Venus - Beobachtung der Phasen unseres Nachbarn
Unterrichtseinheit
Der Wechsel der Venusphasen und die Metamorphose vom Abend- zum Morgenstern bieten ein astronomisches Lehrstück und schulen das räumliche Verständnis."Sie loderte silbern, entsandte verfliegende Strahlen, brannte in Zacken, und eine längere Flamme schien gleich der Spitze eines Speeres obenauf ihr zu stehen" - so beschreibt Thomas Mann (1875-1955) die Erscheinung der Venus am Himmel über Kanaan in dem Roman "Joseph und seine Brüder". Nach Sonne und Mond ist unser Nachbarplanet das hellste Objekt am Himmel, aber nicht zu jeder Zeit: Bedingt durch die innerhalb der Erdbahn gelegene Umlaufbahn zeigt Venus verschiedene Phasen (Vollvenus, Halbvenus, Neuvenus) und dabei eine erhebliche Veränderung des scheinbaren Durchmessers. Zum Zeitpunkt ihres größten Glanzes erscheint Venus als breite Sichel. Informationen zur Sichtbarkeit des Planeten am Abendhimmel finden Sie unter Links und Literatur . Zur Vorbereitung der Beobachtung können mithilfe kostenfreier Planetarium-Software (z.B. Stellarium ) Simulationen durchgeführt und Sternkarten ausgedruckt werden. Beobachtung ohne optische Hilfsmittel Eine Beobachtung der Venus über einen längeren Zeitraum, insbesondere die "Metamorphose" vom Morgenstern zum Abendstern - bietet ein schönes astronomisches Lehrstück. Schülerinnen und Schüler können die Dynamik des Sonnensystems dabei ganz ohne optische Hilfsmittel erleben. Sie verstehen den Wandel vom Abend- zum Morgenstern als Projektion eines einfachen Manövers an die Himmelskugel: Venus überholt die Erde auf der "Innenbahn". Ausführliche Hinweise zur Beobachtung und Dokumentation von Planetenbewegungen über einen längeren Zeitraum finden Sie in dem Beitrag zur Allgemeine Hinweise zur Planetenbeobachtung . Beobachtung der Venusphasen Mit dem bloßen Auge sind im Laufe von Wochen und Monaten lediglich deutliche Veränderungen der Venushelligkeit erkennbar. Das zugrunde liegende Zusammenspiel von Venusgröße und -phase offenbart sich allerdings erst beim Blick durch optische Hilfsmittel. Wenn Sie keinen Zugriff auf ein Amateurteleskop haben, bietet sich ein Besuch in der nächsten Volkssternwarte an. Falls Sie Hobby-Ornithologen im Kollegium oder Freundeskreis haben: Auch mit einem guten Spektiv lassen sich die Phasen der Venus beobachten. Die schlanke Sichel der erdnahen Venus ist sogar schon mit einem guten Feldstecher (10-fache Vergrößerung) erkennbar. Besonders Scharfsichtigen soll dies sogar mit bloßem Auge gelingen - darauf bezieht sich möglicherweise auch Thomas Manns Beschreibung. Auf den Spuren von Galileo Galilei und Simon Marius Auch ohne die Einbettung in ein längeres Beobachtungsprojekt lohnt es sich, die Schülerinnen und Schüler einen Blick auf die Sichelform des strahlenden Planeten werfen zu lassen. Dabei wandeln sie in den Fußstapfen bedeutender Vorgänger: Galileo Galilei (1564-1642) und der weniger bekannte deutsche Astronom Simon Marius (1573-1624) entdeckten 1610 mit den ersten Fernrohren nahezu zeitgleich die Venusphasen - eine Beobachtung, die zum Sturz des geozentrischen und zur Untermauerung des heliozentrischen Weltbildes beitrug. Entstehung der Venusphasen Geometrische Betrachtungen zur Perspektive unseres Blicks auf die Venus veranschaulichen die Entstehung der Venusphasen. Die Erforschung des Planeten Die Atmosphäre gleicht einem heißen Ozean, der eine dämmrige und von erstarrten Lavaflüssen geprägte Landschaft bedeckt. Die Schülerinnen und Schüler sollen Bewegung und Phasen der Venus durch die Bahngeometrie erklären können und ihr räumliches Vorstellungsvermögen schulen. erläutern können, warum die Entdeckung der Venusphasen durch Galileo Galilei (1564-1642) und Simon Marius (1573-1624) das heliozentrische Weltbild unterstützte. die schon in der Dämmerung strahlende Venus mit eigenen Augen betrachten und - wenn möglich - mithilfe geeigneter optischer Instrumente die Sichelform des Planeten beobachten. die charakteristischen Eigenschaften der Venusatmosphäre und -oberfläche kennen lernen und den Planeten nicht nur als Lichtpunkt betrachten, sondern in ihm eine fremde Welt erkennen. eine astronomische Beobachtung gemeinsam planen und zusammen mit Mitschülern, Lehrpersonen, Eltern, Freundinnen oder Freunden erleben. Planetarium-Software als Werkzeug zur Planung astronomischer Beobachtungen kennen und nutzen lernen. Thema Beobachtung der Venus Autor Dr. André Diesel Fächer Naturwissenschaften ("Nawi"), Astronomie, Astronomie AG Zielgruppe Sekundarstufe I und II Zeitraum variabel: vom einmaligen Beobachtungsabend bis hin zur Dokumentation der Venusbahn über Wochen oder Monate Technische Voraussetzungen Beobachtung mit dem bloßen Auge oder einem guten Feldstecher (dieser ermöglicht zumindest die Betrachtung der schmalen Venussichel); Spektive (40-60-fache Vergrößerung) und kleine Amateurteleskope lassen alle Venusphasen erkennen. Software Planetarium-Software zur Vorbereitung (Beamerpräsentation) oder zum Ausdrucken von Himmelskarten, zum Beispiel Stellarium (kostenfreier Download) Untere und Obere Konjunktion Die innerhalb der Erdbahn kreisende Venus "pendelt" von uns aus gesehen zwischen der größten westlichen und der größten östlichen Elongation hin und her (Abb. 1). Im Gegensatz zu Mars und den äußeren Planeten ist bei Venus und Merkur zwischen der unteren und der oberen Konjunktion zu unterscheiden. In den Zeiten um beide Konjunktionen befinden sich die inneren Planeten nahe bei der Sonne am Taghimmel und sind nicht zu beobachten (ähnlich der "Neumondsituation"). Zum Zeitpunkt der unteren Konjunktion ist Venus etwa 40 Millionen Kilometer von der Erde entfernt, zum Zeitpunkt der oberen Konjunktion etwa 150 Millionen Kilometer. Daraus ergeben sich die deutlichen Änderungen des scheinbaren Durchmessers des Planetenscheibchens an unserer Himmelskugel. Venustransite Wenn sich Merkur oder Venus zum Zeitpunkt der unteren Konjunktion genau zwischen Erde und Sonne befinden, ist ein so genannter Transit zu beobachten: Der Planet wandert als schwarzes Scheibchen über die Sonnenscheibe. Aufgrund der nicht ganz identischen Bahnebenen der Planeten geschieht dies jedoch nur selten (aus demselben Grund haben wir auch nicht bei jedem Neumond eine Sonnenfinsternis). Abb. 2 zeigt den Venustransit von 2004, aufgenommen von einer Schülergruppe am Gymnasium Isernhagen (Niedersachsen). Der nächste Venustransit am 6. Juni 2012 ist, wenn die Sonne in Mitteleuropa aufgeht, schon fast beendet. Der nächste Merkurtransit am 09. Mai 2016 kann dagegen vollständig beobachtet werden. Solche Beobachtungen sind nur mit geeigneten Schutzbrillen und Instrumenten möglich! Phasen der Venus Im Gegensatz zu den anderen Planeten zeigen Venus und Merkur aufgrund ihrer innerhalb der Erdbahn liegenden Bewegung um die Sonne Phasen: Etwa während der größten östlichen Elongation (siehe Abb. 1) ist eine abnehmende Halbvenus als auffälliger Abendstern zu beobachten. Um den Zeitpunkt der größten westlichen Elongation ist eine zunehmende Halbvenus als Morgenstern zu sehen. Vor oder nach der unteren Konjunktion erscheint Venus (kurz nach Sonnenuntergang beziehungsweise kurz vor Sonnenaufgang) als große, aber sehr schmale Sichel. Um die obere Konjunktion herum erscheint das Planetenscheibchen dagegen voll beleuchtet, aber sehr klein und ist dadurch in der Dämmerung sehr unauffällig. Durch das Zusammenspiel von Entfernung und Beleuchtung (Phase) des Planeten kommen die großen Helligkeitsschwankungen der Venus zustande. An einem bestimmten Punkt zwischen unterer und oberer Konjunktion erstrahlt Venus in ihrem größten Glanz. Zu diesem Zeitpunkt sind 28 Prozent der uns zugewandten Seite des Planeten beleuchtet (Venus erscheint dann als breite Sichel). Abb. 3 zeigt die Entwicklung der abnehmenden Venus bis hin zur scharfen Sichelform. Die Aufnahmen stammen von Jens Hackmann. Weitere Astronomie-Fotos finden Sie auf seiner Homepage: Java-Applet zur Entstehung der Venusphasen Ein Java-Applet von Rob Scharein veranschaulicht dynamisch die Entstehung der Phasen bei den inneren Planeten Venus und Merkur. Sonne, Erde und die Bewegung des inneren Planeten werden in der Aufsicht dargestellt. Zeitgleich sieht man - aus der Perspektive irdischer Beobachter - die Entwicklung der Phasen und die Veränderungen der Größe des Planetenscheibchens. Java-Applet "Phases of the inner planets" (Astronomy and Physics Simulations) Klicken Sie auf der Website von Rob Scharein unter "Solar system explorer" auf das Saturn-Icon vor "Phases of the inner planets". Venus benötigt für die Umrundung der Sonne 243 Tage und um sich einmal um sich selbst zu drehen 225 Tage. Der Drehsinn der Eigenrotation ist bei ihr - als einzigem Planeten - retrograd: Die Sonne geht also im Westen auf und im Osten unter. Daraus ergibt sich, dass auf der Venusoberfläche alle 117 Tage die Sonne aufgeht. Die Ursache für die retrograde Rotation ist nicht bekannt - möglicherweise war hier eine Kollision im Spiel. Ein "Venuszyklus" am Erdhimmel dauert länger als ein Venusjahr, da sich die Erde während eines Venusjahrs ja auch weiterbewegt: Von Neuvenus zu Neuvenus vergehen 584 Erdentage. Undurchdringliche Wolkenschicht Venus wird von dichten Wolken eingehüllt, die Teleskopen den Blick auf die Oberfläche verwehren und den Planeten als "Billardkugel" erscheinen lassen. Abb. 4 zeigt ein Venus-Portrait, aufgenommen von der NASA-Sonde Mariner 10. Die dichte Wolkendecke sorgte vor der Ära der Raumsonden für vielfältige Spekulationen. So vermutete man unter den Wolken eine Landschaft, die der der "Urerde" vor 200 Millionen Jahren entsprechen sollte, bedeckt von dampfenden Dschungeln, durch die saurierähnliche Geschöpfe stapfen sollten. Die Wolkendecke macht Venus nicht nur geheimnisvoll, sondern sorgt auch für den strahlenden Glanz des Planeten an unserem Himmel: Drei Viertel des Sonnenlichtes werden von den Wolken reflektiert. Planet im Fieber Als 1970 erstmals eine russische Raumsonde auf der Nachtseite des Planeten landete (Venera 7), meldete sie eine Temperatur von 475 Grad Celsius und den enormen Druck von 90 Erdatmosphären - das entspricht etwa dem Druck in 900 Metern Wassertiefe. Zwei Jahre später schickte eine weitere russische Sonde ähnliche Werte von der Tagesseite. Unter den dampfdruckkesselartigen Bedingungen verhält sich die Atmosphäre wie ein heißer Ozean, der die Temperaturunterschiede zwischen Tag- und Nachtseite ausgleicht. Die Zusammensetzung der Atmosphäre - 96 Prozent Kohlenstoffdioxid! - macht Venus zur perfekten Strahlungsfalle, die den Planeten in ein Dauerfieber versetzt. Der Treibhauseffekt wird noch verstärkt von Wasserdampfspuren und den Wolken aus 80-prozentiger Schwefelsäure, die die von der Oberfläche reflektierte Strahlung nicht in den Weltraum entkommen lassen. Der Schwefel wurde ursprünglich durch vulkanische Aktivitäten in Form von Schwefeldioxid ausgestoßen. Turbulente Atmosphäre Die amerikanischen Pionier-Sonden erkundeten in den siebziger Jahren die Zusammensetzung der Venusatmosphäre. Die von der Erde aus sichtbaren Wolken befinden sich etwa 65 Kilometer über der Oberfläche und werden von heftigen Winden (350 Kilometer pro Stunde) in nur vier Tagen um den gesamten Planeten gejagt. Wenige Kilometer darunter gehen die Wolken in eine gelbliche Dunstschicht über, die möglicherweise aus Schwefelsäuretröpfchen besteht. Etwa 50 Kilometer über der Oberfläche findet sich die dichteste Wolkenschicht. Aus ihr fällt ständig saurer Regen, der jedoch verdampft bevor er die Oberfläche erreicht. Auf dieser sind die Winde eher schwach (wenige Stundenkilometer). Die 2005 gestartete ESA-Sonde Venus Express umkreist den Planeten und erforscht dessen Atmosphäre und Klima genauer. Abb. 5 zeigt ein Wirbelsturmsystem, das von der Sonde fotografiert wurde. Blitzgewitter und dämmrige Tage Unterhalb der Wolken erzeugen zahlreiche Blitze ein verschwommenes Glühen - dass es dabei heftig grollen muss, kann man sich vorstellen. Nur ein Prozent des Sonnenlichts erreicht die Venusoberfläche. Hier ist es immer dämmrig, etwa wie an einem wolkenverhangenen Tag auf der Erde. Eine junge vulkanische Landschaft Die ersten Fotos der Oberfläche machten russische Raumsonden in den siebziger Jahren. Viele Bilder finden Sie auf der Website von Don P. Mitchell (siehe unten). Eine systematische Untersuchung der Oberfläche erfolgte durch die NASA-Sonde Magellan in den Jahren 1989 bis 1994. Die Sonde umkreiste den Planeten und durchdrang mit ihrem Radarauge die dichte Wolkendecke. Aus den gewonnenen Daten wurde eine detaillierte Karte erstellt, die 98 Prozent der Venusoberfläche erfasst. Von erstarrten Lavaströmen bedeckte Ebenen prägen weite Teile des Planeten. Es gibt aber auch Hochebenen, Gebirge und Vulkane. Der Computer kann aus den Radardaten dreidimensionale Reliefs berechnen und aus jeder gewünschten Perspektive darstellen. Abb. 6 zeigt ein solches Bild von Maat Mons, dem mit acht Kilometern höchsten Vulkan der Venus. 85 Prozent der Planetenoberfläche scheinen vor erst 500-800 Millionen Jahren aus einer gigantischen Lavaflut hervorgegangen zu sein, die das Vorgängerrelief kilometerdick bedeckte. Globaler Katastrophenzyklus oder langsames Ausklingen des Vulkanismus? Die von der Erde bekannte Plattentektonik gibt es auf der Venus nicht. Einige Wissenschaftler vermuten daher, dass die vulkanische Freisetzung von Wärme auf der Venus nicht - wie auf der Erde - kontinuierlich erfolgt. Sie glauben, dass Venus ihren geologischen Wärmehaushalt über einen periodischen Vulkanismus reguliert, der in heftigen Schüben ausbricht und dabei die Oberfläche des Planeten rundum erneuert. Andere Wissenschaftler favorisieren dagegen ein langsames Ausklingen der vulkanischen Aktivitäten während der letzten zwei Milliarden Jahre. Beide Hypothesen erklären, warum Einschlagkrater von Meteoriten auf der Venusoberfläche nicht älter als etwa 750 Millionen Jahre sind. Literatur Die astronomischen Jahrbücher informieren über die wesentlichen Ereignisse und deren Begleitumstände: Ahnert Astronomisches Jahrbuch, Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft (Heidelberg) Keller Kosmos Himmelsjahr, Kosmos Verlag (Stuttgart)
-
Physik / Astronomie
-
Sekundarstufe I,
Sekundarstufe II