und ein scheindemokratisches Mehrparteienparlament, das sich der herrschenden Linie der SED unterzuordnen hatte. Wahlen in der DDR Vertiefend sollen sie die Bedeutung von Wahlen in der DDR nachvollziehen und einen Vergleich zur Bundesrepublik ziehen. Wenn das Zeitgeschichtliche Forum in Leipzig besucht werden soll, bietet diese Unterrichtseinheit zudem eine Vor-Ort-Aufgabe (Jugendopposition gegen das SED-Regime) zur Bearbeitung durch die Klasse. Methodisch können sich die Schülerinnen und Schüler mit Hilfe von Vergleichen, Erörterungen und Diskussionen den Unterschieden zwischen Demokratie und Diktatur annähern. Die Arbeitsergebnisse werden auf Arbeitsblättern, aber auch in selbst erstellten Blogs, Websites und Wikis beziehungsweise Power-Point-Präsentationen vorgestellt. Modul 1: Partei- und Staatsgründung unter sowjetischer Besatzung Im ersten Modul lernen die Schülerinnen und Schüler die politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen der Nachkriegszeit kennen, unter denen die SED gegründet wurde. Die Schülerinnen und Schüler diskutieren, warum man von einer "Zwangsvereinigung" der Parteien SPD und KPD spricht. Anhand einer Quelle erörtern sie, welchen Einfluss die sowjetischen Besatzer bei diesem Prozess gespielt haben. Die unterschiedliche Entwicklung des geteilten Deutschlands, also die Gründung von DDR und Bundesrepublik im Jahr 1949, wird in einem zweiten Schritt nachvollzogen. Vertiefend geht die Wahlaufgabe auf ideologische und machtpolitische Aspekte ein: In Gruppenarbeit können die Lernenden den Text des Liedes "Die Partei hat immer Recht" analysieren oder sich mit der Biographie des Kommunisten Walter Ulbricht auseinandersetzen. Modul 2: Die Sicherung der Macht In Rahmen des zweiten Moduls wird der Auf- und Ausbau autoritärer Strukturen erkennbar gemacht. Die Schülerinnen und Schüler informieren sich über die Etablierung eines sozialistischen Gesellschaftssystems nach sowjetischem Vorbild. Einen Überblick über die Parteien und Massenorganisationen der DDR, ihre Entwicklung und Funktion als Stütze des Systems verschaffen sich die Lernenden, indem sie ein digitales Nachschlagewerk erstellen (Wiki). Dabei beschäftigen sie sich auch mit der anderen Seite des Machtausbaus: dem Kampf der Machthaber gegen Opposition und Widerstand. Sie analysieren ein Flugblatt, informieren sich über die verschiedenen Arten der Opposition und die Aufgabe des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) bei der Verfolgung Andersdenkender. Identifikation erzeugen Da bei der Annäherung an ein historisches Thema auch Identifikation eine Rolle spielt, beschäftigt sich die Zusatzaufgabe mit der Jugend- und Schüleropposition in der DDR. Dafür sollen die Biographien junger SED-Gegner recherchiert und eine Website auf lo-net² erstellt werden. Diese Aufgabe dient gleichzeitig der Vorbereitung auf den Besuch des Lernortes. Modul 3: Vertiefungsmodul Wahlen Die Schülerinnen und Schüler informieren sich über die Funktion und den Ablauf der Wahlen in der DDR. Sie sehen sich dazu einen Dokumentarfilm an und stellen die Ergebnisse in einer PowerPoint-Präsentation vor. Im Vergleich mit dem Wahlsystem der Bundesrepublik erarbeiten sie den Unterschied zwischen demokratischen und undemokratischen Wahlen anhand einer tabellarischen Übersicht. Abschließend diskutieren die Lernenden das Wahlprozedere und seinen Einfluss auf die Gesellschaft. In der Dauerausstellung im Zeitgeschichtlichen Forum Leipzig können sich die Schülerinnen und Schüler im Ausstellungsbereich 3 "Herrschaftssicherung durch die SED" über Opposition und Widerstand gegen das SED-Regime informieren. Hier soll es insbesondere um den Widerstand von Schülerinnen und Schülern sowie Studierenden gehen, die in den fünfziger Jahren aktiv wurden. Die Lernenden fassen die Aktionen und das Schicksal der jugendlichen Regimegegner in einem Kurzreport zusammen. In der gemeinsamen Diskussion geht es darum, die Taten zu bewerten, sich in die Lage der Oppositionellen zu versetzen und über heutige Formen des Protestes nachzudenken. Gniffke, Erich Jahre mit Ulbricht, Köln 1966. Leonhart, Wolfgang Die Revolution entlässt ihre Kinder, Leipzig 1990. Malycha, Andreas Geschichte der SED. Von der Gründung bis zur Linkspartei, Bonn 2009. Neubert, Ehrhart Opposition in der DDR, Erfurt 2009. Schroeder, Klaus Der SED-Staat. Geschichte und Strukturen der DDR, Dresden 1998. Weber, Hermann Geschichte der DDR, München 2000. Werkenthin, Falco Recht und Justiz im SED-Staat, Bonn 2000. Zur Mühlen, Patrik von Der "Eisenberger Kreis". Jugendwiderstand und Verfolgung in der DDR 1953-1958, Bonn 1995.

  • Geschichte / Früher & Heute / Politik / WiSo / SoWi / Religion / Ethik
  • Sekundarstufe II, Berufliche Bildung, Sekundarstufe I

Tätigkeit und Wirkungsweise des MfS

Unterrichtseinheit

Diese Unterrichtseinheit zum Thema "Tätigkeit und Wirkungsweise des Ministeriums für Staatssicherheit" soll den Schülerinnen und Schülern Geschichte, Funktion und Aufgaben des DDR-Staatssicherheitsdienstes vermitteln.Das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) sorgte mit einer flächendeckenden Überwachung der Bevölkerung für ein Klima aus Angst und Misstrauen in der DDR. Als Erfüllungsgehilfe der herrschenden Sozialistischen Einheitspartei (SED) verfolgte und bespitzelte die Geheimpolizei jeden, der anderer Meinung war. Die Unterrichtseinheit ordnet die Geheimdienstgründung in historische Zusammenhänge ein und informiert über das Selbstverständnis des MfS als "Schild und Schwert der Partei". Die Schülerinnen und Schüler erarbeiten sich Kenntnisse zu den geheimdienstlichen Methoden, wie Bespitzelung, Observation und Zersetzung, indem sie eigenständig Quellen recherchieren und kommentieren, das Gelernte analysieren und diskutieren - auch mit Hilfe virtueller Tools wie Blogs und Wikis. Vertiefend geht die Unterrichtseinheit auf das Wirken von DDR-Spionen im Westen ein, exemplarisch steht dafür die "Affäre Guillaume". Schließlich lernen die Schülerinnen und Schüler das System der Stasi-Haftanstalten kennen und bereiten sich so auf eine Exkursion in die ehemalige U-Haftanstalt des MfS in Rostock (Dokumentations- und Gedenkstätte des BStU) vor. Wichtige Aspekte des SED-Unrechtsregimes Mit der Unterrichtseinheit über das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) lernen die Schülerinnen und Schüler einen wichtigen Aspekt des SED-Unrechtsregimes kennen. Die Unterrichtseinheit besteht aus fünf Modulen. In einem ersten Schritt informieren sich die Schülerinnen und Schüler über die historischen Hintergründe und Zusammenhänge, die mit der Gründung des Ministeriums verbunden sind. Vertiefend geht dieses Modul auf die Biographie des Ministers Erich Mielke ein. In einem zweiten Schritt werden Methoden und Arbeitsweisen der Geheimpolizei untersucht (Modul 2). Die Gründung der BStU Modul 3 ist ein Vertiefungsmodul und setzt sich mit den Untersuchungs-Haftanstalten der Staatssicherheit auseinander. Vertiefend kann im Modul 4 das Wirken der Staatssicherheit in der Bundesrepublik am Fall des Kanzlerspions Günter Guillaume behandelt werden. Modul 5 schließlich behandelt das Ende des Staatssicherheitsdienstes, seine Auflösung und die Gründung der Behörde des Bundesbeauftragten für die Stasiunterlagen (BStU). Eine Vor-Ort-Aufgabe für die Dokumentations- und Gedenkstätte (DuG) des BStU in Rostock und verschiedene Multiple-Choice-Aufgaben sind ebenfalls Bestandteil der Unterrichtseinheit. Didaktisch-methodische Hinweise zur Unterrichtseinheit "Staatssicherheit DDR" In dieser modular aufgebauten Unterrichtseinheit erarbeiten die Schülerinnen und Schüler die Geschichte sowie die Funktionsweise des MfS. Fachkompetenz Die Schülerinnen und Schüler verschaffen sich ein differenziertes Bild über die Wirkmechanismen der zweiten deutschen Diktatur. erwerben Kenntnisse über staatlich sanktionierte Verfolgung und Unterdrückung in der DDR. lernen Methoden der Bespitzelung und Zersetzung durch das MfS kennen. erhalten einen Einblick in die Bedingungen der Stasi-Untersuchungshaft. bekommen Einblick in Schicksale von Stasi-Opfern, insbesondere jugendlicher Opfer. setzen sich mit der gesellschaftlichen Aufarbeitung der Stasi-Vergangenheit auseinander. erwerben Kenntnisse über die Tätigkeit der Behörde des Bundesbeauftragten für die Unterlagen der Staatssicherheit. Medienkompetenz Die Schülerinnen und Schüler erarbeiten sich ein historisches Thema eigenständig und mit Hilfe von Quellenmaterial. lernen den Umgang mit verlässlichen und fachlich relevanten Seiten im Internet - insbesondere gilt es, nicht zuerst auf Wikipedia zurückzugreifen, sondern andere Quellen zu finden. üben einen verantwortungsvollen Umgang mit Materialien aus dem Internet ein. Dazu gehört die Achtung der Urheberrechte (Bilder, Texte), das richtige Zitieren, die Angabe von Quellen und das Vermeiden von Copy-and-Paste-Praktiken. bewerten, analysieren und kommentieren Quellen zur Geschichte der DDR. recherchieren eigenständig Zeitzeugenberichte, Biographien und persönliche Dokumente. Sozialkompetenz Die Unterrichtseinheit fördert sowohl die eigenständige Arbeit, zum Beispiel bei der Erschließung von Inhalten oder die Arbeit mit Kurzvorträgen als auch die Gruppenarbeit und das gemeinsame Diskutieren. Modularer Aufbau Die Unterrichtseinheit ist in fünf inhaltliche Module gegliedert. Ob jedes Modul auch einzeln und unabhängig von den anderen genutzt werden kann, hängt von der Bewertung der oder des Lehrenden über den Wissensstand der Schülerinnen und Schüler ab. Module, die sich besonders zur alleinigen Nutzung im Unterricht eignen, sind Modul 1 zur Gründungsgeschichte des MfS und das Modul 2 zu den Methoden und Arbeitsweisen des MfS. Die Materialien sind so konzipiert, dass sie sowohl als Vorbereitung für den Besuch des Lernortes Dokumentations- und Gedenkstätte (DuG) des BStU in Rostock dienen, als auch unabhängig davon genutzt werden können. Technische Voraussetzungen Zur Vorbereitung auf die Unterrichtseinheit sollten folgende Dinge bereitgestellt werden: ein Lehrer-Computer und mehrere Schüler-Computer mit MS Office, Internet-Anschluss, Sound-Karte, Real-Player oder Windows-Media-Player, Lautsprecherboxen. Modul 1: Zusammenhänge und Hintergründe - Das Ministerium für Staatssicherheit Die historischen Hintergründe wie der Kalte Krieg und die "doppelte Staatsgründung" schaffen das Wissensfundament für die gesamte Unterrichtseinheit. Ferner erarbeiten sich die Schülerinnen und Schüler in eigener Recherche Informationen über Aufgaben, Umfang, Struktur und Methoden der Staatssicherheit. Dabei steht ihnen neben Link-Tipps auch eine Quelle zur Auswertung zur Verfügung. In einer Power-Point-Präsentation können die Schülerinnen und Schüler ihre Ergebnisse vorstellen. Biografie rekonstruieren Vertiefend geht Modul 1 auf die personelle Machtkonzentration im MfS ein. Die Schülerinnen und Schüler rekonstruieren Biografie und Person des langjährigen Ministers Erich Mielke, auch über die Zeit des Mauerfalls und der Wiedervereinigung hinaus. Sie setzen sich mit Fragen nach Schuld und Bestrafung Mielkes auseinander und charakterisieren seine Persönlichkeit. Ihre Ergebnisse pflegen die Schülerinnen und Schüler in ein selbst erstelltes Blog ein. Modul 2: Methoden und Arbeitsweise des MfS Die Schülerinnen und Schüler setzen sich mit dem Wirken der Geheimpolizei auf Menschen und Gesellschaft auseinander. In Arbeitsblatt 3 lernen sie die Verfolgung und Unterdrückung Andersdenkender am Beispiel der jungen Regime-Kritikerin Dorothea Fischer aus Jena kennen. Quellenarbeit Arbeitsblatt 4 dient der Analyse und Interpretation zweier Textquellen - darunter die "Stasi-Ballade" von Wolf Biermann sowie ein interner Stasi-Bericht. Es sollen die Formen und die Auswirkungen von Bespitzelung und Überwachung herausgearbeitet werden. Das Psycho-Instrument der "Zersetzung" wird in Arbeitsblatt 5 analysiert. Zwei Dokumente des MfS stehen zur Auswertung bereit. Die Schülerinnen und Schüler beantworten Fragen zu den Dokumenten und referieren ihre Ergebnisse vor der Klasse. Modul 3 (Vertiefung): Die Untersuchungshaftanstalten des MfS In freier Recherche informieren sich die Schülerinnen und Schüler im Netz oder anderen Medien über die Untersuchungshaftanstalten des MfS. Anhand von Original-Dokumenten rekonstruieren sie Haftgründe und Haftbedingungen der Jugendlichen Sylke Glaser aus Rostock. Modul 4 (Vertiefung): Ein langer Arm der Stasi - Kanzlerspion Günter Guillaume Das Vertiefungsmodul setzt sich mit dem großen Einfluss und Aktionsradius des DDR-Staatssicherheitsdienstes auseinander. Anhand der Geschichte des Kanzlerspions Günter Guillaume, der es auf Weisung des MfS bis in die höchsten Regierungskreise der Bundesrepublik gebracht hatte, wird das Wirken der Stasi im Westen beleuchtet. Die Schülerinnen und Schüler rekonstruieren diese erstaunliche Karriere, aber auch die Enttarnung Guillaumes und die Konsequenzen für ihn und seine Familie. Neben der biographischen Recherche wird den Lernenden gleichzeitig ein Stück deutscher Teilungsgeschichte nahegebracht. Zur Erarbeitung und Präsentation ihrer Ergebnisse nutzen die Schülerinnen und Schüler die Blog-Funktion auf lo-net². Modul 5: Auflösung des MfS und gesellschaftliche Aufarbeitung Hier befassen sich die Schülerinnen und Schüler mit Machtverfall und Auflösung des Ministeriums 1989/90. Sie informieren sich über die Ereignisse der Friedlichen Revolution und des Mauerfalls sowie über die Erstürmung der Stasi-Zentralen durch die Bürgerkomitees. Mit einer Recherche zum weiteren Umgang mit den Hinterlassenschaften des Staatssicherheitsdienstes schlagen sie auch den Bogen zur Gegenwart und zur Aufarbeitung der SED-Diktatur. Sie informieren sich über das Wirken der Stasiunterlagenbehörde (BStU) und über das Prozedere der Akteneinsicht. Sie präsentieren ihre Ergebnisse in einer Power-Point-Präsentation. Besuch der Gedenkstätte Viele Aspekte der Unterrichtseinheit können den Schülerinnen und Schülern durch einen Besuch der Dokumentations- und Gedenkstätte des BStU in Rostock (DuG) veranschaulicht werden. Bei einer Exkursion in die DuG können sie zum Beispiel einen Original-Zellentrakt der U-Haftanstalt Rostock besichtigen. Einige Zellenräume dienen als Ausstellungsorte und vermitteln unter anderem einen Einblick in die Bedingungen der Stasi-Haft. Die Schülerinnen und Schüler präsentieren ihre Ergebnisse in einem Kurzreferat. Aretz, Jürgen und Wolfgang Stock Die vergessenen Opfer der DDR. 13 erschütternde Berichte mit Original-Stasi-Akten, Berlin 2009. Ebert, Dorothea und Michael Proksch Und plötzlich waren wir Verbrecher. Geschichte einer Republikflucht, München 2010. Engelmann, Roger Das MfS-Lexikon. Begriffe, Personen und Strukturen der Staatssicherheit der DDR, Berlin 2011. Fuchs, Jürgen Unter Nutzung der Angst. Die "leise" Form des Terrors - Zersetzungsmaßnahmen des MfS, Berlin 1994. Gauck, Joachim Winter im Sommer, Frühling im Herbst. Erinnerungen, München 2010. Gieseke, Jens Der Mielke-Konzern. Die Geschichte der Stasi 1945-1990, München 2006. Gieseke, Jens Die DDR-Staatssicherheit. Schild und Schwert der Partei, Bonn 2000. Judt, Matthias (Hg.) DDR-Geschichte in Dokumenten, Bonn 1998. Neubert, Erhart Opposition in der DDR, Erfurt 2009. Schroeder, Klaus Der SED-Staat. Geschichte und Strukturen der DDR, Dresden 1998.

  • Geschichte / Früher & Heute / Politik / WiSo / SoWi
  • Primarstufe, Sekundarstufe I

Deutschland Ost: Krisenstimmung zum Tag der Einheit

Unterrichtseinheit

Zum Tag der Deutschen Einheit vereint die Deutschen in diesem Jahr offenbar nur die allgemeine Krisenstimmung.15 Jahre nach der Einheit zeigt sich Deutschland immer noch gespalten. Bei den Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen feierten rechtsextreme Parteien und die PDS Wahlerfolge. Wie zu DDR-Zeiten protestierten die Bürger in den vergangenen Wochen vor allem im Osten mit Montagsdemonstrationen gegen die Hartz-Reformen. Und auch im Westen kommt Unmut über die Hilfen für den Osten auf. Der Bundespräsident stieß die Debatte weiter an, indem er betonte, es werde weiterhin unterschiedliche Lebensbedingungen in Ost und West geben. 15 Jahre nach dem Fall der Mauer dominieren Zukunftsangst und Pessimismus. Ein Blick auf die Erwartungen der Wendezeit und die Entwicklung im Osten erklärt die Stimmung.Die Schülerinnen und Schüler sollen sich über die allgemeinen Erwartungen zur Zeit der Wende und der Wiedervereinigung informieren. sich über die politischen und wirtschaftlichen Probleme der ostdeutschen Bundesländer informieren. die Ursachen für die Demonstrationen und das Wahlverhalten im Osten erkennen. den aktuellen Stand der deutschen Einheit diskutieren. das Internet als Informations- und Recherchemedium nutzen. Thema Deutschland Ost: Krisenstimmung zum Tag der Einheit Autoren Wolfgang Bauchhenß und Michael Bornkessel Fach Politik, Sozialwissenschaften Zielgruppe Sek II, ab Klasse 10 Zeitaufwand je nach Intensität und Schwerpunktsetzung mindestens 3 Stunden Medien Computer mit Internetzugang Einheit im Eiltempo Am 9. November 1989 fiel die Mauer, zehn Monate später unterzeichnete die Volkskammer in Ost-Berlin den "Beitritt der DDR zum Geltungsbereich des Grundgesetzes", und am 3. Oktober 1990 feierten Millionen Menschen in Ost und West die deutsche Einheit. Die Stimmung war optimistisch bis euphorisch. Der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) erklärte, er sei "mehr denn je davon überzeugt, dass wir in den nächsten drei bis vier Jahren in den neuen Bundesländern blühende Landschaften gestalten werden". Risiko-Finanzierung Die Erwartungen im Osten waren dementsprechend groß, doch an eine solide Finanzierung der Einheit war zunächst nicht zu denken. Zwar wurde ein Solidaritätsbeitrag eingeführt, den Arbeitnehmerinnen und Arbeitsnehmer automatisch mit der Einkommensteuer zahlen. Der Großteil der Gelder für den Aufbau Ost stammte aber aus den vollen Sozialkassen des Westens. Wirtschaftskrise und Arbeitslosigkeit leerten diese Töpfe inzwischen, neues Geld kommt kaum nach - auch ein Grund, warum nun eine Reform der Sozialsysteme dringend nötig ist. Der Preis 80 bis 90 Milliarden Euro fließen Jahr für Jahr von West nach Ost. Nach einer gerade veröffentlichten Studie des Leiters des Forschungsverbundes SED-Staat an der Freien Universität Berlin, Klaus Schroeder, belaufen sich die bislang entstandenen Kosten der Einheit gar auf 1.500 Milliarden € (= 1,5 Billionen). Diese Zahlen wurden von der Bundesregierung und dem für den Aufbau Ost zuständigen Verkehrsminister Manfred Stolpe jedoch sofort dementiert. Wie hoch die exakten Kosten auch sein mögen, die Probleme im Osten wachsen weiter, und auch die westlichen Bundesländer, Städte und Gemeinden leiden unter hohen Belastungen unter der angespannten wirtschaftlichen Lage, beklagten in den vergangenen Jahren geringe Steuereinnahmen und hohe Sozialausgaben. Währungsunion Nach dem Fall der Mauer wollten die Ostdeutschen schnell die D-Mark als Zahlungsmittel haben. Die damalige Bundesregierung unter Helmut Kohl trieb daher die Währungsunion voran und schuf schon vor dem Einheitsvertrag zum 1. Juli 1990 eine Wirtschafts- und Währungsunion zwischen Bundesrepublik und DDR. Zum 1. Juli 1990 wurde die D-Mark als einziges Zahlungsmittel in der DDR eingeführt. Fortan galt die D-Mark als einziges Zahlungsmittel in der DDR. Umstritten war der Umtauschkurs, mit dem die DDR-Mark in D-Mark umgerechnet wurde: Entgegen dem Rat vieler Experten legten die Regierungen für kleinere Sparguthaben bis 6000 Mark, Löhne, Gehälter und Renten einen Umtauschkurs von 1:1 fest. Die Renten wurden neu berechnet und dadurch im Durchschnitt um 30 Prozent angehoben. Für größere Sparguthaben galt lediglich ein Umtauschkurs von 2:1. Zusammenbruch der Planwirtschaft Als Konsequenz stiegen für ostdeutsche Firmen die Produktionskosten stark an, sie waren dem Wettbewerb nicht mehr gewachsen. Die sozialistische Planwirtschaft im Osten, ohnehin völlig marode und verschuldet, brach zusammen. Hunderttausende Menschen verloren ihre Arbeit. Heute sind in ganz Deutschland 4,3 Millionen Menschen ohne Arbeit, 1,6 Millionen von ihnen im Osten. Arbeitslosigkeit und Abwanderung sind heute die Hauptprobleme im Osten. Einige Ausnahme-Regionen stehen aber auch für wirtschaftlichen Aufschwung und können es längst mit dem Westen aufnehmen. Arbeitslosigkeit gehört zum Alltag Seit dem Zusammenbruch der Industrie im Osten ist die Arbeitslosigkeit ein zentrales Problem. Volkseigene Betriebe (VEBs) und Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften (LPGs) wurden nach der Wende aufgelöst. Wo Betriebe schließen mussten, fanden sich oft keine Nachfolger, die die Arbeitskräfte übernehmen konnten. Die Arbeitslosenquote in den neuen Ländern liegt im Durchschnitt über 18 Prozent. In Mecklenburg Vorpommern und Sachsen-Anhalt sogar bei über 20 Prozent. Jeder Zweite der bis 59-Jährigen hat dort seit 1990 mindestens einmal seine Stelle verloren. Arbeitslosigkeit ist in den neuen Bundesländern also ein Problem, das fast jede Familie aus eigener Erfahrung oder Freundes- und Verwandtenkreis kennt. Auf in den Westen Aus ländlichen Regionen wie Mecklenburg-Vorpommern wandern junge, flexible Arbeitskräfte in den Westen ab; zurück bleiben oft ältere Arbeitslose, die nur wenige Chancen haben, noch einmal eine Stelle zu finden. Auch Unternehmensgründer siedeln sich unter solchen Umständen kaum an; nur in größeren Städten sehen sie eine Zukunft. Aber auch in den Städten im Osten sinkt seit 1990 die Einwohnerzahl. Einige Beispiele: In Schwerin lag der Bevölkerungsrückgang von 1990 bis 2000 bei über 20 Prozent, in Magdeburg bei über 17 Prozent, in Erfurt bei über 10 Prozent. Seit der Wende ist die Einwohnerzahl der neuen Länder um über eine Million auf 13,5 Millionen gefallen. Die Geburtenrate ist niedrig und ein demografischer Wandel im Osten ohne wirtschaftlichen Aufschwung daher nicht abzusehen. Die Abwanderung von Ost nach West schwächte sich nach Angaben des Statistischen Bundesamtes 2003 im Vergleich zu den Vorjahren jedoch ab. Positive Ausnahmen durch Auto- und Chipindustrie "Blühende Landschaften" gibt es bis heute nur an wenigen Orten im Osten. In Technologiezentren wie Jena, Dresden oder Leipzig siedelten sich - gefördert von der Politik - moderne, internationale Firmen an, die vor Ort für zahlreiche neue Arbeitsplätze sorgten. Sachsen ist so seit der Wende zum gefragten Standort der Auto- und Chipindustrie geworden. In diesen Modellregionen entspricht der Lebensstandard durchaus dem westlichen Niveau. Doch die positiven Beispiele bleiben Ausnahmen. Zwar haben Bund und Länder in den letzten Jahren mit riesigen Anstrengungen die Infrastruktur im Osten modernisiert, aber in vielen Regionen bleiben die Investoren aus. Zukunftsangst Die hohe Arbeitslosigkeit im Osten spiegelt sich auch in den Protesten gegen die bevorstehenden Sozialreformen wider. Die Angst vor den so genannten Hartz-IV-Reformen der Bundesregierung trieb im Sommer 2004 viele Menschen in Montagsdemonstrationen auf die Straße. So, wie sie 15 Jahre zuvor in Leipzig und anderen Städten gegen die DDR-Regierung protestiert hatten, machten sie nun ihrer Furcht vor der ungewissen Zukunft Luft. Viele Menschen haben Angst vor dem Abrutschen in die Sozialhilfe, wenn es nur noch ein Jahr lang Arbeitslosengeld geben soll. Hoffnung, durch die Reformen leichter wieder einen Job zu finden, haben die wenigsten. (Mehr Informationen zu Hartz IV und zum Arbeitslosengeld II finden Sie in der Rubrik "Zusatzinformationen" auf der Startseite oder Hartz IV ? Was steckt dahinter? ). Vertrauensverlust für Volksparteien Die Landtagswahlen im September 2004 in Sachsen und Brandenburg haben die Politiker in Deutschland aufgeschreckt. Während die großen Parteien CDU und SPD zum Teil kräftig verloren haben, schicken die rechtsextremen Parteien NPD und DVU nun ihre Vertreter in die Landtage zweier ostdeutscher Bundesländer. Mit platten Parolen wie "Schnauze voll" (NPD) haben sie zuvor gegen die Reformen protestiert und "einfache Lösungen" propagiert. Das Ausland blickt mit wachsender Besorgnis auf Deutschland. Internationale Zeitungen meldeten am Montag nach der Wahl auf ihren Titelseiten die Erfolge der Rechten. Schon fürchten sächsische Politiker, dass sich ausländische Investoren nicht mehr ins Land trauen, und dass der aufblühende Tourismus unter den negativen Schlagzeilen leidet. Die PDS, Nachfolgepartei der früheren DDR-Staatspartei SED, die im Wahlkampf ebenso wie die Rechten gegen die Reformen der Bundesregierung Stimmung gemacht hatte, hat sich in den neuen Bundesländern zu einer großen Volkspartei entwickelt. Im Westen reagieren viele Menschen mit Unverständnis auf diese Wahlergebnisse. PDS und Rechtsextreme profitieren vom Protest Sowohl die PDS als auch die rechten Parteien haben im Vorfeld der Wahlen die Ablehnung der Hartz-Reformen zu ihrem Hauptthema gemacht und sich damit den allgemeinen Unmut über die Reformen zu Nutzen gemacht. Darin sehen Wahlforschungsinstitute auch den Erfolg der Parteien bei den vergangenen Landtagswahlen. Sie schwammen auf der allgemeinen Protestwelle mit; zudem haben die Wählerinnen und Wähler das Gefühl, bei den etablierten Parteien eigentlich keine Wahl zu haben: CDU, SPD, FDP und Grüne sind sich im Prinzip einig darüber, dass die Reformen wichtig und notwendig sind. Wer Angst vor den Folgen dieser Reformen hat und sie deshalb ablehnt, wählt entweder gar nicht, oder er wendet sich den Protestparteien zu. Rechter Spuk Bislang haben sich rechtsextreme Parteien nie lange in den Parlamenten halten können - meist stellten sie sich als unseriöse Gruppen heraus, die sich in kürzester Zeit zerstritten und der Arbeit in einem Parlament intellektuell kaum gewachsen waren. Einiges spricht dafür, dass das auch in den östlichen Bundesländern so bleibt. Dennoch sehen viele Beobachter die Entwicklung im Osten mit Sorge, da die Extremisten an einigen Orten hohe Wahlergebnisse erzielen konnten und ihre Vertreter in einzelnen Regionen scheinbar feste Anhänger gewonnen haben. Einheit ohne Gleichheit Wenige Wochen vor den Landtagswahlen sorgte auch noch Bundespräsident Horst Köhler für deutsch-deutsches Aufsehen: In einem Interview sagte er, dass es in Deutschland nicht überall gleiche Lebensverhältnisse geben könne. Diese Unterschiede seien nur durch weitere Subventionen einzuebnen, und das würde kommenden Generationen hohe Schulden aufbürden. Verpflichtungen durch das Grundgesetz Während einige Beobachter den Bundespräsidenten für seine Ehrlichkeit lobten, empörten sich besonders Politiker aus dem Osten über Köhlers Aussagen. Sie zitierten das Grundgesetz. Es sieht ausdrücklich vor, dass in ganz Deutschland alle Bürger in gleichwertigen Verhältnissen leben sollen; die "Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse" ist in Artikel 106 (3) verankert. Der Präsident spalte das Land, warfen ihm seine Kritiker vor, und löse eine Neid-Debatte aus: Westdeutsche ärgerten sich über die großen Summen, die in den Osten fließen, und Ostdeutsche fühlten sich als Almosenempfänger. Andererseits herrschen auch im Westen keinesfalls überall gleiche Lebensverhältnisse: Im Ruhrgebiet träumt man von Beschäftigungsquoten wie in München oder Stuttgart. Eigenverantwortung statt Bevormundung 15 Jahre nach dem Fall der Mauer scheint Deutschland also keineswegs ein geeintes Land zu sein. Im Osten wie im Westen gibt es Sorgen um die Zukunft; Ost- und Westdeutsche stehen sich neidisch gegenüber. Einer Umfrage des "Spiegel" zufolge wünschen sich immerhin 21 Prozent der Deutschen die Mauer zurück: 12 Prozent der Ostdeutschen und 24 Prozent der Westdeutschen. Das Satiremagazin "Titanic" hat eine Partei gegründet, deren Hauptforderung ist, die Mauer wieder aufzubauen. Generell aber wünschen sich die Ostdeutschen keineswegs die DDR zurück. Weniger denn je stimmen laut Spiegel-Umfrage der These zu, dass der Sozialismus eine gute Idee sei. Und 60 Prozent der Befragten sagten, dass ihnen Eigenverantwortung lieber sei als ein Staat der fürsorglichen Bevormundung. Einheit war und ist richtig Wie sich die Lage und die Stimmung im Osten weiter entwickeln, bleibt abzuwarten. 15 Jahre nach dem Fall der Mauer sind die Erwartungen realistischer geworden. Fast 60 Prozent der Ostdeutschen sagten in der Spiegel-Umfrage, dass es noch mehr als zehn Jahre dauern werde, bis die Wirtschafts- und Lebensbedingungen in Ost und West angeglichen sind. Die Hoffnung bleibt. Die Zustimmung zur Wiedervereinigung ist nach Angaben der Forschungsgruppe Wahlen jedoch nach wie vor unter allen Bundesbürgern groß. Bei einem Politbarometer Extra sagten 83 Prozent der Befragten, auch aus heutiger Sicht sei die Vereinigung der beiden deutschen Staaten 1990 richtig gewesen. Regierung und Opposition beschließen Neuregelung Die Bundesregierung hat die Hartz IV genannten Arbeitsmarktreformen im Sommer 2004 gemeinsam mit der Opposition verabschiedet. Das war nötig, da die Reform sonst am Einspruch des Bundesrates gescheitert wäre, wo die CDU/CSU-geführten Bundesländer derzeit über eine Mehrheit verfügen. Also musste sich die Regierung mit der Bundesratsmehrheit arrangieren und dabei auch Kompromisse eingehen - am Ende stand Hartz IV. Nach einem Jahr nur noch Arbeitslosengeld II Die wichtigste Neuregelung ist dabei, dass Arbeitslosen- und Sozialhilfe zum so genannten Arbeitslosengeld II (ALG II) zusammengelegt werden. Wer also nach einem Jahr Arbeitslosigkeit keinen neuen Job gefunden hat, bekommt dann das neue ALG II. Das ist - im Gegensatz zur bisherigen Arbeitslosenhilfe - keine Versicherungsleistung mehr, sondern eine aus Steuermitteln finanzierte Fürsorgeleistung des Staates. Die konkrete Höhe der Leistungen orientiert sich deshalb am Bedarf der Empfänger und nicht mehr am letzten Nettolohn. Dabei beträgt das Arbeitslosengeld II für einen Erwachsenen 345,- Euro monatlich in den westlichen (einschließlich Berlin) und 331,- Euro in den östlichen Bundesländern. Hinzu kommen Unterkunfts- und Heizkosten, soweit sie "angemessen" sind. Vermögen wird angerechnet Doch bevor man das ALG II bekommt, muss der Arbeitslose einen Antrag ausfüllen, in dem er sein ganzes Vermögen offen legt. Denn erst wenn man - bis auf bestimmte Freibeträge - wirklich kein Geld zur Verfügung hat, zahlt der Staat. Das sorgte für einigen Unmut, denn auch Lebensversicherungen und das Sparbuch-Vermögen minderjähriger Kinder über 4.850 € fallen unter dieses anrechenbare Vermögen. Zeit: Hartz IV - Gute Information, schlechte Aussichten Magdeburg hat ein erfolgreiches Bildungsträger-System installiert, trotzdem herrscht bei den künftigen ALG II-Empfängern eine resignative Stimmung. Bundesministerium für Arbeit und Soziales: Arbeitsmarktreform Informationen des Bundesministeriums zu allen Neustrukturierungen im Bereich des Arbeitsmarktes.

  • Politik / WiSo / SoWi
  • Sekundarstufe I, Sekundarstufe II
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